VwGH 92/02/0321

VwGH92/02/032131.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde der EK in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. Oktober 1992, Zl. MA 64-11/958/91/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960,

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VStG §44a Z1;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit der angefochtene Bescheid Übertretungen nach § 17 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 lit. a StVO betrifft, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Übertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalls wird auf das hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0047, verwiesen.

Der Spruch des nunmehr angefochtenen Ersatzbescheides hat folgenden Wortlaut:

Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Neubau, hat mit Straferkenntnis vom 26. Juli 1990, Zahl Pst. 6959/N/90, über Frau EK, wohnhaft in W ..., wegen Übertretung der §§ 1-3) zu a) 17 (1) zu b) 4 (1) lit. a und zu

c) 4 Abs. 5 StVO 1960, 1-3) zu a) eine Strafe von S 1.000,--, bei Uneinbringlichkeit 40 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, 1-3) zu b) eine Strafe von S 5.000,--, bei Uneinbringlichkeit 1 Woche Ersatzfreiheitsstrafe, 1-3) zu c) eine Strafe von

S 1.000,--, bei Uneinbringlichkeit 40 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt und erstinstanzliche Strafkostenbeiträge von S 100,-- zu a) in den Punkten 1-3), von

S 500,-- zu b) in den Punkten 1-3) und von S 100,-- zu c) in den Punkten 1-3) vorgeschrieben.

Auf Grund der gegen die Punkte 1) c), 2) c), 3) c) rechtzeitig eingebrachten Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 unter Bedachtnahme auf das in der Sache ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1991,

Zahl 91/02/0047, hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten hat:

"Sie haben am 14. Oktober 1989 um 1.20 Uhr in Wien 7, Lerchenfelder Straße den PKW, Kennzeichen W .... gelenkt und haben 1) beim Vorbeifahren an dem vor dem Hause ONr. 74 abgestellten PKW Peugeot 504 keinen der Verkehrssicherheit entsprechenden Seitenabstand eingehalten, wodurch Ihr Fahrzeug das abgestellte Fahrzeug kontaktierte und waren dadurch an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt und haben es unterlassen, c) von diesem Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen; 2) in Fortsetzung der Fahrt sodann vor dem Hause ONr. 78-80 beim Vorbeifahren an dem dort abgestellten Kombinationskraftwagen VW-Passat keinen der Verkehrssicherheit entsprechenden Seitenabstand eingehalten, wodurch Ihr Fahrzeug das abgestellte Fahrzeug kontaktierte und waren dadurch an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt und haben es unterlassen c) von diesem Verkehrsunfall die nächste Polizeidienststelle zu verständigen; 3) Sie haben in weiterer Fortsetzung derselben Fahrt sodann an dem vor dem Hause ONr. 88-90 abgestellten PKW Citroen BX beim Vorbeifahren keinen der Verkehrssicherheit entsprechenden Seitenabstand eingehalten, wodurch Ihr Fahrzeug das abgestellte Fahrzeug kontaktierte und waren dadurch an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt und haben c) es weiters unterlassen, von diesem Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen."

Der Berufungswerberin wird gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950, in der Fassung der Novelle 1990 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 1-3) zu c) je S 100,-- auferlegt.

Auf Grund der gegen alle im Spruch zitierten Punkte außer zu 1) c), 2) c), 3) c) rechtzeitig eingebrachten Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis zu 1), 2), 3) je a) und b) gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG 1950 in der Fassung vor der Novelle 1991 eingestellt.

Der Berufungswerberin wird gemäß § 65 VStG 1950 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu den Punkten 1), 2) und

3) a) und b) nicht auferlegt.

Gegen diesen Bescheid seinem gesamten Inhalt nach richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist dem Spruch (und der Begründung) des angefochtenen Bescheides mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die belangte Behörde entsprechend der vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis vertretenen Rechtsmeinung die Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach § 17 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 lit. a StVO eingestellt hat. Hiedurch konnte die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzt werden, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.

2. Dem Spruch des angefochtenen Bescheides ist weiters hinreichend deutlich zu entnehmen, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich (dreier) Übertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO (Spruchpunkte 1c, 2c und 3c) bestätigt wurde. Soweit die Beschwerdeführerin die Anführung der "§§ 1 bis 3" erwähnt, ist für einen verständigen Leser klar, daß es sich bei diesen Ziffern nicht um Paragraphen der StVO, sondern um Spruchpunkte des erstinstanzlichen Straferkenntnisses handelt. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde in den Spruch ohnehin eine Tatumschreibung (unter nunmehriger Auslassung der den Gegenstand der Einstellung bildenden Tatbestände - jeweils lit. a und b) aufgenommen. Soweit die Beschwerdeführerin die Anführung von übertretener Norm, verhängter Strafe und Strafnorm vermißt, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Berufungsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jene Teile des erstinstanzlichen Bescheides, welche sie sich zu eigen macht, nicht zu wiederholen braucht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zlen. 92/02/0006, 0007). Dem erstinstanzlichen Straferkenntnis ist insbesondere zu entnehmen, daß zu den Spruchpunkten 1c, 2c und 3c je eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 40 Stunden) verhängt wurde. Daß hingegen die Strafen zu den Spruchpunkten 1a und b, 2a und b sowie 3a und b nicht aufrecht blieben, folgt aus der diesbezüglichen Einstellung des Strafverfahrens. Die behaupteten Spruchmängel liegen somit nicht vor.

Eine von Amts wegen wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist allerdings in folgenden Umständen gelegen: Übereinstimmend mit der spruchmäßigen Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hinsichtlich der Begehung dreier Übertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides - allerdings nur zu Spruchpunkt 3c - ausgeführt, warum die belangte Behörde die Begehung dreier, voneinander getrennter Übertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO annimmt (vgl. insbesondere Seiten 11, 20 und 22). An anderer Stelle der Begründung (Seite 6), heißt es - zu den Spruchpunkten 1c, 2c und 3c - hingegen, daß der belangten Behörde im Zweifel in Anbetracht der nicht mehr völlig rekonstruierbaren Sachlage nichts anderes übrig bleibe, als das Verfahren betreffend die beiden ersten Anstöße einzustellen. Auf Seite 13 wird wiederum ausgeführt, zugunsten der Beschwerdeführerin sei ohnehin der Eintritt des Gesamtschadens fiktiv mit dem ersten Anstoß angenommen worden.

Die Bescheidbegründung ist somit in der strittigen Frage des Vorliegens einer einzigen oder dreier Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO in sich widersprüchlich, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides im diesbezüglichen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt. Es erübrigt sich daher, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Aus prozeßökonomischen Gründen wird neuerlich - wie schon im Vorerkenntnis - darauf hingewiesen, daß dann, wenn der maßgebliche Sachverhalt insoweit nicht (mehr) einwandfrei geklärt werden kann, nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin vom Vorliegen dreier Verkehrsunfälle, die drei Meldepflichten nach § 4 Abs. 5 StVO nach sich gezogen hätten, ausgegangen werden dürfte. Es käme dann nur die Verhängung einer einzigen Verwaltungsstrafe wegen des Nichtmeldens der Beschädigung dreier parkender Fahrzeuge (dies hatte die Beschwerdeführerin ihrer eigenen Sachverhaltsschilderung zufolge nach ihrem "Erwachen" und Anhalten festgestellt) in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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