VwGH 91/15/0071

VwGH91/15/007123.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. April 1991, GA 10-299/6/91, betreffend gnadenweise Nachsicht einer Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FinStrG §187;
FinStrG Ausübung des Gnadenrechtes 1958 §1;
B-VG Art130 Abs2;
FinStrG §187;
FinStrG Ausübung des Gnadenrechtes 1958 §1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Entscheidung des Spruchsenates beim Finanzamt Eisenstadt als Organ des Finanzamtes Oberwart mit Erkenntnis vom 17. Februar 1989 schuldig erkannt, vorsätzlich in der Umsatzsteuererklärung 1982 Umsätze von 6,110.740,84 S nicht angegeben, somit unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Abgabenverkürzungen von 951.713 S bewirkt zu haben. Der Beschwerdeführer wurde dafür wegen Abgabenhinterziehung zu einer Geldstrafe von 200.000 S, im Uneinbringlichkeitsfall zu 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens von 5.000 S verurteilt.

Der dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung wurde vom Berufungssenat I der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 100.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Tage herabgesetzt wurden. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Bereits am Tag der Zustellung der eben erwähnten Berufungsentscheidung (12. Juni 1990) brachte der Beschwerdeführer beim Bundesministerium für Finanzen ein Gnadenansuchen ein und begründete dies im wesentlichen damit, daß er in den letzten Jahren größte "gesundheitliche Probleme" gehabt hätte, er einer der Geschädigten des "WBO-Skandals" sei und ihm im übrigen durch Pfändungen nur das Existenzminimum verbliebe, sodaß der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe unausweichlich werden würde.

Den Ausführungen des Finanzamtes zustimmend ersuchte das Bundesministerium für Finanzen die belangte Behörde, das Gnadenansuchen im eigenen Zuständigkeitsbereich zu erledigen. Darüber wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 24. Juli 1990 abweislich entschieden.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Da das Bundesministerium für Finanzen den Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juli 1990 im Aufsichtsweg aufgehoben hatte, erklärte der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde mit Beschluß vom 23. März 1991, 90/13/0277, als gegenstandslos und stellte das Verfahren ein.

Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid das Gnadenansuchen neuerlich ab, wobei sie zur Begründung im wesentlichen ausführte, bei der Höhe der verkürzten Umsatzsteuer komme im Rahmen der Ausübung des Ermessens generalpräventiven Überlegungen besondere Bedeutung zu. Der Berufungssenat habe schon bei der Strafbemessung berücksichtigt, daß die Einkünfte des Beschwerdeführers bereits bis zum Existenzminimum gepfändet seien, weswegen die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe wahrscheinlich sei, und der Beschwerdeführer einer der Geschädigten des "WBO-Skandals" wäre. Aus diesen Gründen habe der Berufungssenat eine verhältnismäßig geringe Geldstrafe von 100.000 S bei einem Strafrahmen von 1,903.425 S sowie eine relativ kurze Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Eine darüber hinausgehende Reduzierung der Geldstrafe sei mit Rücksicht auf andere gleichgelagerte Fälle nicht vertretbar. Der Beschwerdeführer habe bisher nicht nur keinerlei Zahlungswillen gezeigt, sondern sein Gnadenansuchen am Tag der Zustellung der Berufungsentscheidung eingebracht. Eine Gnadenmaßnahme unmittelbar nach Verhängung der Geldstrafe würde die Strafzwecke der Sühne beim Bestraften und der Abschreckung anderer von der Begehung ähnlicher Straftaten geradezu ad absurdum führen. Der mögliche Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe stelle noch keinen Grund für eine Gnadenmaßnahme dar. Schließlich wies die belangte Behörde noch darauf hin, daß am Abgabenkonto des Beschwerdeführers rund 1 Mio S aushafte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit (erkennbar zu ergänzen: des Inhaltes) erhobene Beschwerde. Als Beschwerdepunkt wird die Verletzung der Bestimmung des § 187 FinStrG iVm der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 15. Dezember 1958, BGBl Nr. 290/1958, idF BGBl Nr 607/1982, dahingehend geltend gemacht, daß das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände iSd § 187 FinStrG von der belangten Behörde verneint wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Grundlage der Befugnis der belangten Behörde zur Erteilung des vom Beschwerdeführer begehrten Gnadenerweises ist § 187 FinStrG. Danach und in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 15. Dezember 1958, BGBl Nr 290/1958, idF BGBl Nr 607/1982, können die Finanzlandesdirektionen bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände über Ansuchen des Bestraften durch die Finanzstrafbehörden auferlegte Geldstrafen bis zum Gesamtbetrag von 120.000 S nachsehen.

