VwGH 92/01/0718

VwGH92/01/071830.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. März 1992, Zl. 4.300.119/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
Behörden-ÜG §15 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
Behörden-ÜG §15 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 17. März 1992 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Jänner 1991 ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die belangte Behörde führte hiezu begründend aus:

Der Beschwerdeführer, ein äthiopischer Staatsangehöriger, sei am 10. August 1990 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 16. August 1990 einen Asylantrag gestellt. Bei der Befragung durch die Behörde erster Instanz am 16. August 1990 (richtig: 7. November 1990) habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe in seiner Heimat für den 13. Oktober 1989 einen Einberufungsbefehl zum Militär erhalten, sich jedoch geweigert, diesem Folge zu leisten, da er vermutet habe, gegen seine eigenen Verwandten kämpfen zu müssen, die in einer Provinz lebten, in der Krieg herrsche. Er habe sich daher in einem anderen Bezirk versteckt gehalten. Seine Mutter sei, als sie einer Vorladung zur Bezirksbehörde nachgekommen sei, verhaftet und für 3 Tage inhaftiert worden. Man habe seiner Mutter mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer, sollte er dem Stellungsbefehl nicht nachkommen, mit dem Tode zu rechnen habe. Er habe in seiner Heimat auch keine Möglichkeit gehabt, Zivildienst zu leisten. Der Beschwerdeführer habe keinen Ausweg mehr gesehen und sei deswegen nach Österreich gekommen. Durch Bestechung habe er sich bei den zuständigen Behörden ein Ausreisevisum verschafft; bei der Ausreise habe ihm ein Freund, der Pilot sei, geholfen.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, hinreichend dargetan zu haben, daß seine Weigerung, den Wehrdienst zu leisten, ethnisch bzw. politisch motiviert sei. Die Verfolgung durch die äthiopischen Behörden sei daher aus ethnischen oder politischen Gründen erfolgt. Eine der grundlegenden Taktiken der äthiopischen Regierung zur Unterdrückung des beinahe im gesamten Staatsgebiet vorhandenen Widerstandes gegen das Regime bestehe darin, Angehörige von anderen Völkern als den Amharen unter Zwang zum militärischen Einsatz gegen das eigene Volk und in die angestammten Heimatgebiete zu schicken. Außerdem habe der Beschwerdeführer die Beiziehung eines "Sachverständigen für Äthiopien" und, sollte dies erforderlich sein, seine eigene ergänzende Einvernahme beantragt.

Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß weder die Weigerung des Beschwerdeführers, in seiner Heimat den Wehrdienst abzuleisten noch die Furcht vor einer wegen Wehrdienstverweigerung drohenden, auch strengen Bestrafung zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft führen könne. Seinem Vorbringen müsse die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Es erscheine der Berufungsbehörde zweifelhaft bzw. nicht glaubwürdig, daß die äthiopischen Behörden die Mutter des Beschwerdeführers grundlos inhaftiert hätten, seien doch die Behörden an dem Beschwerdeführer selbst interessiert gewesen. So widerspräche es "der allgemeinen Lebenserfahrung, daß Sicherheitskräfte durch Verhaftung von Familienmitgliedern, die Gesuchten geradezu ermuntern würden, in den Untergrund zu gehen." Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe sein Ausreisevisum durch Bestechung erhalten, erscheine als Schutzbehauptung. Der Umstand, daß seitens der Behörden offensichtlich keine Bedenken bestanden hätten, dem Beschwerdeführer einen Paß auszufolgen, spräche gegen die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 22. Juni 1992, B 547/92, unter Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Dem Beschwerdeführer ist, was die geltend gemachten Verfahrensmängel anbelangt, insofern beizupflichten, als die belangte Behörde nicht ohne weiteres hätte feststellen dürfen, es könne zweifelhaft sein, daß die Mutter des Beschwerdeführers verhaftet worden sei. Diese Vermutung ist ebenso unbegründet, wie die von der belangten Behörde angenommene "allgemeine Lebenserfahrung, wonach durch die Verhaftung von Familienmitgliedern die Gesuchten geradezu ermuntert würden, in den Untergrund zu gehen". Gleichermaßen ist der Vorwurf der Aktenwidrigkeit bezüglich der Feststellung, die Mutter des Beschwerdeführers wäre grundlos inhaftiert worden, berechtigt. Auch der Umstand, daß ein Asylwerber einen gültigen Reisepaß besitzt, spricht für sich allein nicht gegen das Vorliegen von Fluchtgründen; dies umso weniger, als der Beschwerdeführer behauptet hat, sein Ausreisevisum nur durch Bestechung erhalten zu haben (Erkenntnis vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264, und vom 11. Oktober 1989, Zl. 89/01/0161). Auch findet die Feststellung der belangten Behörde, es handle sich bei letzterem Vorbringen um eine Schutzbehauptung des Beschwerdeführers, in der Aktenlage keine Deckung.

All diese aufgezeigten Verfahrensmängel erweisen sich aber als nicht wesentlich und führen somit nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil die belangte Behörde auch bei Unterlassung dieser Mängel nicht zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können. So ist der belangten Behörde beizupflichten, daß die vom Beschwerdeführer auf Grund eines Einberufungsbefehls befürchtete, erzwungene Teilnahme an einem Bürgerkrieg nicht als gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung aus einem der in der Konvention taxativ aufgezählten Gründe gewertet werden kann.

