VwGH 91/13/0116

VwGH91/13/01168.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des D in B, vertreten durch Dr. A, Rechtanwalt in N, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 15. März 1991, Zl. 6/4-4027/90-04, betreffend Verspätungszuschlag von Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1988, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §111;
BAO §134 Abs2;
BAO §135;
VwRallg;
BAO §111;
BAO §134 Abs2;
BAO §135;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde von der Abgabenbehörde am 10. April 1989 aufgefordert, Abgabenerklärungen unter anderem betreffend die Umsatz- und Einkommensteuer 1988 bis 1. August 1989 einzureichen. Diese Frist verstrich ungenützt. Mit Erinnerung vom 29. August 1989 wurde dem Beschwerdeführer für den Fall der Nichtabgabe derselben Abgabenerklärungen bis 13. September 1989 die Festsetzung einer Zwangsstrafe angedroht. Mit Eingabe vom 31. August 1989 wurde ein Antrag auf Gewährung einer Nachfrist zur Abgabe der Steuererklärungen bis 15. Oktober 1989 eingebracht. Mit verfahrensleitendem Bescheid vom 7. September 1989 wurde dieses Ansuchen abgewiesen, jedoch ausgeführt, daß die genannten Erklärungen noch als fristgerecht eingebracht gelten, wenn sie bis längstens 2. Oktober 1989 beim Finanzamt eingereicht werden. In der Folge langten die Abgabenerklärungen am 2. Oktober 1989 beim Finanzamt ein. Im Rahmen der Veranlagung zur Umsatzsteuer und Einkommensteuer für 1988 wurde hinsichtlich der Umsatzsteuer ein Verspätungszuschlag von 0,1 % und hinsichtlich der Einkommensteuer ein solcher von 1,9 % der jeweils festgesetzten Abgabe auferlegt.

In einer dagegen eingebrachten Berufung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Erklärungen zum 2. Oktober 1989 termingerecht eingebracht worden wären. In einer als Berufungsfortsetzung bezeichneten Eingabe wurde vorgebracht, daß dem Beschwerdeführer die Verfügung vom 10. April 1989 unbekannt geblieben sei.

Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Frist zur Abgabe der Erklärungen am 1. August 1989 abgelaufen wäre, weshalb der Verspätungszuschlag infolge unentschuldbarer Verspätung festzusetzen gewesen wäre. Zur bewilligten Einreichung der Erklärungen bis 2. Oktober 1989 wurde ausgeführt, daß sich dieser "Teil des Schreibens" auf die in der Erinnerung vom 29. August 1989 erfolgte Androhung der Festsetzung einer Zwangsstrafe bezogen hätte, da die Frist bereits mit 1. August 1989 abgelaufen gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften eingebrachte Beschwerde.

Nach dem Beschwerdevorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf richtige Anwendung der §§ 135 Abs 1 und 115 BAO verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 134 Abs 2 BAO kann die Abgabenbehörde im Einzelfall auf begründeten Antrag die in Abgabenvorschriften bestimmte Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung verlängern. Wird einem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einreichung der Abgabenerklärung nicht stattgegeben, so ist für die Einreichung der Abgabenerklärung eine Nachfrist von mindestens einer Woche zu setzen.

Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zu Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 % der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.

Während die belangte Behörde die Ansicht vertritt, die Festsetzung des Verspätungszuschlages sei deswegen gerechtfertigt, weil die Frist zur Abgabe der Erklärungen am 1. August 1989 abgelaufen sei, die Erklärungen aber erst am 2. Oktober 1989 und daher verspätet eingereicht worden seien, vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, daß die Erklärungen innerhalb der mit verfahrensleitender Verfügung vom 7. September 1989 eingeräumten Frist und daher fristgerecht eingebracht worden seien, weshalb der Beschwerdeführer neben der Behauptung, daß ihm die verfahrensleitende Verfügung vom 10. April 1989 nicht zugekommen sei, unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt, daß die belangte Behörde keine Feststellungen über ein Verschulden des Beschwerdeführers getroffen habe.

Wiewohl weder der Beschwerdebehauptung, dem Beschwerdeführer sei die verfahrensleitende Verfügung nicht zugekommen, noch der nicht näher begründeten Ansicht, die Übernahme der Verfügung vom 10. April 1989 durch seine Gattin sei "irrtümlich und rechtswidrig", im Hinblick auf

§ 16 Zustellgesetz, gefolgt werden kann, ist die Beschwerde berechtigt:

Die Frist zur Einreichung der Abgabenerklärungen für 1988 ist am 1. August 1989 abgelaufen. Mit verfahrensleitendem Bescheid vom 7. September 1989 hat das Finanzamt ein nach Ablauf dieser Frist eingereichtes "Fristverlängerungsansuchen" abgewiesen. Obwohl die gesetzliche Bestimmung des § 134 Abs 2 zweiter Satz BAO nicht zur Anwendung kommen konnte, weil ein Antrag auf Fristverlängerung im Sinne des § 134 Abs 2 erster Satz leg cit begrifflich nur innerhalb offener Frist möglich ist, wurde eine "Nachfrist" gewährt, bzw ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Erklärungen noch als fristgerecht eingebracht gelten, wenn sie bis längstens 2. Oktober 1989 beim Finanzamt eingereicht werden. Der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht, daß sich "dieser Teil des Schreibens" (vom 7. September 1989) auf die in der Erinnerung vom 29. August 1989 erfolgte Androhung der Festsetzung einer Zwangsstrafe beziehe, kann deshalb nicht gefolgt werden, weil eine Erinnerung mit Androhung einer Zwangsstrafe keine (neuerliche) Frist eröffnet, innerhalb welcher Erklärungen als FRISTGERECHT EINGEBRACHT gelten können. Die gegebenenfalls erfolgende Einbringung der Abgabenerklärungen bis zu dem in der Zwangsstrafenandrohung festgesetzten Termin bewirkt lediglich, daß die angedrohte Zwangsstrafe nicht festzusetzen ist. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages wegen verspäteter Einreichung der Abgabenerklärung schließt dieser Umstand dann nicht aus. Wollte die Behörde die Fristverlängerung, wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt, tatsächlich auf die Zwangsstrafenandrohung beziehen, hätte sie nicht von fristgerecht eingebracht geltenden Erklärungen sprechen dürfen, sondern zum Ausdruck bringen müssen, daß die angedrohte Zwangsstrafe nicht festgesetzt werden würde, wenn die Erklärungen nunmehr bis 2. Oktober 1989 einlangen.

Gegenständlich wurde jedoch zweifellos - wenn auch rechtswidrig - eine Nachfrist im Sinne des § 134 Abs 2 zweiter Satz gesetzt, bei deren Einhaltung ein Verspätungszuschlag ausgeschlossen ist. Daß die belangte Behörde dies verkannt hat, belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.

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