VwGH 92/01/0941

VwGH92/01/094117.2.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A in V, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Mai 1992, Zl. 4.303.482/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. Jänner 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 18. Mai 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und stellte fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen nach in seinen Rechten auf Asylgewährung und auf ein mängelfreies Verfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, Erhebungen über die allgemeine Lage im Heimatland des Beschwerdeführers einzuholen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 3. Oktober 1990, bei der er auch angegeben hat, keiner politischen Partei angehört zu haben, damit begründet, daß er als Bewohner des Nordens seines Heimatlandes, wo die Militärregierung abgelehnt werde, 1988 auf der Seite der Nationalen Bewegung Somalias insbesondere deshalb gegen die Militärregierung gekämpft habe, weil er im Jahre 1987 grundlos verhaftet und ohne Gerichtsverhandlung für drei Monate im Gefängnis festgehalten worden sei. Er sei im August 1988 deshalb aus seinem Heimatland geflohen, weil er mit der Militärregierung nicht einverstanden gewesen sei und befürchtet habe, im Bürgerkrieg ums Leben zu kommen.

In der gegen die Abweisung seines Asylantrages erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, er habe als Angehöriger des Stammes der Isaaq im Nordwesten seines Heimatlandes gelebt und sei seit 1982 Mitglied des "Somalian National Movement"(SNM), wobei er wegen Unterstützung dieser Bewegung 1987 für drei Monate eingesperrt worden sei. Seit 1988 sei er für die SNM aktiv tätig gewesen und habe, weil die "Regierungstätigkeit" sich immer weiter in den Norden verlagert und er deshalb Angst um sein Leben gehabt habe, im August 1988 sein Heimatland verlassen müssen. Eine gefahrlose Rückkehr in sein Heimatland sei ihm nicht möglich, weil die Kämpfe um die Regierungsmacht in Somalia andauerten, sodaß ihm keine geordnete Regierungsmacht Schutz bieten könne.

Das über die im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben hinausgehende Vorbringen hat die belangte Behörde unter Hinweis auf den in den Ausführungen in der Berufung enthaltenen Widerspruch (Nichtzugehörigkeit zu einer politischen Partei - aktives Mitglied der SNM) und auf Grund der Überlegung, daß der Beschwerdeführer, wäre er tatsächlich politisch tätig gewesen, diesen Umstand bereits anläßlich seiner ersten, unter Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführten Befragung bekannt gegeben hätte, als unglaubwürdig erachtet. Erfahrungsgemäß kämen die von Asylwerbern bei ihrer ersten Einvernahme gemachten Angaben der Wahrheit am nächsten. Da der Beschwerdeführer angegeben habe, nicht vorbestraft zu sein und auch nicht wegen einer strafbaren Handlung gesucht zu werden, wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen, in einem anderen Landesteil Somalias Schutz vor Verfolgung zu finden. Auch sei die allenfalls seinerzeit bestandene Gefährdung durch den Sturz des kommunistischen Präsidenten und auf Grund der Proklamierung der "Republik Somaliland" im nördlichen Teil Somalias weggefallen. Die durch noch immer andauernde Kämpfe verursachten Beeinträchtigungen könnten mangels Individualisierung nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention gewertet werden. Soweit der Beschwerdeführer seine Inhaftierung ins Treffen geführt habe, komme dieser mangels eines unmittelbaren zeitlichen Naheverhältnisses zur Ausreise keine Relevanz für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu.

Der belangten Behörde kann nicht darin beigepflichtet werden, daß die Ausrufung eines neuen Staates in einem Teilbereich des Heimatlandes des Beschwerdeführers einen Umstand darstelle, der eine Verfolgung des Beschwerdeführers als unwahrscheinlich erscheinen ließe. Gerade dies könnte Anlaß bieten, gegen Anhänger der neuen Machthaber mit besonderer Härte vorzugehen.

Der belangten Behörde ist aber insoweit zu folgen, wenn sie die aus dem Andauern des Bürgerkrieges im Heimatland des Beschwerdeführers resultierenden Benachteiligungen, denen dort sämtliche Bewohner ausgesetzt sind, nicht als konkrete, individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlungen eingestuft hat.

Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, schon allein aus seiner Zugehörigkeit zum Stamm der Isaaq ergebe sich seine Verfolgung und das Vorliegen von Fluchtgründen, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit allein - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtssprechung ausgeführt hat (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S 30, angeführte Judikatur) - nicht geeignet ist, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.

Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des in der Berufung enthaltenen Widerspruches zu den vor der Behörde erster Instanz erstatteten Angaben und der damit vorgenommenen Steigerung des Vorbringens die über die erstinstanzlichen Darlegungen hinausgehenden Behauptungen des Beschwerdeführer als nicht glaubwürdig erachtet hat (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S 22 f, angeführte Judikatur). Der Beschwerdeführer hat im Zuge des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens angegeben, im Jahre 1987 für drei Monate inhaftiert gewesen zu sein, ohne aber zu behaupten, daß nach seiner Enthaftung weitere behördliche Aktivitäten gegen ihn gesetzt worden seien. Im Hinblick darauf, daß zwischen dem Zeitpunkt der Freilassung des Beschwerdeführers - seinen Angaben zufolge jedenfalls noch im Jahre 1987 - und dem Zeitpunkt der Ausreise aus seinem Heimatland am 13. August 1988 mehr als ein halbes Jahr verstrichen ist, ohne daß weitere individuell gegen ihn gerichtete behördliche Maßnahmen gesetzt worden wären, hat die belangte Behörde diese Inhaftierung mangels eines entsprechenden zeitlichen Naheverhältnisses zu Recht als nicht geeignet angesehen, das Vorliegen von Verfolgung bzw. von Furcht vor einer solchen im Sinne der Flüchtlingskonvention zu bescheinigen.

Zur Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe zu seinen Angaben keine Nachforschungen angestellt und ihrer Manuduktionspflicht dadurch nicht entsprochen, daß sie ihn nicht über die für die Erlangung des Flüchtlingsstatus erforderlichen Voraussetzungen belehrt habe, ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Der Verwaltungsgerichtshof hat - was die gerügte Unterlassung einer Belehrung anbelangt - schon zu wiederholten Malen ausgeführt, daß es nicht Aufgabe der Berufungsbehörde ist, Asylwerbern im Berufungsverfahren Unterweisungen darüber zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen auszuführen und welche Fluchtgründe sie anzugeben haben, damit ihrem Verlangen auf Anerkennung als Konventionsflüchtling entsprochen werden kann (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S 21 f, angeführte Judikatur).

Der Beschwerdeführer hat nicht bestritten, daß seiner erstinstanzlichen Einvernahme ein Dolmetscher beigezogen wurde, jedoch die Ansicht vertreten, es wäre erforderlich gewesen, das Ausmaß des Verständnisses der von ihm angegebenen Fremdsprache Französisch zu klären, seine in Französisch erstatteten Angaben auch in dieser Sprache zu protolkollieren, den Namen des Dolmetschers festzuhalten und die Unterschriftsleistung durch den Beschwerdeführer in der Weise zu veranlassen, daß dieser in einer ihm verständlichen Sprache erkläre, alles verstanden zu haben und die Richtigkeit der Wiedergabe zu bestätigen. Dem ist der Wortlaut des § 11 Abs. 1 des im Beschwerdefall noch anzuwendenden Asylgesetzes (1968) entgegenzuhalten, demzufolge, wenn ein Asylwerber der deutschen Sprache nicht kundig ist, seiner Vernehmung eine der fremden Sprache mächtige Person zuzuziehen ist. Dieser Gesetzesstelle kann somit nicht entnommen werden, daß die Behörde erster Instanz verpflichtet gewesen wäre, die Vernehmung in der vom Beschwerdeführer als erforderlich erachteten Weise durchzuführen. Im übrigen wäre dieses Vorbringen lediglich geeignet, einen Verfahrensfehler der ersten Instanz, nicht aber eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens aufzuzeigen. Die Aufhebung eines Berufungsbescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften setzt aber eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens voraus (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0399). In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer die nun als mangelhaft erachtete Vorgangsweise der Behörde erster Instanz gar nicht gerügt.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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