VwGH 92/01/0460

VwGH92/01/046014.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Februar 1992, Zl. 4.301.552/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Februar 1991 ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die belangte Behörde ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, sei am 28. August 1990 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Am 29. August 1990 habe er einen Asylantrag gestellt. Bei seiner niederschriftlichen Befragung am 5. September 1990 habe er folgendes angegeben: Er habe nie einer politischen Partei angehört, noch habe er sich politisch betätigt. In den Jahren 1989 und 1990 habe er ein Kunststudium beabsichtigt; da jedoch die Studienrichtung durch Los entschieden worden sei, habe er das Gewünschte nicht studieren können. Anfang 1990 habe er an einer Ausstellung teilgenommen, woraufhin seine Bilder beschlagnahmt und er selbst von der Universität verwiesen worden sei. Um künstlerisch tätig zu sein, habe er sich zum Verlassen des Landes entschlossen. Sein Reisepaß sei im April 1989 vom Paßamt in Teheran ausgestellt worden. In seiner Berufung gegen den Bescheid erster Instanz habe er weiters ausgeführt, er habe 1985 die Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie bestanden, die ideologische Abteilung habe jedoch festgestellt, daß er sich nicht entsprechend den islamischen Vorschriften kleide und verhalte. Während seines Militärdienstes sei er infolge eines irakischen Bombardements schwer verletzt, jedoch nicht ausreichend medizinisch versorgt worden. Nachdem er einen Volksmudjaheddin kennengelernt habe, sei er 20 Monate lang "beschattet" worden. Er habe die Aufnahmeprüfung der Universität A bestanden, sei aber während seines dreimonatigen Studiums von den Hizbollahs schikaniert und schließlich von der Universität ausgeschlossen worden. Er habe Arbeit als Assistenzgraphiker im iranischen Fernsehen gefunden, sei jedoch nach Bekanntwerden seines Universitätsausschlusses entlassen worden.

Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers seien keinerlei Anhaltspunkte für eine unmittelbare staatliche Verfolgung ersichtlich, er habe vielmehr angegeben, keine politischen Gründe gehabt zu haben und wegen Verstoßes gegen die islamischen Vorschriften keine Aufnahme an der Kunstakademie gefunden zu haben. Bei der Einhaltung der islamischen Bekleidungsvorschriften handle es sich allerdings um eine Maßnahme, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral diene. Ein durchsetzbares Recht auf Arbeit sei auch in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehen, Beeinträchtigungen der beruflichen Betätigung könnten nur dann asylbegründend wirken, wenn die wirtschaftliche Existenz bedroht und jenes Existenzminimum nicht mehr gewährleistet sei, das ein menschenwürdiges Dasein ausmache. Es sei aufgrund der allgemein bekannten Lage im Iran unglaubwürdig, daß der Beschwerdeführer im Falle einer staatlichen Verfolgung einen Reisepaß ausgestellt bekommen habe und unbehelligt das Land habe verlassen können. Auch würden laut Lagebericht des Auswärtigen Amtes bloße Unmutsäußerungen über die wirtschaftliche Lage und die Herrschaft der "Mullahs" keine Verfolgungsmaßnahmen seitens des iranischen Staates auslösen. Ein idealstaatliches Recht auf Bildung sei dann sicherlich nicht über alle Maßen verkürzt, wenn eine bestimmte Studienrichtung verwehrt worden wäre. Da Asylwerber erfahrungsgemäß anläßlich ihrer Erstbefragung die Angaben machten, die der Wahrheit am nächsten kommen, würde dem überschießenden Berufungsvorbringen nicht die volle Glaubwürdigkeit zuteil werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer macht zunächst die Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz geltend, indem er ausführt, er sei über seine Beziehung zu den Mujaheddins nicht näher befragt worden. Der einvernehmende Beamte hätte bei einiger Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl bemerken müssen, daß der Beschwerdeführer psychisch schwer belastet gewesen sei und mit ein wenig Hilfestellung sicherlich über die nun in der Beschwerde in Form von Neuerungen vorgebrachten Ereignisse erzählt hätte. Abgesehen davon, daß damit lediglich ein Verfahrensfehler der ersten Instanz, aber keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte, behauptet wird, kann aufgrund der schlüssigen Darlegung der Situation des Beschwerdeführers und der präzisen Beantwortung der an ihn gestellten Fragen anläßlich der Ersteinvernahme der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, sie sei zu Unrecht von einer ordnungsgemäßen Vernehmung des Beschwerdeführers ausgegangen. Darüber hinaus wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, zumindest im Berufungsverfahren alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Soweit er dies nun in der Beschwerde tut, unterliegt der Beschwerdeführer dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß die Konfiszierung der Bilder des Beschwerdeführers, der Ausschluß von der Universität sowie der Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen erfolgte. Es muß dem Beschwerdeführer jedoch entgegengehalten werden, daß keine dieser Maßnahmen, auch wenn sie aus politischen Gründen erfolgen, geeignet ist, als Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention qualifiziert zu werden. So stellt es keine konkrete Verfolgungshandlung dar, wenn das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung, wozu auch die Ausstellung regimekritischer Bilder zählt, im Heimatland des Antragstellers nicht gewährleistet ist (vgl. Erkenntnis vom 2. März 1988, Zl. 87/01/0284).

