VwGH 91/14/0058

VwGH91/14/005818.3.1992

Senatspräsident Dr Schubert sowie die Hofräte Dr Hnatek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr Kirchmayr, in der Beschwerdesache des Dr P in W, vertreten durch Dr N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. Feber 1991, Zl 823/2-2/Z-1991, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §56;
BAO §93;
BAO §97 Abs1;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §6;
AVG §56;
BAO §93;
BAO §97 Abs1;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 2.530 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit am 10. Jänner 1990 zugestellten Bescheid leitete das Finanzamt Linz gegen den Beschwerdeführer, einen Wirtschaftstreuhänder, ein Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, dieser habe als Vertreter in Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten eines Klienten vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht für die Jahre 1982 bis 1987 Geschäftsführerbezüge desselben nicht erklärt und hiedurch eine Abgabenverkürzung an Einkommensteuer in noch zu bestimmender Höhe bewirkt und dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen. Zur Begründung verwies das Finanzamt auf eine Vernehmung des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als steuerlicher Vertreter des Klienten.

Gegen diesen Bescheid ergriff der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde, wobei er im wesentlichen ausführte, aus den Akten des Einkommensteuerverfahrens lasse sich überhaupt kein Verdacht einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung ableiten, weil die von ihm namens des Klienten vertretene Rechtsansicht richtig, zumindest aber vertretbar sei. Es hätte daher überhaupt kein Finanzstrafverfahren gegen ihn eingeleitet werden dürfen. Überdies sei der Bescheid schon deswegen rechtswidrig, weil ihm vorgeworfen werde, er hätte eine Abgabe, die er weder schulde, noch für die er hafte, hinterzogen. Er könne daher

- rechtstheoretisch - höchstens als Bestimmungstäter angesehen werden. Der angefochtene Bescheid sei daher ersatzlos aufzuheben.

Gleichzeitig mit der Beschwerde legte der Beschwerdeführer eine auch die Zustellung umfassende Vollmacht seines auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeschrittenen Rechtsfreundes vor.

Mit am 17. Mai 1990 dem Beschwerdeführer zugestellten, seinem Rechtsfreund tatsächlich am 18. Mai 1990 zugekommenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde unter Hinweis auf § 82 Abs 1 FinStrG im wesentlichen mit der Begründung ab, bereits anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung sei der Beschwerdeführer darauf hingewiesen worden, daß die Geschäftsführerbezüge des Klienten in Österreich der beschränkten Steuerpflicht unterlägen. Der Beschwerdeführer habe in der Folge die Erklärung dieser Bezüge wider besseres Wissen unterlassen. Er behaupte auch nicht, die Rechtsansicht der Abgabenbehörde sei ihm unbekannt gewesen, sondern habe er bewußt eine andere Meinung vertreten und deswegen namens seines Klienten keine Erklärungen abgegeben. Diese Vorgangsweise begründe den Verdacht einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung. Dem Beschwerdeführer als steuerlichen Vertreter wäre es nämlich oblegen, in Erfüllung der dem Klienten auferlegten Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Abgabenerklärungen einzureichen. Die Nichtabgabe der Erklärungen berge jedoch den Verdacht einer Abgabenhinterziehung in sich.

Gegen den erwähnten, am 17. Mai 1990 unrichtig zugestellten, dem Rechtsfreund als Zustellungsbevollmächtigten jedoch am 18. Mai 1990 tatsächlich zugekommenen Bescheid wurde eine unter der hg Zl 90/14/0115 protokollierte Beschwerde erhoben. Das Vorverfahren in diesem Beschwerdeverfahren ist abgeschlossen.

Im Zug eines mit dem gegenständlichen Verfahrens im Zusammenhang stehenden Verfahrens (vgl die beim Verfassungsgerichtshof zu B 554/91 protokollierte Beschwerde) erkannte die belangte Behörde, daß die Zustellung des Bescheides am 17. Mai 1990 unter Mißachtung des § 9 Abs 1 erster Satz ZustellG erfolgt ist, weswegen sie den angefochtenen Bescheid vom 28. Feber 1991 erließ und die ihrer Meinung nach richtige Zustellung an den Rechtsfreund des Beschwerdeführers verfügte. Diese Zustellung wurde am 11. März 1991 vollzogen.

