VwGH 91/19/0150

VwGH91/19/015024.7.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des Gianfranco M in V, vertreten durch Dr. K Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. April 1991, GZ 5-212 Te 19/4-90, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AZG §11 Abs1;
AZG;
StGB §33 Z1;
VStG §19;
VStG §22 Abs1;
VStG §22;
VStG §5 Abs1;
AZG §11 Abs1;
AZG;
StGB §33 Z1;
VStG §19;
VStG §22 Abs1;
VStG §22;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung der Straf- und Kostenaussprüche wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das gegen den Beschwerdeführer ergangene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 18. Mai 1990 enthält folgenden Spruch:

"Sie haben es als verantwortlicher Beauftragter der Firma T-Ges.m.b.H., wie am 3.11.1988 anläßlich einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates Graz im Betrieb der Firma T-Ges.m.b.H. festgestellt wurde, unterlassen dafür Sorge zu tragen, daß die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden.

Den nachgenannten Arbeitnehmern wurde an folgenden Tagen des Jahres 1988 (Gesamtarbeitszeit 8.00 Stunden) keine Ruhepause gewährt:

  1. 1.) Herr Ku (Formerei)

    13.8., 16.10.

  1. 2.) Herr Pi (Presserei)

    17.8., 28.8.

  1. 3.) Herr Da (Formerei)

    20.8., 21.8., 25.8., 30.8.

  1. 4.) Herr Ko (Presserei)

    15.8., 16.8., 20.8., 21.8., 31.8., 1.9., 2.9., 3.9.

  1. 5.) Herr Pf (Presserei)

    16.8., 23.8., 2.9.

  1. 6.) Herr Pr (Formerei)

    17.8., 19.8., 20.8., 21.8., 27.8.

  1. 7.) Herr Wr (Presserei)

    15.8., 18.8., 19.8., 25.8., 28.8., 30.8., 3.9., 4.9., 5.9., 6.9.

  1. 8.) Herr T (Formerei)

    6.9., 7.9.

  1. 9.) Herr R (Formerei)

    3.9., 4.9.

  1. 10.) Herr Ka (Schmelzofen)

    12.8., 14.8., 15.8., 16.8., 17.8.

  1. 11.) Herr Gu (Schmelzofen)

    12.8., 15.8., 16.8., 17.8.

  1. 12.) Herr B (Formerei)

    9.8., 11.8., 17.8., 18.8., 26.8., 30.8., 1.9.

  1. 13.) Herr Kr

2.9.

14.) Herr Gt

11.8.

15.) Herr We (Formerei)

2.9.

16.) Herr Dr (Presserei)

30.8.

17.) Herr Kl (Presserei)

30.10.

Somit wurde in den Fällen 1 bis 17 gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes verstoßen, da bei einer Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit von mehr als 6 Stunden die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen ist."

Der Beschwerdeführer habe dadurch zu den Z. 1.) bis 17.)

§ 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz, BGBl. 416/1969 (AZG), i.V.m.

§ 11 Abs. 1, 1. Satz, leg. cit. verletzt. Unter Berufung auf

§ 28 Abs. 1 AZG wurden über den Beschwerdeführer folgende

Strafen verhängt:

"Geldstrafe von Schilling

  1. 1.) 6.000,--
  2. 2.) 6.000,--
  3. 3.) 12.000,--
  4. 4.) 24.000,--
  5. 5.) 9.000,--
  6. 6.) 15.000,--
  7. 7.) 30.000,--
  8. 8.) 6.000,--
  9. 9.) 6.000,--
  10. 10.) 15.000,--
  11. 11.) 12.000,--
  12. 12.) 21.000,--
  13. 13.) 3.000,--
  14. 14.) 3.000,--
  15. 15.) 3.000,--
  16. 16.) 3.000,--
  17. 17.) 3.000,--

