VwGH 91/16/0047

VwGH91/16/004723.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des P in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 15. März 1991, Zl. GA 14-VB-620/25/5/89, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Abfertigung eines Palmkakadu zum freien Verkehr, zu Recht erkannt:

Normen

Washingtoner ArtenschutzÜbk 1982;
Washingtoner ArtenschutzÜbk 1982;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. März 1991 hat die belangte Behörde den beim Zollamt Flughafen Wien am 23. August 1986 gestellten Antrag auf Abfertigung eines Palmkakadu (Probosciger aterrimus, auch Arakakadu) zum freien Verkehr gemäß § 52 Abs. 5 ZollG 1955 mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Beschwerdeführer (Verfügungsberechtigte) mit der mündlichen Warenerklärung nicht alle für die Abfertigung auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder nach der Sachlage des Einzelfalles erforderlichen Unterlagen vorgelegt habe.

Gegen diesen nach erfolgtem Zuständigkeitsübergang gemäß § 311 BAO von der Abgabenbehörde zweiter Instanz erlassenen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer behauptet, in seinem Recht auf abgabenfreie Einfuhr des Palmkakadu verletzt zu sein, und beantragt, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1981 zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (in der Folge BG bezeichnet), BGBl. 1982/189, keine Bewilligung bzw. Bescheinigung erforderlich gewesen wäre und somit alle Voraussetzungen für die Abfertigung vorgelegen hätten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 52 Abs. 1 ZollG 1988 sind zur Durchführung des Zollverfahrens nach näherer Bestimmung dieses Bundesgesetzes Waren beim Zollamt schriftlich oder mündlich anzumelden (Anmeldung).

Gemäß § 52 Abs. 4 ZollG 1955 hat der Anmelder mit der Anmeldung alle für die Abfertigung auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder nach der Sachlage des Einzelfalles erforderlichen Bewilligungen, Rechnungen, Nachweise, Belege u. dgl. vorzulgen.

Gemäß Abs. 5 leg. cit. hat das Zollamt die Anmeldung und die nach Abs. 4 beigebrachten Unterlagen zu prüfen. Die Anmeldung ist vom Zollamt zurückzuweisen, wenn sie den Erfordernissen dieses Bundesgesetzes nicht entspricht oder die nach Abs. 4 erforderlichen Unterlagen unvollständig oder mangelhaft sind.

Maßgebende Rechtsgrundlagen für die Beurteilung, ob bzw. welche Bewilligungen oder Bescheinigungen im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abfertigung des genannten Tieres vom Beschwerdeführer vorzulegen gewesen wären, sind das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen samt Anhängen und Vorbehaltserklärung (in der Folge Übereinkommen)

BGBl. 1982/188, und das genannte BG. Im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abfertigung war der Palmkakadu im Anhang II des Übereinkommens genannt und Singapur, das Land, in dem der Erwerb des Tieres erfolgte, war nicht Vertragsstaat des Übereinkommens.

Gemäß § 6 BG ist die Einfuhr von Exemplaren, Teilen und Erzeugnissen aus einem Land und die Ausfuhr bzw. Wiederausfuhr nach einem Land, das nicht Vertragsstaat des Übereinkommens ist, zulässig, wenn die im Art. X des Übereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist bei der zollamtlichen Ausgangsabfertigung oder bei der zollamtlichen Eingangsabfertigung im Sinne des § 5 Abs. 1 durch eine Bescheinigung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie nachzuweisen.

Nach § 7 Abs. 1 BG in der genannten Fassung sind Bewilligungen oder Bescheinigungen gemäß §§ 3 bis 6 nicht erforderlich für Exemplare, Teile und Erzeugnisse, soweit sie zum persönlichen Gebrauch bestimmt oder als Hausrat anzusehen sind, es sei denn, daß sie im Anhang II zum Übereinkommen genannt sind, vom Eigentümer außerhalb des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, in jenem Staat erworben wurden, in dem die Entnahme aus der freien Natur erfolgte und die Ausfuhr an das Vorliegen einer Ausfuhrgenehmigung gebunden ist, und in der Folge in den Staat eingeführt werden sollen, in dem der Eigentümer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Nach den Erläuterungen zu diesem BG (667 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP) geht das vorliegende BG von der Annahme aus, daß das Übereinkommen im Wege der generellen Transformation unmittelbar anwendbarer Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung wird und daß es daher genügt, sich im Durchführungsgesetz auf jene Bestimmungen zu beschränken, die einer näheren Präzisierung für den innerstaatlichen Gebrauch bedürfen.

Zu § 7 ist in den Erläuterungen vermerkt, daß zusätzlich zu den bereits in den Bestimmungen der §§ 3, 4 und 5 des BG berücksichtigten Ausnahmen der Art. VII des Übereinkommens noch weitere Ausnahmen und Sonderbestimmungen enthält. Sie finden im § 7 des BG Berücksichtigung. Die wohl wichtigste Ausnahmebestimmung ist im Abs. 3 des Art. VII des Übereinkommens enthalten. Danach unterliegen den Bewilligungs- und Bescheinigungsvorschriften Waren dann nicht, wenn es sich um Gegenstände zum persönlichen Gebrauch oder um Hausrat handelt. Von dieser Ausnahme gibt es jedoch wieder Ausnahmen. Auch Gegenstände für den persönlichen Gebrauch oder Hausrat unterliegen in bestimmten Fällen der Bewilligungspflicht bzw. Bescheinigungspflicht, wobei die Voraussetzungen verschieden sind, je nach dem, ob es sich um Exemplare, Teile oder Erzeugnisse von Arten des Anhanges I oder von Arten des Anhanges II handelt. Bei Arten des Anhanges I gilt die Ausnahme nicht, wenn das Exemplar oder der Gegenstand irgendwo im Ausland erworben wurde und vom Eigentümer in seinen Heimatstaat (Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes) eingeführt wird, bei Arten des Anhanges II nur dann, wenn der Erwerb in jenem Staat erfolgt, in dem auch die Entnahme aus der freien Natur erfolgte, und wenn dieser Staat vor der Ausfuhr derartiger Exemplare die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen vorschreibt.