Es trifft zu, daß die belangte Behörde auf den Ausschluß aus der Universität in A nach der Ausstellung der Bilder nicht gesondert eingegangen ist, doch ist auch dieser Mangel nicht wesentlich, zumal es sich bei der Nichtzulassung zum Studium aus weltanschaulichen oder politischen Gründen um ein Unbill handelt, das in totalitären Staaten von der Mehrzahl der Staatsangehörigen in gleicher Weise hingenommen werden muß (vgl. Erkenntnis vom 9. November 1988, Zl. 88/01/0207, 0208, Erkenntnis vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0348). Die belangte Behörde hätte daher auch bei Eingehen auf den Universitätsausschluß zu keinem anderen Bescheid kommen können. Bezüglich der Einhaltung der islamischen Bekleidungsvorschriften kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie dazu festgestellt hat, daß derartige allgemeine Beschränkungen des Lebens nicht als konkrete Verfolgungshandlungen im Sinne der Konvention anzusehen sind.

Ebensowenig gelingt es dem Beschwerdeführer, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dadurch aufzuzeigen, daß die belangte Behörde im Verlust des Arbeitsplatzes keine Verfolgungshandlung erblickt hat, denn die durch Kritik am Regime bedingte eingeschränkte Berufsmöglichkeit stellt keine Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention dar (vgl. Erkenntnis vom 16. Oktober 1991, Zl. 91/01/0105). Daß der Beschwerdeführer einer massiven Bedrohung der Lebensgrundlagen ausgesetzt gewesen sei, hat er im Verwaltungsverfahren niemals behauptet, sondern bringt er dies erst jetzt in der Beschwerde vor. Auch mit diesen Ausführungen unterliegt der Beschwerdeführer ebenso dem Neuerungsverbot wie mit der erstmals in der Beschwerde erhobenen Behauptung, seine Verlobte sei wegen regimekritischen Aktivitäten hingerichtet worden. Abgesehen davon, daß auch die erstmals in der Beschwerde geäußerte Befürchtung, der Beschwerdeführer habe bei seiner Rückkehr mit einer Bestrafung aufgrund der Flucht und der Stellung des Asylantrages zu rechnen, als Neuerung gemäß § 41 VwGG anzusehen ist, erweist sich dieses Vorbringen deshalb als nicht zielführend, weil wegen Übertretungen von paßrechtlich bzw. den Aufenthalt von Staatsbürgern im Ausland regelnden Bestimmung drohende Bestrafung keine Verfolgungen im Sinne der Konvention darstellt (vgl. Erkenntnis vom 13. April 1988, Zl. 87/01/0332).

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

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