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafen von

  1. 1.) 6 Tagen
  2. 2.) 6 Tagen
  3. 3.) 12 Tagen
  4. 4.) 24 Tagen
  5. 5.) 9 Tagen
  6. 6.) 15 Tagen
  7. 7.) 30 Tagen
  8. 8.) 6 Tagen
  9. 9.) 6 Tagen
  10. 10.) 15 Tagen
  11. 11.) 12 Tagen
  12. 12.) 21 Tagen
  13. 13.) 3 Tagen
  14. 14.) 3 Tagen
  15. 15.) 3 Tagen
  16. 16.) 3 Tagen
  17. 17.) 3 Tagen"

    Ferner habe der Beschwerdeführer gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

  1. "1.) 600,--
  2. 2.) 600,--
  3. 3.) 1.200,--
  4. 4.) 2.400,--
  5. 5.) 900,--
  6. 6.) 1.500,--
  7. 7.) 3.000,--
  8. 8.) 600,--
  9. 9.) 600,--
  10. 10.) 1.500,--
  11. 11.) 1.200,--
  12. 12.) 2.100,--
  13. 13.) 300,--
  14. 14.) 300,--
  15. 15.) 300,--
  16. 16.) 300,--
  17. 17.) 300,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 Prozent der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 50 Schilling angerechnet)."

Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 1991 wurde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben; weiters wurden dem Beschwerdeführer Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht der Beschwerdeführer geltend, der Strafantrag des Arbeitsinspektorates sei durch das Anführen von Dienstnehmern, welche in Wirklichkeit keine Dienstnehmer in dem in Rede stehenden Unternehmen seien, derart unverläßlich, daß er in keiner Weise Grundlage eines Straferkenntnisses sein könne. Weder die Behörde erster Instanz noch die belangte Behörde habe konkrete Erhebungen angestellt, ob die laut Strafantrag des Arbeitsinspektorates vorgefallene Nichteinhaltung der Pausen stattgefunden habe oder nicht. Dazu wäre sowohl die Behörde erster Instanz wie auch die belangte Behörde verpflichtet gewesen, da der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 5. April 1989 darauf hingewiesen habe, daß überhaupt keine Verletzung der Ruhepausen in seinem Betrieb vorläge. Weiters sei die Begründung des angefochtenen Bescheides sowohl hinsichtlich der Begründung der tatsächlichen Feststellungen wie auch in der Begründung der Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides mangelhaft geblieben.

Die belangte Behörde hat die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes in Hinsicht auf die in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 18. November 1988 sowie der Stellungnahmen des Arbeitsinspektorates vom 16. Mai 1989 und vom 8. September 1989 als erwiesen angenommen, wobei in der letzterwähnten Stellungnahme ausdrücklich auf "genaue Recherchen in den Arbeitszeitaufzeichnungen" verwiesen wurde. Gegen diese Vorgangsweise bestehen - im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers - deshalb keine Bedenken, da der Beschwerdeführer in seiner erwähnten Stellungnahme vom 5. April 1989 lediglich die Nichteinhaltung der Ruhepausen im Produktionsbereich "Sortierung" bestritten hat - was ihm gar nicht vorgeworfen wurde - und im übrigen selbst sogar eingeräumt hat, daß Ruhepausen nicht eingehalten wurden. Die Tatsache, daß in der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 18. November 1988 zwei Personen genannt werden, die keine Dienstnehmer der T-Ges.m.b.H. sind, läßt für sich allein jedenfalls in Verbindung mit den Stellungnahmen des Arbeitsinspektorates vom 16. Mai 1989 und vom 8. September 1989 und dem Fehlen jeglicher konkreter Anhaltspunkte für eine sonstige Fehlerhaftigkeit der Anzeige diese nicht "derart unverläßlich" erscheinen, daß sie nicht Grundlage einer Bestrafung sein könnte. Der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang behauptete Begründungsmangel ist somit nicht wesentlich.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer geltend, daß er durch Aushang der Verpflichtung zur Einhaltung der Ruhepausen und der Beauftragung der Abteilungsleiter alles Zumutbare unternommen habe, damit die Einhaltung der Ruhepausen gewährleistet ist. Darüberhinaus liege eine Nichteinhaltung der Ruhepausen von insgesamt nicht einmal 2 Prozent aller einzuhaltenden Pausen vor. Daraus sei zu schließen, daß ohnehin fast alle Ruhepausen eingehalten würden. Es könne weder vom Beschwerdeführer noch von dessen Beauftragten verlangt werden, daß jeder einzelne Dienstnehmer während der Gesamtarbeitszeit beobachtet wird, um festzustellen, ob eine Pause eingehalten wurde. Eine nicht einmal 2 prozentige Nichteinhaltung der Ruhepausen zeige, daß das Kontrollsystem im Betrieb des Beschwerdeführers äußerst effizient sei.