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung darauf, daß die Bestimmungen des Übereinkommens im Wege der generellen Transformation unmittelbar anwendbarer Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden und somit unmittelbar innerstaatlich anwendbar seien. Demnach habe gemäß Art. II des Übereinkommens der gesamte Handel von der Entnahme aus der Natur bis zur Verbringung in das österreichische Bundesgebiet in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen und dem BG stattzufinden. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, sei die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 7 Abs. 1 BG, selbst wenn alle anderen Voraussetzungen gegeben seien, nicht möglich.

Hiebei übersieht die belangte Behörde allerdings, daß im Art. II Abs. 4 des Übereinkommens ein Grundsatz festgelegt worden ist, wonach die Vertragsparteien den Handel, das ist gemäß Art. I lit. c des Übereinkommens u.a. die Einfuhr, mit Exemplaren der in den Anhängen I, II und III aufgeführten Arten nur in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen gestatten. Dieser Grundsatz verpflichtet die Vertragsparteien, entsprechend übereinkommenskonforme innerstaatliche Regelungen in Kraft zu setzen. Nach den Erläuterungen zum Übereinkommen (747 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XV GP) kann das Übereinkommen generell in die österreichische Rechtsordnung transformiert werden; soweit einzelne Bestimmungen einer näheren Durchführung bedürfen, ist durch das gleichzeitige Inkrafttreten des Bundesgesetzes zur Durchführung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen die Erfüllung der übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen gewährleistet.

Die Bestimmungen des BG sind daher im Rahmen einer teleologischen Interpretation durchaus unter Beachtung der Grundsätze des Übereinkommens auszulegen. Der Ansicht der belangten Behörde, daß selbst dann, wenn alle Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BG erfüllt sind, aber dem genannten Grundsatz des Übereinkommens zuwider gehandelt würde, daß "der gesamte Handel von den Entnahmen aus der Natur bis zur Verbringung in das österreichische Bundesgebiet in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen und dem Durchführungsgesetz stattzufinden" habe, die Bestimmung des § 7 Abs. 1 BG nicht anzuwenden wäre, kann nicht gefolgt werden. Das Übereinkommen und das BG sind Normen gleicher Stufe, die gleichzeitig in Kraft getreten sind. Mit dem § 7 Abs. 1 BG hat der Gesetzgeber Vorschriften zur Durchführung des Übereinkommens beschlossen, die nicht mit dem Wortlaut des Übereinkommens im Widerspruch stehen. Das Übereinkommen selbst enthält im Art. VII Ausnahmen hinsichtlich des Handels mit Exemplaren, wobei die Fassung des § 7 Abs. 1 BG weitgehend dem Art. VII Abs. 3 des Übereinkommens entspricht. Daß der Gesetzgeber mit § 7 Abs. 1 BG in der Stammfassung eine Regelung beschlossen hat, die in der Praxis eine Möglichkeit bot, das Übereinkommen zu umgehen (231 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP) war Anlaß einer Novellierung dieser Bestimmung, die durch das Bundesgesetz vom 21. Jänner 1988, BGBl. Nr. 97/1988, mit 1. März 1988 in Kraft getreten ist. Die geänderte Fassung, die lebende Exemplare ausdrücklich von der Ausnahmebestimmung ausnimmt, wodurch für diese jedenfalls eine Bewilligung bzw. Bescheinigung erforderlich ist, ist jedoch auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar.

Wenn die belangte Behörde bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BG ausführt, daß "Zweifel" an der rechtmäßigen Verbringung des Palmkakadu vom Ursprungsland ins Handelsland bestünden, verkennt sie, daß nach § 7 Abs. 1 lit. b BG zu prüfen gewesen wäre, ob im Stadtstaat Singapur die Entnahme aus der freien Natur erfolgt ist. Ohne daß letztlich geklärt werden konnte, woher das Tier tatsächlich stammt, hat die belangte Behörde jedenfalls festgestellt, daß der in Rede stehende Palmkakadu von Malaysia nach Singapur verbracht worden sei. Damit geht auch die belangte Behörde davon aus, daß dieses Exemplar in Singapur nur gehandelt wurde, sodaß dem Ergebnis der Prüfung der tatsächlichen Herkunft dieses Exemplares nach der im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abfertigung zum freien Verkehr anzuwendenden Rechtslage keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.

Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 BG nimmt ausdrücklich auch Bewilligungen und Bescheinigungen gemäß § 6 BG aus. Damit werden auch die aus Nichtvertragsstaaten eingeführten Exemplare unter den im § 7 Abs. 1 BG genannten Voraussetzungen bis zum Inkrafttreten der Novelle des BG mit 1. März 1988 von jeder Bewilligung oder Bescheinigung befreit.

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich der Bescheid der belangten Behörde mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, so daß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Der Schriftsatzaufwand und die Barauslagen wurden in der beantragten Höhe anerkannt. Dem obsiegenden Beschwerdeführer gebührt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allerdings kein gesonderter Ersatz der Umsatzsteuer (siehe Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Dritte Auflage, S 687, dritter Absatz).

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