VwGH 92/01/0839

VwGH92/01/083920.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der S Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juli 1992, Zl. 13.330/90-II/13/92, betreffend Erteilung einer Ausfuhrbewilligung nach dem Kriegsmaterialgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
KriegsmaterialG 1977 §3 Abs1 Z2;
KriegsmaterialG 1977 §3 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
KriegsmaterialG 1977 §3 Abs1 Z2;
KriegsmaterialG 1977 §3 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 17. Juli 1992 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung zur Ausfuhr von 20 Horizontalschützenminen APM 19 in das Königreich Saudi-Arabien gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540/1977 i.d.F. BGBl. Nr. 358/1982 und 30 a/1991 (KMG), ab.

In der Begründung vertrat die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtslage folgende Auffassung:

Zwar hätten die Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten und Landesverteidigung gegen die Erteilung der Bewilligung keine Bedenken vorgebracht, der Bundeskanzler habe aber mit Schreiben vom 22. Juni 1992 mitgeteilt, daß aus seiner Sicht Bedenken gegen die angestrebte Bewilligung bestünden, weil die Situation in Saudi-Arabien als "gefährliche Spannung" i. S. des § 3 Abs. 1 Z. 2 KMG betrachtet werden müsse. Die belangte Behörde teile diese Auffassung.

Die Beschwerdeführerin, der die eingeholten Stellungnahmen zur Kenntnis gebracht worden seien, habe ihren Antrag aufrecht erhalten und das Vorhandensein gefährlicher Spannungen im Königreich Saudi-Arabien in Abrede gestellt.

Das vom Gesetz geforderte Einvernehmen der belangten Behörde mit dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesminister für Landesverteidigung liege nicht vor. Der Bundeskanzler habe einen Bewilligungsantrag insbesondere unter Bedachtnahme auf die Wahrnehmung der Belange der Menschenrechte und die immerwährende Neutralität zu prüfen.

Zwar sei in der Golfregion die vor der Resolution des Sicherheitsrates 687 (1991) bestandene tatsächliche Waffenruhe durch eine "formelle Feuereinstellung" ersetzt worden, jedoch herrsche dort nach wie vor ein Spannungszustand. Darauf deute schon die Entsendung einer Beobachtermission der Vereinten Nationen hin, die ausdrücklich auf Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen gestützt worden sei. Dieses Kapitel regle "Maßnahmen bei Bedrohungen des Friedens, bei Friedensbrüchen und Angriffshandlungen". Die Resolution 687 (1991) des Sicherheitsrates bekräftige auch die Resolutionen, mit denen Maßnahmen nach dem Kapitel VII gegen den Irak verhängt worden seien. Eine Bewilligung zur Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Saudi-Arabien könne daher erst dann erfolgen, wenn in der Golfregion eine Stabilisierung der Situation eingetreten und damit der weitere Verlauf der politischen Entwicklung klarer abschätzbar sei.

Auch eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Export gegen die öffentlichen Interessen am Nichtexport könne in Anbetracht der erreichten Intensität des an der kuwaitisch-saudiarabischen Grenze massierten Militärpotentials zu keiner für die Beschwerdeführerin günstigeren Beurteilung führen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Bewilligung zur Ausfuhr von 20 Horizontalschützenminen APM 19 gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 KMG verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 KMG wird die Bewilligung nach § 1 vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesminister für Landesverteidigung nach Anhörung des Bundeskanzlers, soweit keine anderen gesetzlichen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen, unter Anwendung von Art. 130 Abs. 2 B-VG erteilt. Hiebei ist nach Z. 2 dieser Gesetzesstelle darauf Bedacht zu nehmen, daß die Aus- oder Durchfuhr nicht in ein Gebiet erfolgen soll, in dem ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonstige gefährliche Spannungen bestehen.

Eine Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle stellt eine Ermessensentscheidung dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bei solchen Entscheidungen - diese sind dadurch gekennzeichnet, daß ihr Inhalt nicht gesetzlich vorausbestimmt ist, mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zugelassen und alle diese möglichen Entscheidungen gesetzmäßig sind - auf die Prüfung zu beschränken, ob der Behörde Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung oder Ermessensmißbrauch) unterlaufen sind und ob das Verfahren, das der Entscheidung vorausgegangen ist, den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1991, Zl. 90/01/0236-0238 und die dort zitierte hg. Judikatur).

Was zunächst die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin anlangt, die behauptet, die belangte Behörde habe sich der Meinung des Bundeskanzlers ohne die erforderliche Begründung angeschlossen, ist darauf hinzuweisen, daß der angefochtene Bescheid - wenn auch knapp so aber doch - mit der für eine nachprüfende Kontrolle erforderlichen Deutlichkeit darlegt, auf welche Fakten er sich im einzelnen stützt, nämlich: Bestehen einer "formellen Feuereinstellung" nach dem sogenannten Golfkrieg auf Grund der Resolution des Sicherheitsrates Nr. 687 (1991); Einsetzen einer Beobachtermission der Vereinten Nationen und Weiterbestehen von Maßnahmen nach dem Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen; Vorhandensein eines massierten Militärpotentials an der kuwaitisch-saudiarabischen Grenze.

Davon, daß die belangte Behörde den vom Bundeskanzler geäußerten Bedenken "ohne nähere Darlegung warum" gefolgt sei, kann sohin keine Rede sein und haftet daher dem angefochtenen Bescheid der gerügte Begründungsmangel nicht an.