Da es sich bei der Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs. 1 erster Satz AZG um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0071), traf den Beschwerdeführer die Pflicht zur Glaubhaftmachung, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dazu hätte es der Darlegung bedurft, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0078). Die bloße Erteilung von Weisungen reicht allerdings nicht aus; entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0099, und die dort zitierte hg. Judikatur).

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren weder behauptet noch unter Beweis gestellt, daß er Maßnahmen getroffen habe, um die Einhaltung der von ihm erteilten Anordnungen zwecks Beachtung der Arbeitszeitvorschriften zu gewährleisten, insbesondere welche Kontrollen er eingerichtet, wie er sich laufend über die Einhaltung dieser Vorschriften informiert und welche wirksamen Schritte er für den Fall von ihm festgestellter Verstöße auf diesem Gebiet in Aussicht gestellt und unternommen habe, um Verstößen vorzubeugen. Daß die festgestellten Verstöße nur "einen geringen Prozentsatz" ausmachen, läßt nicht den Schluß auf eine wirksame Kontrolle zu. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher keine Rechtswidrigkeit darin zu erblicken, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein Verschulden an den in Rede stehenden Übertretungen des AZG angelastet hat. In Ansehung der Schuldsprüche erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet.

Zur Strafbemessung ist zu bemerken: § 28 Abs. 1 AZG sieht für Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz einen Strafrahmen von S 300,-- bis S 6.000,-- (oder Arrest von drei Tagen bis sechs Wochen) vor. Soweit die belangte Behörde daher Geldstrafen über die vorgesehene Höchststrafe verhängt hat, hat sie - offenbar als Folge einer unrichtigen Auslegung des Kumulationsprinzips - die Rechtslage verkannt. Wohl war die belangte Behörde gehalten, in Ansehung des Verstoßes gegen § 11 Abs. 1, erster Satz, AZG pro Dienstnehmer jeweils eine Verwaltungsübertretung anzunehmen, doch war sie nicht etwa berechtigt, das Vorliegen mehrerer Verwaltungsübertretungen entsprechend dem Umstand anzunehmen, daß die strafbaren Handlungen an mehreren Tagen begangen wurden (so die ständige hg. Rechtsprechung). Gegen diese Rechtsanschauung verstößt zwar - entsprechend seinem Wortlaut - nicht der oben dargestellte, im Instanzenzug aufrecht erhaltene Spruch des Straferkenntnisses, doch scheint die belangte Behörde bei der Strafbemessung von einer davon abweichenden - irrigen - Rechtsansicht geleitet gewesen zu sein. Aus der diesbezüglichen Begründung geht nämlich hervor, daß die Strafe "mit S 3.000,-- je Übertretung" festgesetzt worden sei.

Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in Hinsicht auf die Strafbemessung ergibt sich aus der Wendung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß die "oftmaligen Übertretungen (17 Dienstnehmer)" als erschwerend gewertet wurden, was hier dahin zu verstehen ist, daß dem Beschwerdeführer die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen im Sinne des § 33 Z. 1 StGB als erschwerend angelastet wird; dies ist allerdings im Hinblick auf das in § 22 VStG verankerte Kumulationsprinzip nicht zulässig (vgl. etwa Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 792, und die dort zitierte hg. Judikatur). Schließlich verweist der Beschwerdeführer zu Recht darauf, daß die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, entsprechend der Aktenlage seine Unbescholtenheit als Milderungsgrund zu berücksichtigen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S 802, zitierte hg.

Rechtsprechung).

Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Ausspruch über die Strafen und über den Ersatz damit verbundenen Verfahrenskosten gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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