Soweit der Beschwerdeführer als Grund für seine Furcht vor Verfolgung die ihm im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland drohende Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, daß nach ständiger hg. Rechtsprechung die Furcht vor einer wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion drohende allenfalls auch strengen Bestrafung - auch wenn im Heimatland des Asylwerbers ein Wehrersatzdienst nicht besteht - nicht die Anerkennung als Flüchtling rechtfertigt (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S 32, angeführte Judikatur).

In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer behauptet, aus politischen und ethnischen Gründen den Wehrdienst verweigert zu haben. Damit hat er aber keinen Sachverhalt vorgebracht, der die Annahme, die von ihm befürchtete staatliche Verfolgung wegen seiner Wehrdienstverweigerung beruhe auf in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen, rechtfertigen würde. Maßgebend für das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der angeführten Konvention ist im vorliegenden Zusammenhang die Frage, ob eine auf Grund der Wehrdienstverweigerung drohende Bestrafung über die wegen der in dieser Verweigerung gelegenen Verletzung staatsbürgerlicher Pflichten verhängte Sanktion hinaus sich als gegen die Person des Beschwerdeführers wegen seiner politischen Gesinnung bzw. seiner Nationalität gerichtete Maßnahme darstellt. Der Beschwerdeführer hat aber keine Umstände ins Treffen geführt, aus denen sich ableiten ließe, die von ihm befürchtete Bestrafung würde ihm aus in der Flüchtlingskonvention angeführten Gründen drohen, zumal er nicht behauptet hat, seine politischen und ethnischen Motive für die Wehrdienstverweigerung nach außen hin erkennbar zum Ausdruck gebracht zu haben.

Was seine Furcht betreffend den "Einsatz an den gefährlichsten Fronten" und "das Verheizen als Kanonenfutter" anbelangt, ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß er - abgesehen davon, daß es sich bei diesen erstmals in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen des Neuerungsverbotes (§ 41 VwGG) unbeachtliche Angaben handelt - im Verwaltungsverfahren nicht einmal eine Andeutung darüber gemacht hat, er habe auf Grund von Konventionsgründen (insbesondere dem der Nationalität) derartige Benachteiligungen gegenüber den anderen Wehrpflichtigen zu befürchten, zumal er nicht einmal in der Beschwerde angibt, welcher Volksgruppe er überhaupt angehört.

Damit ist auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte einen "Sachverständigen für Äthiopien" beiziehen bzw. den Beschwerdeführer selbst noch einmal vernehmen müssen, nicht berechtigt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof ist im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen und obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlassung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung zur Durchführung weiterer, in der Berufung beantragter Ermittlungen, weil der Beschwerdeführer einerseits ohnedies Gelegenheit hatte, in der Berufung alles ihm wesentlich Erscheinende vorzubringen, sodaß nicht ersichtlich ist, zu welchen weiteren Erkenntnissen die belangte Behörde durch eine ergänzende Einvernahme der Beschwerdeführer hätte gelangen können. Andererseits hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, daß der von ihm benannte "Sachverständige für Äthiopien" Angaben über die - allein maßgebliche - persönliche Situation des Beschwerdeführers hätte machen können.

Was die Behauptung des Beschwerdeführers anbelangt, der Bescheid erster Instanz sei von einem nicht approbationsbefugten Organ, nämlich einem Vertreter der Bundespolizeidirektion Wien, somit einer anderen Behörde, unterfertigt worden, ist darauf zu verweisen, daß zur Genehmigung einer Erledigung derjenige berufen ist, der nach den Organisationsvorschriften den behördlichen Willen zu bilden hat. Im monokratischen System ist dies der Behördenleiter oder das von ihm ermächtigte Organ (Erkenntnis vom 4. April 1990, Zl. 89/01/0119). Im Bereich der Stadt Wien ist gemäß § 15 Abs. 3 BehÜG die Bundespolizeidirektion auch Sicherheitsdirektion, der Polizeipräsident gleichzeitig auch Sicherheitsdirektor. Der den erstinstanzlichen Bescheid unterfertigende Organwalter ist nach den Angaben des Beschwerdeführers selbst Angehöriger der - wie dargelegt - auch als Sicherheitsdirektion fungierenden Bundespolizeidirektion Wien. Daraus folgt, daß dieser Organwalter nicht - wie der Beschwerdeführer meint - als Organ einer anderen, für die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides unzuständigen Behörde anzusehen ist. Daran vermag auch die ins Treffen geführte dienstliche Verwendung des Organwalters im Fremdenpolizeilichen Büro nichts zu ändern, weil die von diesem Organ in Anspruch genommene Approbationsbefugnis nach der dargestellten Rechtslage als vom Leiter der für die Behandlung der Angelegenheit zuständigen Behörde (Polizeipräsident ist gleichzeitig Sicherheitsdirektor) erteilt anzusehen ist. Durch die Argumente des Beschwerdeführers konnte aber das Vorliegen einer Approbationsbefugnis, die beim gegebenen Sachverhalt für die Frage des Vorliegens eines Bescheides nicht relevant ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1953, Slg. NF Nr. 3050, vom 27. Mai 1988, Slg. NF Nr. 12.734/A, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1987, G 110, 111/87), nicht in Zweifel gezogen werden. Auch weist der erstinstanzliche Bescheid - anders als in dem mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/01/0744, entschiedenen Beschwerdefall - in leserlicher Schrift die Beifügung des Namens desjenigen auf, der die Erledigung unterfertigt hat.

Da sich die Beschwerde demnach als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte