VwGH 92/02/0125

VwGH92/02/012521.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, DDr. Jakusch und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Dezember 1991, Zl. MA 64-12/162/91, betreffend Ausstellung eines Behindertenausweises, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §29b Abs4;
StVO 1960 §29b Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Dezember 1991 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Ausweises für dauernd stark gehbehinderte Personen gemäß § 29b StVO 1960 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde gelangte, gestützt auf mehrere Gutachten der Wiener Magistratsabteilung 15 in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zu dem Ergebnis, beim Beschwerdeführer liege eine Arthrodese des unteren Sprunggelenkes links vor. Er könne unter Verwendung eines orthopädischen Schuhs mit Schaftversteifung und eines Gehstockes Wegstrecken von über 1 km Länge zurücklegen.

Dieser Feststellung hält der Beschwerdeführer entgegen, die Annahme der Wegstrecke von über 1 km Länge sei willkürlich und fände in den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden keine Deckung. Dieses Vorbringen erweist sich als aktenwidrig. Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt hat, nahm der von ihr beigezogene Amtssachverständige zu sämtlichen vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Befunden in nachvollziehbarer und in sich widerspruchsfreier Weise Stellung und kam dabei aufgrund seines Fachwissens zu dem von der belangten Behörde ihrem Bescheid zugrundegelegten Ergebnis. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß die belangte Behörde im Hinblick auf die in den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden dokumentierten Durchblutungsstörungen verhalten gewesen wäre, noch ein ergänzendes Gutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie einzuholen. Dies umso weniger, als auch der Beschwerdeführer, der im Zuge des Verwaltungsverfahrens zu sämtlichen gutachtlichen Äußerungen des Amtssachverständigen eingehend Stellung nahm, keinerlei Anträge in diese Richtung stellte. Das gleiche gilt für das Beschwerdevorbringen, es ergäben sich aus den vorgelegten und eingeholten Befunden "begründete Anhaltspunkte, daß durch die eingetretenen Verschlechterungen und bzw. zu erwartende Verschlechterungen die vorliegenden Durchblutungsstörungen Ausfälle eintreten können, die mich daran hindern, die von der belangten Behörde festgesetzte Wegstrecke überhaupt zu bewältigen", was "jedenfalls durch ein neurologisches und allenfalls auch orthopädisches Gutachten" hätte geklärt werden müssen.

Nicht nachvollziehbar ist (insbesondere im Hinblick auf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde) die Behauptung des Beschwerdeführers, es entspreche "nicht der Aktenlage, wenn die belangte Behörde feststellt, daß aus dem Gutachten der Unfallversicherungsanstalt nicht hervorgehe, daß ich ohne Hilfsmittel nicht im Stande sei, mich gehend fortzubewegen. Es ergibt sich nämlich aufgrund sämtlicher Befunde eindeutig, daß ich sowohl einen orthopädischen Schuh als auch eine Gehhilfe benötige".

Gemäß § 29b Abs. 4 StVO 1960 hat die Behörde Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen.

Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß der Gesetzesbegriff der "starken Gehbehinderung" im Sinne dieser Gesetzesstelle darauf abstellt, ob die betreffende Person in einer als Gehen zu qualifizierenden Weise ohne Aufwendung überdurchschnittlicher Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen eine bestimmte Wegstrecke zurücklegen kann; ist sie dazu in der Lage, so wird eine festgestellte Gehbehinderung nicht als schwer im Sinne des Gesetzes anzusehen sein. Die Fähigkeit zum Zurücklegen einer Strecke von mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen schließt eine starke Gehbehinderung im Sinne des Gesetzes aus, wobei der Umstand, daß dies nur mit Hilfsmitteln (wie etwa einem Gehstock oder orthopädischen Schuhen) möglich ist, die Behinderung nicht zu einer schweren macht. In diesem Zusammenhang ist auch klarzustellen, daß für den Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1989, Zl. 88/18/0343, nichts gewonnen ist, weil die dort angeführte Gehbehinderung von einer Oberschenkelamputation herrührte, der Beschwerdeführer jedoch lediglich unter einer Funktionsbeeinträchtigung des Sprunggelenkes leidet (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/02/0134).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei derzeit nicht dauernd stark gehbehindert im Sinne des § 29b Abs. 4 StVO 1960 eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken, wobei im Hinblick auf ein diesbezügliches Vorbringen des Beschwerdeführers darauf hinzuweisen ist, daß bei dieser Beurteilung auf allfällige zu erwartende künftige Verschlechterungen des Gesundheitszustandes nicht Bedacht zu nehmen ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/02/0134).

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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