Gegen den dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers am 11. März 1991 zugestellten Bescheid, der mit Ausnahme der Aktenzahl, des Ausfertigungsdatums, des Namens des Genehmigenden und der Anführung des Zustellbevollmächtigten völlig wortgleich mit dem am 17. Mai 1990 unrichtig zugestellten Bescheid ist, richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Beachtung des Grundsatzes "ne bis in idem" und auf Nichteinleitung eines Finanzstrafverfahrens verletzt.

In ihrer Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde möge zurückgewiesen werden.

Dem Beschwerdeführer ist folgendes entgegenzuhalten:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, kann, falls die Zustellung eines letztinstanzlichen Bescheides einmal rechtswirksam vorgenommen wurde, durch die nochmals verfügte und nochmals durchgeführte Zustellung dieses Bescheides der Lauf der Beschwerdefrist nach § 26 Abs 1 VwGG nicht neuerlich in Gang gesetzt werden (vgl in jüngerer Zeit den hg Beschluß vom 13. September 1991, 91/18/0176 und die darin zitierte Vorjudikatur).

Streitentscheidend ist, ob der am 17. Mai 1990 unrichtig zugestellte, dem Rechtsfreund als Zustellungsbevollmächtigten am 18. Mai 1990 jedoch tatsächlich zugekommene Bescheid gleich mit dem mit 28. Feber 1991 datierten und dem Rechtsfreund am 11. März 1991 zugestellten Bescheid ist.

Unbestritten ist, daß der Zustellungsmangel des dem Beschwerdeführer am 17. Mai 1990 zugestellten Bescheides am 18. Mai 1990 im Sinn des § 9 Abs 1 zweiter Satz ZustellG saniert wurde.

Gemäß § 6 ZustellG ist die erste Zustellung maßgebend, wenn das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt wird. Im vorliegenden Fall ist sowohl die Zustellung vom 17. Mai 1990 bzw 18. Mai 1990 als auch die vom 11. März 1991 gültig. Ein gleiches Schriftstück (hier: gleicher Bescheid) liegt dann nicht mehr vor, wenn die Behörde in der neuerlich zugestellten Ausfertigung zum Ausdruck bringt, daß keine gleiche Erledigung im Sinn des § 97 Abs 1 BAO beabsichtigt ist. Eine gegenteilige Auslegung nähme § 6 ZustellG die Anwendbarkeit (vgl das hg Erkenntnis vom 18. April 1988, 87/12/0043, Slg Nr 12701/A). Wesentlicher Bestandteil eines Bescheides ist der Spruch in Verbindung mit der Begründung. Die am 11. März 1991 zugestellte Ausfertigung des Bescheides ist sowohl im Spruch als auch in der Begründung völlig wortgleich mit der am 17. Mai 1990 bzw am 18. Mai 1990 zugestellten Ausfertigung. Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde beabsichtigt hat, nur die gleiche Entscheidung zuzustellen, wie dies auch aus der Aktenlage hervorgeht. Die Tatsache, daß sich die beiden Ausfertigungen geringfügig voneinander unterscheiden, schadet schon deswegen nicht, weil bei verständiger Würdigung dieser Unterschiede nicht erkennbar ist, welche andersartige Erledigung von der belangten Behörde beabsichtigt gewesen wäre.

Der Lauf der Beschwerdefrist begann somit im vorliegenden Fall am 18. Mai 1990, weshalb sich die am 19. März 1991 überreichte Beschwerde in Anbetracht der in § 26 Abs 1 Z 1 VwGG festgesetzten Beschwerdefrist von sechs Wochen als verspätet erweist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen, weswegen es sich auch erübrigte, auf die weiteren Beschwerdeausführungen einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991. Mangels Vorlage von Verwaltungsakten zum zu entscheidenden Beschwerdefall war der diesbezüglich geforderte Aufwandersatz abzuweisen.

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