VwGH 92/01/0706

VwGH92/01/07065.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Mai 1992, Zl. 4.317.304/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 15. April 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 24. April 1991 (bereits anwaltlich vertreten) einen schriftlichen Asylantrag.

Darin behauptete er, auf Grund seiner kurdischen Abstammung in der Türkei in allen Lebensbereichen politisch verfolgt und benachteiligt worden zu sein. Er sei Anhänger der PKK und habe Flugblätter und Propagandamaterial verteilt. Er habe auf diese Art gegen das türkische Regime Widerstand geleistet. Er sei in "K. Maras" verhaftet worden, drei Monate in Haft gewesen und während dieser Zeit auch gefoltert worden. Seine Inhaftierung sei auf Grund seiner politischen Aktivitäten erfolgt. Nach seiner Entlassung sei er weiter für die PKK tätig gewesen und deshalb weiter verfolgt worden, weshalb er sich zur Flucht entschlossen habe.

Bei seiner am 25. Juni 1991 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung änderte der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt:

Er sei im Jahr 1977 vom Gericht in G wegen illegalen Waffenbesitzes zu 45 Tagen Haft verurteilt worden, weiters im Jahr 1990 wegen Unterstützung von in der Türkei verbotenen Parteien (TKP/ML und PKK) zu 30 Tagen Haft.

Er sei bis kurz vor seiner Flucht immer wieder vom Militär gesucht, befragt und dabei geschlagen worden. Er sei immer wieder über Mitglieder der PKK bzw. der TKP/ML befragt worden, habe darüber jedoch nie Auskunft geben können. Während seiner Haftzeit sei er jedoch nicht geschlagen worden. Da er kein Ende der gegenwärtigen Situation der Kurden in der Türkei absehen könne, habe er sich schließlich zur Flucht aus der Türkei entschlossen.

Mit Bescheid vom 29. August 1991 sprach die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich aus, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling i.S. des Asylgesetzes und auch nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.

Dagegen berief der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung, es handle sich beim erstinstanzlichen Bescheid um ein vorgedrucktes Formular, das weder eine Begründung noch Tatsachenfeststellungen enthalte. Auf Grund der unwiderlegten Angaben des Beschwerdeführers sei von der Berechtigung seines Asylantrages auszugehen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach ebenfalls aus, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes.

In ihrer Begründung sprach die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit ab, weil Fluchtgründe nicht als glaubwürdig angesehen werden könnten, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Asylverfahrens unterschiedlich oder gar widersprüchlich darstelle. So finde die Behauptung im schriftlichen Asylantrag, der Beschwerdeführer sei während der Verbüßung seiner Haftstrafe gefoltert worden, keinerlei Deckung in den Angaben seiner niederschriftlichen Einvernahme, wonach er während seiner Haftzeit nicht geschlagen worden sei. Überdies divergierten die vom Beschwerdeführer angegebenen Haftzeiten. Es sei ihm weder möglich gewesen, den Zeitpunkt der Haft noch deren Dauer noch die Art der von ihm behaupteten Mißhandlungen näher zu determinieren. Sein Vorbringen bezüglich der erlittenen Folterungen erscheine daher unglaubwürdig.

Rechtlich führte die belangte Behörde wörtlich folgendes aus:

"Von den in Ihrem Fall in Frage kommenden Konventionsgründen sprachen Sie in Ihrem schriftlichen Asylantrag den der Zugehörigkeit zu einer bestimmten VOLKSGRUPPE, nämlich der kurdischen, an und behaupteten, allein aufgrund dieser benachteiligt und verfolgt zu werden. Nun haben Sie aber bei Ihrer Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich keinerlei Verfolgungshandlungen genannt, die allein aufgrund Ihrer Abstammung gegen Sie gesetzt worden wären. Dies und die notorische Tatsache, daß in der Türkei kein Kurde allein wegen seiner Abstammung verfolgt wird - es gibt ja dort sogar kurdische Regierungsmitglieder - führten die erkennende Behörde zur Feststellung, daß Sie allein aufgrund Ihrer ethnischen Herkunft keine Verfolgung in Ihrem Heimatstaat zu gewärtigen haben.

Weiters war zu prüfen, ob aufgrund Ihrer Behauptungen bei Ihnen das Vorliegen wohlbegründeter Furcht wegen Ihrer POLITISCHEN GESINNUNG Verfolgung erleiden zu müssen angenommen werden kann. Auch dies war zu verneinen: Gemäß Ihrem eigenen Vorbringen haben Sie die Organisation "PKK", eine notorisch mit Mord und Brandschatzung vorgehende Gruppierung durch das Verteilen von Flugblättern und Propagandamaterial unterstützt.

Terrorismus und sonstiges "politisches" Bandenunwesen werden nun aber in allen westlichen Demokratien aufs Schärfste mit den Mitteln des Strafrechts bekämpft, als eine der gefährlichsten Varianten des gemeinen Verbrechens. Und zwar richtet sich diese Bekämpfung nicht nur gegen die Deliktbegehungsform der unmittelbaren Täterschaft, sondern auch gegen diese flankierende Handlungen wie Propaganda und Begünstigung (welcher Sie sich Ihren eigenen Angaben zufolge schuldig machten). Selbst bloßes Sympathisieren und öffentliches Verharmlosen des Terrorismus stehen in vielen westlichen Demokratien unter Strafe. Verwiesen sei hier nur auf den § 129a des bundesdeutschen Strafgesetzbuches.

Zusammenfassend muß daher gesagt werden, daß die von Ihnen befürchtete Verfolgung nicht aus einem der Konventionsgründe erfolgen würde, sondern sich von den staatlichen Motiven her im Rahmen eines legitimen hoheitlichen Strafanspruches bewegt. Daß möglicherweise ein Zurückbleiben der türkischen Inquisitions- und PönalisierungsPRAXIS hinter rechtsstaatlich-liberale Standards zu konstatieren sein mag, vermag auf der Ebene der VerfolgungsMOTIVE nichts am Dargelegten zu ändern. Auch Schärfen bei der Aufklärung und Bestrafung gemeiner Verbrechen halten sich im Rahmen der Verbrecherbekämpfung und können als solche nicht den Mangel des Vorliegens eines Konventionsgrundes substituieren."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zentraler Aspekt des vorliegenden Falles ist der Umstand, daß die belangte Behörde angesichts der Divergenzen zwischen den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages mit durchaus schlüssigen Argumenten, gegen die in der Beschwerde nichts vorgebracht wird dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit versagt hat. Angesichts dieses Umstandes war aber die Sache bereits abweisungsreif und erübrigt sich daher ein weiteres Eingehen auf die rechtlichen Ausführungen der belangten Behörde (die der Verwaltungsgerichtshof mit Rücksicht auf die hg. Erkenntnisse vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264 und Zl. 92/01/0703 vom heutigen Tag arg. a maiori ad minus nicht zu teilen vermag) ebenso wie auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Rechtsrüge der Beschwerde.

Da dem angefochtenen Bescheid ausgehend davon, daß die belangte Behörde schlüssig begründet hat, warum sie dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Bescheinigungskraft beimißt, auch die im Rahmen der Verfahrensrüge behaupteten Feststellungsmängel nicht anhaften, erweist sich der angefochtene Bescheid insgesamt als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten und war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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