VwGH 91/19/0323

VwGH91/19/032313.1.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des G in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 1. Oktober 1991, Zl. VII/2a-V-1279/11/3-91, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AAV §22 Abs8;
AAV §23 Abs3;
AVG §37;
VStG §5 Abs1;
VStG §9;
AAV §22 Abs8;
AAV §23 Abs3;
AVG §37;
VStG §5 Abs1;
VStG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Aktiengesellschaft zu verantworten, daß am 14. Dezember 1989 in einer bestimmten Filiale des Unternehmens entgegen § 22 Abs. 8 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) das Hubgliedertor als kraftbetriebenes Tor (elektrischer Antrieb) nicht für den Notbetrieb eingerichtet gewesen sei und daß entgegen § 23 Abs. 3 AAV in Verbindung mit Punkt 2b des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 19. September 1989 ein Notausgang, der versperrt gewesen sei, nicht jederzeit von innen ohne fremde Hilfsmittel leicht zu öffnen gewesen sei. Wegen dieser beiden Übertretungen wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten sei nicht nachgewiesen worden. Soweit der Beschwerdeführer sich darauf berufe, daß er sich in technischen Belangen der im Unternehmen installierten technischen Abteilung bediene, sei ihm zu erwidern, daß er selbst dann, wenn es sich bei den namentlich nicht genannten Mitarbeitern um Bevollmächtigte gehandelt hätte - was von der belangten Behörde nicht angenommen werde -, gemäß § 31 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz strafbar wäre. Die Filialleiterin habe den Mangel bereits vor der Tatzeit an die technische Abteilung der Unternehmensleitung gemeldet. Die Übertretung sei daher entweder mit Wissen des Beschwerdeführers geschehen oder er habe es bei der eigenen möglichen Beaufsichtigung des Betriebes bzw. der Mitarbeiter der technischen Abteilung an der erforderlichen Sorgfalt fehlen lassen. Die technische Abteilung sei räumlich leicht erreichbar gewesen. Es erfordere keine besonderen technischen Kenntnisse, die Behebung eines festgestellten Mangels zu veranlassen. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers stelle ein Schlüssel ein fremdes Hilfsmittel im Sinne des § 23 Abs. 3 AAV dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit darin, daß im Spruch des durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Straferkenntnisses nicht § 9 Abs. 1 VStG zitiert wurde. Die belangte Behörde habe dadurch die genaue Anführung der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften unterlassen.

1.2. Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß nach der herrschenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Jänner 1990, Zl. 89/18/0008, und diesem folgend zahlreiche weitere Entscheidungen), von der abzugehen kein Grund besteht, § 9 VStG keine verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 (nunmehr § 44a Z. 2 VStG) darstellt, weil § 9 VStG weder etwas gebietet noch etwas verbietet. Soweit sich der Beschwerdeführer zur Stützung seines Standpunktes in diesem Zusammenhang auf ältere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützt, ist diese auf Grund des oben genannten Erkenntnisses eines verstärkten Senates überholt.

2.1. Der Beschwerdeführer macht als Verletzung des Parteiengehörs geltend, daß ihm die belangte Behörde die im Berufungsverfahren eingeholte Stellungnahme des Arbeitsinspektorates nicht zur Kenntnis gebracht habe.

2.2. Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer deshalb keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates kein Tatsachenvorbringen oder Beweise enthält, die dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen gewesen wären und hinsichtlich derer ihm Gelegenheit zur Stellungnahme hätte eingeräumt werden müssen.

3.1. Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde eine von ihm beantragte Zeugin, die er zum Beweis für den "dargestellten Verantwortungsaufbau, insbesondere im Hinblick auf die technische Abteilung", geführt habe, nicht vernommen habe.

In seiner Stellungnahme vom 20. Juli 1990 hatte der Beschwerdeführer neben der Behauptung, die Filialleiter seien zu verantwortlichen Beauftragten bestellt worden, vorgebracht, er bediene sich in technischen Belangen der im Unternehmen installierten technischen Abteilung. Diese sei für alle technischen Fragen zuständig. Auf Grund der Sachkunde der dort tätigen Mitarbeiter müsse er sich darauf verlassen können, daß "lediglich entsprechende technische Einrichtungen in den einzelnen Filialen im Sinne der geltenden Bestimmungen eingebaut und verwendet werden". In der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis wiederholte der Beschwerdeführer dieses Vorbringen in Ansehung der technischen Abteilung und rügte die Unterlassung der dazu beantragten Zeugenvernehmung.

3.2. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß den namentlich nicht genannten Mitarbeitern der technischen Abteilung nicht die Stellung als Bevollmächtigte zugekommen sei. Sein Vorbringen war aber auch nicht geeignet, den Mangel seines Verschuldens im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG glaubhaft zu machen. Dazu hätte er dartun müssen, daß er in dem Unternehmen ein Maßnahmen- und Kontrollsystem eingerichtet habe, das unter vorhersehbaren Verhältnissen die Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verhindert (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1991, Zl. 91/19/0086 mwN). Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren geht nicht hervor, in welcher Weise durch die "technische Abteilung" gewährleistet werden sollte, daß Verletzungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, insbesondere der AAV vermieden werden. Der Beschwerdeführer hat auch nicht versucht zu begründen, warum die Meldung der Filialleiterin an die technische Abteilung betreffend die festgestellten Mängel unbeachtet geblieben ist.

Im Hinblick darauf, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, den Mangel seines Verschuldens darzutun, begründet das Unterbleiben der beantragten Zeugenvernehmung keinen Verfahrensmangel.

4. Soweit der Beschwerdeführer eine Aktenwidrigkeit darin erblickt, daß die belangte Behörde festgestellt hat, die Filialleiterin habe den Mangel schon vor der Tatzeit an die "technische Abteilung der Unternehmensleitung" gemeldet, ist ihm zu erwidern, daß mit dieser Formulierung im Begründungszusammenhang zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die technische Abteilung am Sitz der Unternehmensleitung eingerichtet ist (was in der Beschwerde ausdrücklich zugestanden wird). Die belangte Behörde hat ausgehend von diesem Verständnis in der weiteren Begründung darauf hingewiesen, daß die technische Abteilung für den Beschwerdeführer räumlich leicht erreichbar gewesen sei. Daß die belangte Behörde mit der beschriebenen Formulierung zum Ausdruck bringen wollte, die technische Abteilung sei ein Teil der Unternehmensleitung und mit den vertretungsbefugten Organen gleichzusetzen, kann der Bescheidbegründung im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers nicht entnommen werden.

5. Aus den dargelegten Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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