Die gnadenweise Nachsicht von rechtskräftig durch die Finanzstrafbehörden verhängten Strafen bietet die Möglichkeit, etwaige Fehler bei der Entscheidung zu beseitigen, Härten zu mildern und den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles (der wirtschaftlichen Lage des Betroffenen) gerecht zu werden.

Die Subsumtion des von der Behörde anzunehmenden Sachverhaltes unter die normativen Tatbestandsmerkmale des § 1 der zitierten Verordnung ist Beantwortung einer Rechtsfrage, während die Entscheidung der Gnadenfrage bei Vorliegen BERÜCKSICHTIGUNGSWÜRDIGER UMSTÄNDE als Handhabung freien Ermessens durch die Behörde ist. Die Ausübung des Gnadenrechtes setzt nach der zitierten Gesetzesstelle das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Umständen voraus. Die Feststellung, ob berücksichtigungswürdige Gründe gegeben sind, liegt nicht im Ermessen der Behörde (vgl das hg Erkenntnis vom 15. März 1984, 83/16/0176, Slg Nr 5872/F).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid vorweg das Vorliegen der vom Beschwerdeführer geltend gemachten schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse als berücksichtigungswürdigen Umstand festgestellt und somit einen, die Sache oder die Person des Bestraften betreffenden Umstand, der auch bereits in dem vorangegangenen Berufungsverfahren seine Würdigung fand, beachtet (vgl nochmals das hg Erkenntnis Slg Nr 5872/F).

Bei der nachfolgend getroffenen Ermessensentscheidung hat die belangte Behörde die allgemeinen Rechtsgrundsätze von Billigkeit (Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei) und Zweckmäßigkeit (Angemessenheit in bezug auf das öffentliche Interesse) unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu beachten gehabt. Hiebei sind auch die Gesichtspunkte der General- und der Spezialprävention in die Beurteilung miteinzubeziehen gewesen.

Die belangte Behörde ist nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie bei der Ermessensentscheidung den strafbestimmenden Wertbetrag von 951.712,63 S und die dafür mögliche gesetzlich vorgesehene Höchststrafe von 1,903.425 S der in erster Instanz verhängten Geldstrafe von 200.000 S und 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe der in der Berufungsentscheidung verhängten Geldstrafe von 100.000 S und 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe gegenübergestellt hat und sich auch durch das Ausmaß der Reduzierung in ihrer Entscheidung hat leiten lassen. Der Verwaltungsgerichtshof ist ebenfalls der Ansicht, daß die Bemessung der Geldstrafe mit ca 10,5 % des hinterzogenen Betrages sowie die Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe um zwei Drittel durch den Berufungssenat den berechtigten Interessen des Beschwerdeführers überproportional angemessen ist, wohingegen den berechtigten Interessen der Allgemeinheit, nämlich der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers sowie der Auswirkungen des "WBO-Skandals" auf seine Vermögenslage nur noch in sehr geringem Maße entsprochen ist.

Daß der Beschwerdeführer weiters die Beschwerde damit begründet, seine schlechte Vermögenslage ermögliche ihm die Bezahlung der rechtskräftig über ihn verhängten Geldstrafe nicht, daher wäre die ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen, stellt für sich noch keinen gnadenwürdigen Grund dar. Vielmehr wird hier ein Umstand vorgebracht, der nicht mehr als die Darstellung der vom Gesetz für alle Fälle dieser Art angeordneten Rechtsfolge zum Inhalt hat (vgl das hg Erkenntnis vom 15. Februar 1984, 83/13/0166).

Desgleichen bleibt auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers der Erfolg versagt, wonach gegen eine positive Entscheidung über das Gnadenansuchen weder spezialnoch generalpräventive Gründe sprächen. Mögen auch gesundheitliche Gründe gegen eine Wiederholung des begangenen Finanzvergehens sprechen, kann doch das Alter des Beschwerdeführers (er wurde 1935 geboren und ist somit 57 Jahre alt) für die neuerliche Begehung einschlägiger Finanzvergehen kein Hindernis sein. Im übrigen stehen einer Nachsicht negative Auswirkungen auf generalpräventiver Ebene entgegen.

Die belangte Behörde hat auch innerhalb ihres vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraumes rechtmäßig entschieden, wenn sie in Würdigung aller Umstände auch die hohen - oben angeführten - Zahlungsrückstände sowie den Zahlungsunwillen des Beschwerdeführers nicht zum Anlaß der Ausübung des Gnadenrechtes genommen hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl Nr 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte