Normen
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnF;
VwRallg;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnF;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein ghanesischer Staatsbürger, reiste am 22. Oktober 1990 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 23. Oktober 1990 einen Asylantrag. Am 27. Oktober 1990 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich befragt, gab er an, daß er seit 1987 für P.D.C.
(People Defence Commitie) gearbeitet habe und in der Nähe der Grenze Ghana-Elfenbeinküste eingesetzt gewesen sei. Im Zuge dieser Tätigkeit habe er auch mit der Cosmos - einer Grenzschutzpolizei - zusammengearbeitet. Die P.D.C. zahle für ihre Arbeiter nicht ordnungsgemäß Steuern. Am 1.Mai 1990 hätte er seinem Vater in einer Bar geholfen und mit einem Mann gesprochen, der den Vater des Beschwerdeführers bzw. ihn um Hilfe gebeten habe. Dieser Mann habe, um ungestört zu sein, mit dem Beschwerdeführer spazierengehen wollen und hiebei versucht, den Beschwerdeführer zu überzeugen, daß die jetzige Regierung nichts Gutes für das Volk mache. Daraufhin habe der Beschwerdeführer geantwortet, wegen seiner Mitgliedschaft bei der die P.D.C. ein solches Gespräch nicht führen zu wollen. Dieser Mann habe aber weiter versucht, mit ihm zu sprechen, und ihn darüber aufgeklärt, daß "die großen Offiziere Ku-Kus" nach Elfenbeinküste schmuggeln würden, die Wirtschaftslage sich in Ghana verschlechtere und die Leute arm und ärmer würden. Am 10. Mai 1990 und am 15. Mai 1990 habe er diesen Mann erneut getroffen. Der Beschwerdeführer (weil er für die P.D.C. arbeite), sollte für ihn Waffen von Elfenbeinküste nach Ghana schmuggeln und nach Accra bringen. Er hätte diesen Leuten daraufhin beim Schmuggel von Waffen (aller Art), die sich in einem großen Sack befunden hätten, geholfen. Dabei sei er mit anderen festgenommen, die Waffen seien vom Grenzschutz sichergestellt und er sei in S in Haft genommen worden. Ein Freund habe ihm mitgeteilt, daß ihnen Erschießung oder lebenslange Haft drohe, wenn sie nach Accra geschickt würden; es wäre besser, von hier aus zu flüchten. Dieser Freund (N) habe an dem Ort, an dem der Beschwerdeführer festgehalten worden sei, jemanden gekannt, der dem Beschwerdeführer geholfen habe, über die Grenze nach Elfenbeinküste zu entkommen. Von hier aus sei er über Libyen nach Budapest geflogen und im Zug versteckt nach Österreich gefahren.
Mit Bescheid vom 21. Jänner 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht erfülle und daß er nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer mangelhafte Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Er habe Ghana sehr wohl aus politischen Gründen verlassen und dies auch bei seiner niederschriftlichen Befragung am 27. Oktober 1990 angegeben. Ergänzend zur Wiederholung seines ersten Vorbringens führte er aus, daß er freiwillig für das Wohl des Landes bei der P.D.C. gearbeitet hätte. Erst im Mai 1990 sei er von einem Oppositionellen darüber aufgeklärt worden, daß selbst Mitglieder der P.D.C. versuchen würden, aus ihrer Tätigkeit wirtschaftliche Erfolge zu erzielen und das ganze Regime in Ghana eine schlechte Regierung sei, weshalb er geholfen habe, Waffen zu schmuggeln. Er sei dann - unter Mithilfe seines Freundes N und durch Bestechung der Wachen - geflohen. In Accra wäre er sonst vor ein Sondergericht gestellt worden und als politisch Andersdenkender hätte er nicht mit einem fairen Verfahren, sondern mit seiner Hinrichtung rechnen können; er habe Angst vor Verfolgung aus politischen Gründen.
Mit Bescheid vom 9. April 1992 wies die belangte Behörde die Berufung ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe keinen Anhaltspunkt für eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Behörden seines Heimatlandes im Sinne der Konvention ergeben. Die Angaben des Beschwerdeführers würden sich darauf beschränken, wie er sich als systemkonformer Staatsbürger zu einer kriminellen Handlung (dem Waffenschmuggel) zum Zwecke der - vorgeblich beabsichtigten - Durchführung eines Staatstreiches (was auch in Österreich verboten wäre) habe überreden lassen. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben (unter Punkt 7 der ersten niederschriftlichen Befragung habe er angegeben, in seinem Heimatland keine strafbaren Handlungen begangen zu haben) könnte dem Vorbringen des Asylwerbers die volle Glaubwürdigkeit nicht zugesprochen werden. Dem Versuch, der strafbaren Handlung des Waffenschmuggels einen politischen Hintergrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu geben, habe die belangte Behörde mangels Schlüssigkeit nicht zu folgen vermocht. Auch wenn dieser Verstoß des Beschwerdeführers gegen die ghanesische Rechtsordnung unter dem Eindruck, daß korrupte Beamte aus ihrer Stellung wirtschaftliche Erfolge zu erzielen versuchten und der ganze Staat schlecht wäre, erfolgt sei, lasse sich daraus nicht ableiten, daß er aufgrund seiner politischen Einstellung verfolgt gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den Angaben des Beschwerdeführers zunächst deshalb mangelnde Glaubwürdigkeit beigemessen, weil er bei seiner niederschriftlichen Befragung am 27. Oktober 1990 zu Punkt 7. der darüber aufgenommenen Niederschrift angegeben habe, in seinem Heimatland weder gesucht zu werden noch dort eine strafbare Handlung begangen zu haben, während der Darstellung seiner Fluchtgründe in Punkt 17. zu entnehmen sei, daß er Waffenschmuggel zum Zweck der Durchführung eines Staatsstreiches begangen habe. Demgegenüber kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer die zu Punkt 7. an ihn gerichteten Fragen im vorliegenden Zusammenhang, in dem es ausschließlich um die Begehung strafbarer Handlungen ging, so verstehen mußte, daß darunter auch gegen ihn gerichtete Maßnahmen im Zusammenhang mit den von ihm in Punkt 17. der Niederschrift geschilderten Fluchtgründen zu verstehen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0410). Daraus folgt, daß die belangte Behörde aus diesem Sachverhalt kein Argument gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gewinnen durfte.
Weiters hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten, gegen ihn gerichteten behördlichen Aktivitäten könnten deshalb nicht als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskovention angesehen werden, weil es sich hiebei lediglich um Maßnahmen im Rahmen der behördlichen Ermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat gehandelt habe. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgeführt hat, schließen gegen einen Asylwerber gerichtete behördliche Ermittlungs- bzw. Verfolgungsmaßnahmen wegen eines ihm vorgeworfenen strafrechtlichen Deliktes seine Anerkennung als Flüchtling nicht aus, weil daraus nicht der Schluß gezogen werden kann, daß die gegen den Asylwerber eingeleiteten und von ihm allenfalls zu erwartenden Sanktionen über ihre strafrechtliche Grundlage hinaus nicht auch auf solchen Umständen beruhen, die als Konventionsgründe zu werten sind (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/0986, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Weder dem angefochtenen Bescheid noch den Verwaltungsakten kann entnommen werden, auf welche Aussagen des Beschwerdeführers bzw. auf welche Sachverhaltselemente die belangte Behörde ihre Annahme gründet, der Beschwerdeführer habe den von ihm behaupteten Waffenschmuggel ausschließlich deshalb durchgeführt, um daraus einen wirtschaftlichen Vorteil für sich selbst zu ziehen. Auch ist die Argumentation, dem Beschwerdeführer könne deshalb kein Glauben geschenkt werden, weil er einerseits angegeben habe, Mitglied der (regierungsnahen) P.D.C. zu sein, und andererseits behaupte, politisch Andersdenkenden bzw. oppositionellen Kräften anzugehören, nicht schlüssig. So hat der Beschwerdeführer ausdrücklich angeführt, erst nachdem ihm von einem Gesprächspartner die wirtschaftsschädigende Vorgangsweise "der großen Offiziere" und die schlechte Wirtschaftslage vor Augen geführt worden sei, bereit gewesen zu sein, den von ihm verlangten Waffentransport durchzuführen. Darüber, daß ein derartiger Sinneswandel beim Beschwerdeführer als Anhänger der regierungsnahen Partei nicht denkbar sei, hat die belangte Behörde aber keine durch Sachverhaltselemente untermauerten Feststellungen getroffen.
Da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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