VwGH 91/13/0109

VwGH91/13/010921.7.1993

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der XY-Ges.m.b.H. & Co KG in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld, vom 21. März 1991, GZ 6/3-3007/91-05, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften und Gewerbesteuer für 1988, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs2;
EStG 1972 §4 Abs1;
BAO §167 Abs2;
EStG 1972 §4 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Komplementär der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft ist die - am Vermögen nicht beteiligte - O. GmbH; zum 31. Dezember 1987 waren als Kommanditisten die H. GmbH mit einem starren Kapitalkonto von S 3,000.000,-- und Kurt R. mit einem solchen von S 1,000.000,-- beteiligt. Die Verrechnungskonten der Gesellschafter machten zu diesem Stichtag für die O. GmbH - S 57.019,94, für die H. GmbH - S 8,025.921,80 und für Kurt R. - S 5,826.772,83 aus.

In einer Zwischenbilanz zum 31. März 1988 wurden auf dem Verrechnungskonto der H. GmbH - S 20,034.216,37 ausgewiesen. Unter den sonstigen Verbindlichkeiten war eine Verbindlichkeit gegenüber der H. GmbH in Höhe von S 11,437.294,81 ausgewiesen.

In den Akten erliegt ein Schreiben der Beschwerdeführerin an die H. GmbH vom 4. Mai 1988, wonach der H. GmbH "durch geleistete Bareinzahlungen und Lieferungen" auf Grund der zum 31. März 1988 erstellten Zwischenbilanz eine Forderung von S 11,437.294,81 "einschließlich der bis zum 31. März 1988 weitergelaufenen Verzinsung" zustehe. Die Beschwerdeführerin verpflichte sich, diese Verbindlichkeit in sechs Halbjahresraten abzudecken. Die Gesamtforderung sei ab 1. April 1988 mit einem bestimmten Zinssatz zu verzinsen. Mit einem Schriftsatz der H. GmbH gleichfalls vom 4. Mai 1988 wurde das Einverständnis der H. GmbH mit diesen Zahlungsmodalitäten erklärt. Für den Fall der Zahlung der Hälfte dieser Forderung bis zum 31. Dezember 1988 wurde der Beschwerdeführerin ein Erlaß der zweiten Hälfte dieser Forderung in Aussicht gestellt.

Mit Abtretungsvertrag vom 6. Mai 1988 trat die H. GmbH den Gesellschaftsanteil (Kommanditeinlage von S 3,000.000,--) um den Abtretungspreis von S 600.000,-- mit Wirksamkeit vom 31. März 1988 an Kurt R. ab.

In einem "Gesellschafterbeschluß" ebenfalls vom 6. Mai 1988 über die Genehmigung des Rechnungsabschlusses zum 31. März 1988 wurde ausgeführt, der zu Lasten der H. GmbH bestehende Negativsaldo von S 17,034.216,37 (Verrechnungskonto abzüglich Kapitalkonto) sei gemäß Punkt VI des Gesellschaftsvertrages auszugleichen. Die entsprechenden Zahlungsmodalitäten wurden im Gesellschafterbeschluß festgelegt. Weiters wurde darin (neuerlich) festgehalten, daß sich die der H. GmbH gegen die Beschwerdeführerin "aufgrund von Bareinzahlungen oder Lieferungen" zustehenden Forderungen zum 31. März 1988 auf S 11,437.294,81 belaufen. Die Zahlung werde der Beschwerdeführerin gemäß dem Briefwechsel gestundet. In Punkt 7. des "Gesellschafterbeschlusses" wurde bestimmt, sollte einer der Beschlüsse, der darin enthaltenen Erklärungen und Vereinbarungen unwirksam sein oder werden, so werde dadurch die Wirksamkeit der übrigen Beschlüsse nicht berührt.

Nach dem Inhalt der Akten wurde (entsprechend dem Briefwechsel) die Hälfte der Forderung der H. GmbH tatsächlich bis 31. Dezember 1988 bezahlt und die restliche Schuld von S 5,876.584,-- nachgelassen. Dieser Betrag wurde von der Beschwerdeführerin in den Steuererklärungen zunächst als Sanierungsgewinn behandelt.

Auf Grund eines entsprechenden Vorhaltes wurde vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin in einer Eingabe vom 21. Juni 1990 ausgeführt, die H. GmbH habe in den Jahren ihrer Gesellschafterstellung "Bareinzahlungen" von

S 11,437.294,81 geleistet, um ein Insolvenzverfahren zu verhindern. Diese Bareinzahlungen seien als Einlagen zu behandeln. Im Schreiben vom 4. Mai 1988 seien die Rückzahlungsmodalitäten entsprechend den Gesellschaftsvertragsbestimmungen über die Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens festgehalten worden. Da die Zahlungen der Beschwerdeführerin "wider Erwarten" erfolgen konnten, sei die Verzichtserklärung der H. GmbH wirksam geworden.

Das Finanzamt ging bei der Erlassung des Gewinnfeststellungsbescheides und des Gewerbesteuerbescheides für 1988 davon aus, daß der streitgegenständliche Schuldnachlaß steuerlich nicht zu begünstigen ist. In der Begründung verwies das Finanzamt auf den Umstand, daß das Ausscheiden der H. GmbH in mehreren Vereinbarungen geregelt worden ist. Eine Aufrechnung der wechselseitigen Forderungen zwischen der Beschwerdeführerin und der H. GmbH sei nicht erfolgt.