Insoweit die Beschwerde versucht, dem angefochtenen Bescheid eine Aktenwidrigkeit im Zusammenhang mit der Frage des Einvernehmens mit den Bundesministern für Auswärtige Angelegenheiten und für Landesverteidigung anzulasten, muß sie ebenfalls scheitern. Abgesehen davon, daß das Einvernehmen der belangten Behörde mit den beiden genannten Bundesministern vom Gesetz nur für den Fall der Erteilung einer Bewilligung gefordert wird, nicht jedoch für den hier vorliegenden einer Versagung, liegt im gegebenen Fall mit Rücksicht auf die Divergenz zwischen den Meinungen der genannten beiden Bundesminister einerseits und der Auffassung der belangten Behörde andererseits in der Tat kein Einvernehmen vor, sodaß die diesbezügliche Ausführung im angefochtenen Bescheid zutreffend ist.

Der Bescheid erweist sich daher als frei von den gerügten Verfahrensfehlern.

In der Rechtsrüge stellt sich die Beschwerdeführerin, wie schon im Verwaltungsverfahren, auf den Standpunkt, Saudi-Arabien gehöre nicht zu den Gebieten, in denen "sonstige gefährliche Spannungen" bestünden. Die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde, die sich auf den - auch von der Beschwerdeführerin nicht bestrittenen - Umstand stützt, daß nach dem sogenannten Golfkrieg in der betreffenden Region (zu der auch Saudi-Arabien gehört) bisher nur eine Feuereinstellung erreicht wurde und daß weiterhin Maßnahmen gemäß dem Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen aufrecht sind, kann mit Rücksicht darauf, daß das zitierte Kapitel VII ausdrücklich "Maßnahmen bei Bedrohungen des Friedens, bei Friedensbrüchen und Angriffshandlungen" vorsieht, weder als Ermessensüberschreitung noch als Ermessenmißbrauch angesehen werden. Ist nämlich eine Situation gegeben, die eine Maßnahme nach dem zitierten Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen nach sich zieht, so ist es durchaus zutreffend, jedenfalls vom Bestehen einer "sonst gefährlichen Spannung" zu sprechen. Darauf, daß - wie die Beschwerdeführerin vermeint - das Bestehen einer sonstigen gefährlichen Spannung in dem Gebiet, wohin Kriegsmaterial ausgeführt werden soll, für den Normunterworfenen vorhersehbar sein müsse, kommt es nicht an. Auf das Bestehen der vom Gesetz angesprochenen "sonstigen gefährlichen Spannungen" hat die Bewilligungsbehörde nämlich ohne Rücksicht darauf Bedacht zu nehmen, ob dieser Umstand für den Bewilligungswerber vorhersehbar war oder nicht.

Verfehlt ist schließlich die Argumentation der Beschwerdeführerin, gefährlich seien Spannungen nur dann, wenn die Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung unmittelbar drohe. Dies ergibt sich schon daraus, daß das zitierte Gesetz in seinem § 3 Abs. 1 Z. 2 den Fall des Bestehens "sonstiger gefährlicher Spannungen" als gleichwertige Versagungsalternative neben den Fällen eines bereits herrschenden bewaffneten Konflikts bzw. einer Situation nennt, in der ein solcher auszubrechen droht.

Auch das Argument der Beschwerdeführerin, die Tatsache der Entsendung einer Beobachtermission der Vereinten Nationen schließe das Bestehen einer gefährlichen Spannung aus, muß versagen, weil - wie insbesondere auch die Erfahrungen der letzten Zeit zeigen - solche auf das Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen gegründete Missionen gerade in Gebiete gefährlicher Spannungen oder bereits ausgebrochener Konflikte entsandt werden.

Der Umstand, daß weder der Bundesminister für Landesverteidigung noch der Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten, aber auch (nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin) weder der österreichische Botschafter in Saudi-Arabien noch der dortige Handelsdelegierte Saudi-Arabien als Gebiet einer gefährlichen Spannung qualifizierten, kann nichts daran ändern, daß die keineswegs unmaßgebliche Meinung des Bundeskanzlers sehr wohl von einer solchen Situation ausging und daß die belangte Behörde auf Grund der oben dargestellten, konkreten Umstände frei von Ermessensfehlern auch diese Auffassung einnehmen konnte.

Da schließlich auch der von der Beschwerdeführerin (im Zusammenhnag mit dem Argument, wenn man nach Saudi-Arabien kein Kriegsmaterial exportieren dürfte, wäre es auch unzulässig nach Österreich Kriegsmaterial zu importieren, weil auch in Österreichs Nachbarstaaten gefährliche Spannungen bestünden) gezogene Vergleich der Situation Saudi-Arabiens nach dem Golfkrieg mit der Österreichs unzutreffend ist (einerseits betrifft § 3 Abs. 1 Z. 2 KMG nur die Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, keinesfalls aber die Einfuhr nach Österreich und andererseits war Saudi-Arabien - was allgemein bekannt ist - unter anderem immerhin Aufmarschgebiet für die Befreiung Kuwaits und wiederholt Ziel irakischer Raketenangriffe) kommt dem darauf gestützten Argument der Beschwerdeführerin, das Kriegsmaterialgesetz sei bei der von der belangten Behörde vorgenommenen Auslegung nicht vollziehbar, kein Gewicht zu. Auch Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der hier anzuwendenden Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes sind daher beim Verwaltungsgerichtshof im Lichte des Beschwerdefalles nicht entstanden, weil es sich beim Begriff "sonstige gefährliche Spannungen" i.S. des § 3 Abs. 1 Z. 2 KMG um einen unbestimmten Gesetzesbegriff handelt, dessen Verwendung nicht verfassungswidrig ist (vgl. z.B. VfSlg. 4139).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich (im Rahmen des ziffernmäßig erhobenen Begehrens) auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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