VwGH 92/01/0130

VwGH92/01/013017.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Dezember 1991, Zl. 4.294.355/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 20. Dezember 1989 ins Bundesgebiet ein. Am 5. Februar 1990 stellte er einen Asylantrag.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 31. Mai 1990 abgewiesen wurde, stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe bei der niederschriftlichen Befragung am 21. März 1990 angegeben, wegen ständiger Übergriffe des türkischen Militärs gegen die kurdische Bevölkerung, von denen insbesondere auch sein Bruder betroffen gewesen sei, sei er im Jahre 1980 mit seinen Eltern nach Istanbul verzogen. Dort sei er nicht wegen seiner Volkszugehörigkeit verfolgt worden. Im Jahre 1985 sei er Mitglied der türkischen sozialistischen Partei geworden. Am 1. Mai 1984 (richtig offenbar: 1989) habe er an einer verbotenen Demonstration der Partei teilgenommen. Die Demonstration sei von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden; ein Demonstrant sei getötet und acht Personen seien - zum Teil schwer - verletzt worden. Die Polizei habe die Demonstration gefilmt; aus Furcht, erkannt worden zu sein, sei er nicht nach Hause gegangen, sondern habe sich zwei Monate lang bei Freunden versteckt. Aus Furcht, verhaftet und mißhandelt zu werden, habe er den Entschluß gefaßt, die Türkei zu verlassen. Am 20. Dezember 1989 sei er legal aus der Türkei ausgereist. Er lehne es auch ab, den Militärdienst abzuleisten, da er in der Osttürkei gegen seine kurdischen Landsleute eingesetzt werden würde.

Bei einer am 18. November 1991 durchgeführten niederschriftlichen Befragung habe der Beschwerdeführer ergänzend angegeben, in der Zeit von 1984 bis 1989 seien zweimal bei Hausdurchsuchungen seine Brüder gesucht worden. Er sei bei diesen Hausdurchsuchungen nicht anwesend gewesen. Wegen seiner Teilnahme an der Mai-Kundgebung im Jahre 1989 werde er nicht namentlich gesucht; er befürchte vielmehr, auf Grund der Veröffentlichung von Gruppenbildern in einer Zeitung gesucht zu werden.

Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, die vom Beschwerdeführer behaupteten Übergriffe des Militärs in seinem Heimatdorf im Jahre 1980 und zuvor könnten schon wegen des langen zeitlichen Abstandes zur Ausreise des Beschwerdeführers nicht als Fluchtgründe angesehen werden. Seinem Vorbringen, auch in Istanbul hätten Hausdurchsuchungen stattgefunden, müsse die Glaubwürdigkeit versagt bleiben, weil er in der Erstbefragung angegeben habe, bis 1989 keinerlei Schwierigkeiten mit den Behörden in Istanbul gehabt zu haben. Im übrigen sei er von den Hausdurchsuchungen seinen eigenen Behauptungen zufolge nicht selbst betroffen gewesen. Die behauptete Furcht vor Verfolgung auf Grund der Teilnahme an einer verbotenen Demonstration im Mai 1989 rechtfertige nicht die Anerkennung als Konventionsflüchtling. Beschränkungen des Versammlungsrechtes oder der Abhaltung von Demonstrationen in einem Lande stellten keinen in der Konvention genannten Grund dar, den Bewohnern jenes Landes deshalb die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Beschwerdeführer habe im gesamten Verfahren keine konkreten gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen dargetan, sondern lediglich Vermutungen geäußert. Auch die Flucht vor dem bevorstehenden Militärdienst sei kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, Kurden würden auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit in der Türkei verfolgt; die kurdische Sprache werde unterdrückt und die Existenz des Volkes der Kurden in der Türkei geleugnet. Diese nicht auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers, sondern ausschließlich auf die Lage der Kurden in der Türkei bezogenen Darlegungen können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Zugehörigkeit zu einer Minderheit - auch zu der der Kurden - allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch keinen Grund für die Anerkennung als Konventionsflüchtling darstellt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1992, Zl. 91/01/0212). Schon aus diesem Grund wäre auch der Vorwurf der Beschwerde, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, daß der Beschwerdeführer Kurde sei, nicht zielführend; überdies ist den insoweit von den Behauptungen des Beschwerdeführers ausgehenden Darlegungen des angefochtenen Bescheides hinreichend deutlich zu entnehmen, daß die belangte Behörde ihrer Beurteilung die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur kurdischen Minderheit in der Türkei zugrundelegte.

Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Auffassung, es könne nicht gesagt werden, daß Repressalien gegen seinen Bruder mit ihm nichts zu tun hätten, weil bekannt sei, daß in der Türkei Personen gefoltert würden, um Aussagen über nahe Familienangehörige zu erzwingen. Diesen Darlegungen ist zu erwidern, daß der Beschwerdeführer niemals behauptet hat, zur Erzwingung von Aussagen über nahe Angehörige gefoltert worden zu sein; dies kann nicht einmal den oben wiedergegebenen, allgemeinen, nicht konkret auf den Beschwerdeführer bezogenen Darlegungen der Beschwerde entnommen werden.

Der Beschwerdeführer wendet sich schließlich gegen die Auffassung der belangten Behörde, Beschränkungen des Versammlungsrechtes und der Demonstrationsfreiheit stellten keinen in der Konvention genannten Grund dar, den Bewohnern eines Landes die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, weil solche Beschränkungen alle Bewohner des Heimatstaates träfen. Maßgeblich für die asylrechtliche Beurteilung sei nach Auffassung der Beschwerde vielmehr, ob jemand Verfolgung zu befürchten habe, wenn er die Einhaltung der von der Menschenrechtskonvention garantierten Rechte verlange; wer verfolgt werde, weil er auf einer Demonstration für nationale Volksrechte demonstriere, sei als Konventionsflüchtling anzuerkennen. Auch mit diesen - wiederum allgemeinen und nicht auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers bezogenen - Darlegungen gelingt es der Beschwerde nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung wegen der Teilnahme an der Mai-Demonstration 1989 nicht als glaubhaft gemacht angesehen. Der Beschwerdeführer wendet sich mit den oben wiedergegebenen Darlegungen auch nicht konkret gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde; diese kann im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer lediglich die nicht weiter konkretisierte Befürchtung äußerte, er könnte auf in Zeitungen veröffentlichten Gruppenbildern erkannt worden sein, nicht als unschlüssig angesehen werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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