In der Berufung gegen diese Bescheide wurde beantragt, den Gewinn aus Gewerbebetrieb um den Schuldnachlaß von

S 5,876.584,-- zu kürzen. Bei dem Betrag von S 11,437.294,81 habe es sich um Einlagen der H. GmbH gehandelt. Zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern könne es weder Forderungen noch Schulden geben.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Von einer Einlage könne keine Rede sein, weil im Zeitpunkt des Schuldnachlasses die H. GmbH schon "betriebsfremd" gewesen sei. Die Meinung, bei dem Betrag von S 11,437.294,81 habe es sich um Einlagen gehandelt, entspreche nicht dem Vertragswerk.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen

inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Beurteilung der Frage, ob der in der Zwischenbilanz zum 31. März 1988 ausgewiesene Betrag von S 11,437.294,81 auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Stellung der H. GmbH geleistet wurde, ist zunächst auf die von der Beschwerdeführerin geführten Bücher zu verweisen. Für die Ermittlung des Rechtsgrundes einer Leistung wird dabei der Dokumentation durch den Steuerpflichtigen in seinen Büchern vorerst wesentliche Bedeutung zukommen. So wurde in der Bilanz zum 31. Dezember 1987 unter den Aktiva ein Verrechnungskonto der

H. GmbH ausgewiesen, wobei der Darstellung zu entnehmen ist, daß es durch Einlagen zu einer teilweisen Abdeckung der zugewiesenen Verlustanteile gekommen ist. Demgegenüber wurden nach der Darstellung in der Zwischenbilanz zum 31. März 1988 im Zeitraum 1. Jänner bis 31. März 1988 keine Einlagen auf dem Verrechnungskonto der H. GmbH verbucht. Auf einem Verbindlichkeitenkonto wurde jedoch die in Rede stehende Forderung der H. GmbH in Höhe von S 11,437.294,81 verbucht. Sowohl in der im Korrespondenzweg geschlossenen Vereinbarung vom 4. Mai 1988 wie auch in dem von der Beschwerdeführerin, Kurt R. und einem Vertreter der H. GmbH am 6. Mai 1988 unterfertigten "Gesellschafterbeschluß" war als Rechtsgrund dieser Forderung "Bareinzahlung und (oder) Lieferungen" angegeben. Soweit dabei in der Beschwerde ausgeführt wird, es habe keine Lieferungen an die Beschwerdeführerin gegeben, stellt dies demgegenüber ein vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliches neues Vorbringen dar. In den Vereinbarungen vom

4. bzw. 6. Mai 1988 wird zwischen dem - negativen - Verrechnungskonto der H. GmbH einerseits und der Forderung der

H. GmbH in Höhe von S 11,437.294,81 andererseits unterschieden. Wie von den Abgabenbehörden hervorgehoben worden ist, wurden diese beiden Forderungen nicht gegeneinander aufgerechnet. Vielmehr hat die H. GmbH das aus ihrer Gesellschafterstellung entstandene negative Verrechnungskonto zur Gänze abgedeckt, ohne daß dies Auswirkungen auf die in Rede stehende Gegenforderung hatte. Maßgeblich ist dabei auch die in Punkt 7. des "Gesellschafterbeschlusses" enthaltene Vereinbarung, daß die einzelnen Erklärungen untereinander in keinem Zusammenhang stehen. Daraus ist somit erkennbar, daß die Vertragsparteien trotz des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhanges keine einheitliche Regelung ihrer Beziehungen beabsichtigten. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß der in der Zwischenbilanz zum 31. März 1988 auf einem Verbindlichkeitenkonto ausgewiesene Betrag nicht aus Einlagen der H. GmbH stammte. Dazu kommt noch, daß dieses - trotz des gleichzeitig bestehenden negativen Saldos auf dem Verrechnungskonto - verzinst wurde, ein Umstand, der ebenfalls dagegen spricht, daß es sich bei den Zuführungen zu dem Verbindlichkeitenkonto um Einlagen der H. GmbH handelte.

Zug um Zug mit dem Ausscheiden der H. GmbH aus der beschwerdeführenden Gesellschaft wurden Vereinbarungen über die Stundung und Abwicklung des in Rede stehenden Verbindlichkeitenkontos getroffen. Der im Sinne dieser Vereinbarungen für den streitgegenständlichen Schuldnachlaß auslösende Umstand, nämlich die Bezahlung der Hälfte der Schuld, ereignete sich unbestritten zu einem Zeitpunkt, in dem die H. GmbH nicht mehr Gesellschafterin der Beschwerdeführerin gewesen ist. Dabei war nach dem Inhalt des Vorbringens im Abgabenverfahren zunächst nicht damit zu rechnen gewesen, daß die Beschwerdeführerin überhaupt die Hälfte der Verbindlichkeit aufbringen könnte. Da somit der für den Schuldnachlaß kausale Umstand erst eintrat, als zwischen der Beschwerdeführerin und dem Gläubiger kein Gesellschaftsverhältnis mehr bestand, stellt der Nachlaß keine Einlage, sondern einen steuerlich wirksamen Vorgang dar. Dabei ist auch die Meinung der Beschwerdeführerin, wonach eine vormals als Einlage zu wertende Zahlung nach dem Ausscheiden des Gesellschafters nicht zu einer "Fremdverbindlichkeit" werden könne, unzutreffend, weil davon auszugehen ist, daß mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters eine umfassende vermögensmäßige Auseinandersetzung erfolgt ist.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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