VwGH 91/10/0127

VwGH91/10/012721.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des F in M, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 10. April 1991, Zl. 16/02-6952/19-1991, betreffend Abänderung eines naturschutzbehördlichen Bescheides, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs7;
NatSchG Slbg 1977 §44 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §64 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs7;
NatSchG Slbg 1977 §44 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (im folgenden: BH) vom 30. November 1979 wurde dem Beschwerdeführer die naturschutzrechtliche Zustimmung zum Torfabbau auf dem Torfstich M erteilt. Punkt 2. der Nebenbestimmungen dieses Bescheides sieht vor, daß der Abbau bis Ende 1990 bis 20 cm unter den mittleren Grundwasserspiegel zu erfolgen habe, wobei an keiner Stelle die Torfschicht völlig abgetragen werden dürfe. Aus Punkt 3. der Nebenbestimmungen geht hervor, daß die in Punkt 2. genannte Frist "bis Ende 1990" der Endzeitpunkt für die Zulässigkeit des Abbaues darstellt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Im Jahre 1990 beantragte der Beschwerdeführer bei der BH, im Bescheid vom 30. November 1979 den Passus "der Abbau hat bis Ende 1990 zu erfolgen" zu streichen. Die BH führte über diesen Antrag am 11. Oktober 1990 eine mündliche Verhandlung durch, zu der der Naturschutzbeauftragte für den Bezirk St. Johann im Pongau als Amtssachverständiger für Naturschutz beigezogen wurde. Dieser verlangte die Einholung eines Gutachtens über die Moorstrategraphie (Großrestanalyse); vor Vorliegen dieses Gutachtens sei eine endgültige Beurteilung des Ansuchens aus fachlicher Sicht nicht seriös und daher nicht vertretbar.

Die BH trug dieser Forderung des Naturschutzbeauftragten nicht Rechnung, sondern behob mit Bescheid vom 12. Dezember 1990 unter Berufung auf § 68 Abs. 2 AVG die in ihrem Bescheid vom 30. November 1979 mit Ende 1990 festgesetzte Befristung des Torfabbaues.

Gegen diesen Bescheid erhob der Naturschutzbeauftragte innerhalb offener Frist Berufung, in der er unter anderem die Nichteinholung des von ihm bei der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 1990 geforderten Gutachtens bemängelte.

Mit Bescheid vom 10. April 1991 gab die belangte Behörde der Berufung Folge und behob den Bescheid der BH vom 12. Dezember 1990.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 68 Abs. 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

Nach § 68 Abs. 7 AVG steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes niemandem ein Anspruch zu.

Der Beschwerdeführer hatte daher keinen Anspruch darauf, daß seinem Antrag auf Aufhebung der Befristung des Torfabbaues Rechnung getragen werde.

Nach § 44 Abs. 3 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 41/1992 hat die Bezirksverwaltungsbehörde dem Naturschutzbeauftragten vor der Erlassung von Bescheiden nach diesem Gesetz oder nach den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen - ausgenommen im Verwaltungsstrafverfahren - Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sie kann den Naturschutzbeauftragten auch zur Erstattung von Gutachten im naturschutzbehördlichen Verfahren heranziehen. Dem Naturschutzbeauftragten sind alle Bescheide zuzustellen, vor deren Erlassung ein Anhörungsrecht bestand. Er kann entsprechend seiner Stellungnahme oder seinem Gutachten im Verfahren gegen solche Bescheide Berufung erheben.

Bescheide, mit denen eine Behörde von der ihr im § 68 Abs. 2 AVG eingeräumten Befugnis Gebrauch macht, weisen sowohl eine verfahrensrechtliche als auch eine materiell-rechtliche Komponente auf. Die verfahrensrechtliche betrifft die (Zulässigkeit der) Beseitigung der rechtskräftigen Sachentscheidung, die materiell-rechtliche die (Neuregelung der) Sache, d.h. die inhaltliche Gestaltung der zu erlassenden neuen Sachentscheidung. § 68 Abs. 2 AVG bietet Maßstab und Grundlage nur für die verfahrensrechtliche Entscheidung; die materiell-rechtliche Komponente muß sich an den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften orientieren (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 663, Anm. 18 zu § 68 AVG).

