Normen
BAO §184 Abs1;
EStG 1972 §7 Abs1;
BAO §184 Abs1;
EStG 1972 §7 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,- zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines 1925 errichteten Wohngebäudes, aus dem er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Strittig ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens allein die Nutzungsdauer des Wohngebäudes im Sinne des § 7 Abs. 1 EStG 1972. Die belangte Behörde unterstellt in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid eine Gesamtnutzungsdauer von 113 Jahren, während der Beschwerdeführer in der wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde wie im Verwaltungsverfahren (in den Abgabenerklärungen) eine bloß 100-jährige Gesamtnutzungsdauer für gerechtfertigt hält.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß die für die Berechnung der Absetzung für Abnutzung (AfA) maßgebende Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes in der Regel nur geschätzt werden kann. Dies trifft auf Wirtschaftsgüter mit besonders langer Nutzungsdauer, wie es bei Wohngebäuden regelmäßig der Fall ist, im besonderen zu. Zuzustimmen ist der belangten Behörde auch darin, daß für diese Schätzung Erfahrungswerte herangezogen werden können (Hofstätter - Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 7 EStG 1972, Tz 9, S. 14). In Rechnung zu stellen ist allerdings, daß sich bei Wohngebäuden die vom Beschwerdeführer angesetzte 100-jährige Gesamtnutzungsdauer im Rahmen dieser Erfahrungswerte hält (Hofstätter - Reichel, aaO, S. 16, Schubert - Pokorny - Schuch - Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, § 7 Tz 21). Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer zur Erhärtung einer 100-jährigen Gesamtnutzungsdauer das Gutachten eines Baumeisters vorlegte, der auch gerichtlich beeideter Sachverständiger ist. Dieses Gutachten, das der Sachverständige nach persönlichem Augenschein erstellte, nimmt eine Gesamtnutzungsdauer von rund 100 Jahren an. Es ist der belangten Behörde zwar zuzubilligen, daß eine massive Bauweise, wie sie der Sachverständige dem gegenständlichen Wohngebäude bescheinigt, auch die Annahme einer längeren Gesamtnutzungsdauer als 100 Jahre rechtfertigen kann. Diese längere Gesamtnutzungsdauer kann sich aber nicht auf eine bloße Behauptung gründen, wenn der Beschwerdeführer für eine Gesamtnutzungsdauer von 100 Jahren, die sich durchaus im Rahmen der Erfahrungswerte hält, ein auf Augenschein gegründetes sachverständiges Urteil ins Treffen führen konnte und der Unterschied in den Annahmen (113 gegenüber 100 Jahren) kaum die einer Schätzung wesensgemäße Bandbreite überschreitet. Vielmehr wäre in einem solchen Fall die sachverständige Schätzung entweder durch ein anderes, begründetes sachverständiges Urteil (z.B. der Bewertungsstelle des Finanzamtes) zu entkräften oder der Beschwerdeführer wenigstens zu einer Ergänzung des vorgelegten Gutachtens zu verhalten gewesen, worauf der Sachverständige im einzelnen den Ansatz einer bloß 100-jährigen statt einer längeren (113-jährigen) Gesamtnutzungsdauer gründet. Die Auffassung des angefochtenen Bescheides, die Nutzungsdauer von 113 Jahren stehe mit den Richtlinien (den durch Verwaltungspraxis und Rechtsprechung entwickelten Erfahrungswerten) im Einklang, vermag den angefochtenen Bescheid sohin auch unter Bedachtnahme auf die massive Bauweise des Gebäudes nicht zu tragen, zumal auch eine 100-jährige Nutzungsdauer regelmäßig eine massive Bauweise voraussetzt. Auch eine Generalsanierung des Gebäudes rund 57 Jahre nach Errichtung besagt noch nicht, daß dieses 113 und nicht nur 100 Jahre zu nutzen sein wird.
Der Umstand, daß das vorgelegte Gutachten primär für Zwecke der Verkehrswertermittlung erstellt wurde, ändert nichts daran, daß ein Sachverständiger die Nutzungsdauer des Wohngebäudes nach Augenschein schätzte. Daß die Schätzung nicht für steuerliche Zwecke erfolgte, spricht eher für eine "unbefangene" Schätzung.
Die belangte Behörde traf somit ihre Entscheidung nicht in einem mängelfreien Verfahren. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Eine nicht nur kassatorische Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, wie sie der Beschwerdeführer auf S. 6 im vorletzten Absatz der Beschwerde unter lit. a seines Beschwerdeantrages begehrt, ist nach dem VwGG bei Bescheidbeschwerden nicht vorgesehen (siehe insbesondere § 42 Abs. 2 VwGG).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Mit dem dort pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz ist auch die Umsatzsteuer abgegolten. Der angefochtene Bescheid war dem Verwaltungsgerichtshof nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen (§ 28 Abs. 5 VwGG).
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