Durch die Aufhebung der Befristung erfährt der auf dem Salzburger Naturschutzgesetz 1977 beruhende Bescheid der BH vom 30. November 1979 eine Änderung seines Inhaltes. Die Erlassung des Fristaufhebungsbescheides stellt daher (auch) die Erlassung eines Bescheides nach dem Salzburger Naturschutzgesetz 1977 dar; auf diesen Bescheid trafen daher die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977 zu, das heißt, vor der Erlassung dieses Bescheides war dem Naturschutzbeauftragten Gelegenheit zur Stellung zu geben, der Bescheid war ihm zuzustellen und er konnte entsprechend seiner Stellungnahme bzw. seinem Gutachten im Verfahren gegen diesen Bescheid Berufung erheben.

Durch die zulässige Berufung des Naturschutzbeauftragten wurden die Rechtskraft des Fristaufhebungsbescheides und deren Wirkungen hinausgeschoben, sodaß die durch diesen Bescheid ausgesprochenen Rechtswirkungen nicht eintraten. Dies bewirkte, daß die durch die Aufhebung der Befristung von der BH beabsichtigte Rechtsgestaltung, nämlich die Zuerkennung des Rechtes auf unbefristeten Torfabbau, nicht eintrat (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Aufl., Rz 529). Hatte der Beschwerdeführer aber von vornherein auf Grund des § 68 Abs. 7 AVG keinen Anspruch auf eine Aufhebung der Befristung des Torfabbaues und erwuchs ihm ein solches Recht auf Grund der zulässigen Berufung des Naturschutzbeauftragten auch noch nicht aus dem Bescheid vom 12. Dezember 1990, dann wurde er durch die Behebung dieses Bescheides auch nicht in seinen Rechten verletzt.

Diesem Ergebnis steht auch die Aussage im hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1974, Slg. N.F. 8613/A, nicht entgegen, trotz des Umstandes, daß auf ein gemäß § 68 Abs. 2 AVG auszuübendes Abänderungsrecht zufolge § 68 Abs. 7 AVG kein Anspruch bestehe, erwachse der Partei aus einem auf § 68 Abs. 2 gegründeten Bescheid ein durch Berufung und schließlich durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verfolgbares Recht. Diesem Erkenntnis lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit einem auf § 68 Abs. 2 AVG gestützten Bescheid verlängerte die Gewerbebehörde erster Instanz "letztmalig" eine bereits rechtskräftig festgesetzte Frist zur Erfüllung behördlicher Vorschreibungen. Der Bescheidadressat (Gewerbeinhaber) erhob Berufung, um die Streichung des Wortes "letztmalig" zu erreichen. Die Berufungsbehörden nahmen die Berufung zum Anlaß, um die von der Erstbehörde festgesetzte Ausführungsfrist zu Lasten des Berufungswerbers wieder zu verkürzen. Der dagegen angerufene Verwaltungsgerichtshof vertrat die Auffassung, durch die auf Streichung des Wortes "letztmalig" gerichtete Berufung werde die Fristsetzung selbst nicht bekämpft und sei daher nicht Gegenstand der Berufungsentscheidung. Die Aussage, der Partei erwachse aus einem auf § 68 Abs. 2 AVG gegründeten Bescheid ein durch Berufung verfolgbares Recht, bezieht sich daher auf einen Fall, in welchem der auf § 68 Abs. 2 AVG gestützte Bescheid bereits rechtskräftig geworden ist. Gleiches gilt für das hg. Erkenntnis vom 1. April 1947, Slg. N.F. 73/A.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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