VwGH 91/10/0063

VwGH91/10/006325.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden des F in Z, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Tirol 1. (zu Zl. 91/10/0063) vom 10. August 1990, Zl. IIIa2-1374/1 und 2. (zu Zl. 91/10/0064) vom 20. August 1990, Zl. IIIa2-1330/6, jeweils betreffend Übertretungen des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z15;
ForstG 1975 §37 Abs3;
VStG §22 Abs1;
VStG §22;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z15;
ForstG 1975 §37 Abs3;
VStG §22 Abs1;
VStG §22;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 22.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

A.

I. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S vom 3. August 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 31. Mai 1989, am 15. Juni 1989, am 19. Juni 1989 und am 30. Juni 1989 auf den Grundparzellen 701/1, 701/5, 701/10 und 704 der KG R auf den Schonungsflächen im Bereich der N-Alpe entgegen den Bestimmungen des § 37 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 (im folgenden: ForstG) die Waldweide ausgeübt. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG begangen. Es wurden über ihn Arreststrafen in der Dauer von 2 Wochen, 3 Wochen, 4 Wochen und 3 Wochen verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis, welches ihm am 9. August 1989 zugestellt wurde, erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Berufung.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. November 1989 wurde das bekämpfte Straferkenntnis dahingehend abgeändert, daß der Beschwerdeführer durch die ihm angelasteten Taten nur eine einzige Verwaltungsübertretung begangen habe; es wurde über ihn eine Primärarreststrafe in der Dauer von vier Wochen verhängt und er wurde zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von S 1.400,-- verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu hg. Zl. 91/10/0084 protokollierte Beschwerde, über die gesondert entschieden werden wird.

II. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S vom 9. November 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 5. Juli 1989 und am 20. Juli 1989 auf den Grundparzellen 701/1, 704, 701/5, 701/6, 701/10 und 701/11 der KG R auf den Schonungsflächen im Bereich der N-Alpe entgegen den Bestimmungen des § 37 Abs. 3 ForstG die Waldweide ausgeübt. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 leg. cit. begangen. Es wurden zwei Verwaltungsstrafen (Primärarreststrafen in der Dauer von 3 Wochen und von 4 Wochen) verhängt.

Dieses Straferkenntnis wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. August 1990 bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu hg. Zl. 91/10/0064 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. III. Mit Straferkenntnis vom 9. Juli 1990 erkannte die Bezirkshauptmannschaft S den Beschwerdeführer schuldig, er habe am 2. August 1989, am 9. August 1989, am 7. Juni 1990, am 12. Juni 1990 und am 21. Juni 1990 auf der Parzelle 701/1 bzw. 704 der KG R auf den Schonungsflächen im Bereich der N-Alpe entgegen den Bestimmungen des § 37 Abs. 3 ForstG die Waldweide ausgeübt. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG begangen. Es wurde eine Verwaltungsstrafe (Primärarreststrafe in der Dauer von 4 Wochen) verhängt.

Dieses Straferkenntnis wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. August 1990 bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu hg. Zl. 91/10/0063 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Mit Beschluß vom 30. September 1992 hat der Verwaltungsgerichtshof die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 41 Abs. 1 VwGG aufgefordert, sich zu der von ihm vorläufig vertretenen Meinung zu äußern, die belangte Behörde habe ihre Bescheide vom 10. August 1990 und vom 20. August 1990 wegen Verstoßes gegen § 22 VStG mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Sowohl die belangte Behörde als auch der Beschwerdeführer haben sich dieser Auffassung angeschlossen.

B.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 10. August 1990 und vom 20. August 1990 wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat über sie erwogen:

Nach § 22 Abs. 1 VStG sind, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder wenn eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt, die Strafen nebeneinander zu verhängen.

Eine Mehrfachbestrafung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn sich das wiederholte deliktische Verhalten als ein "fortgesetztes Delikt" darstellt. Unter einem fortgesetzten Delikt ist eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Im Fall des fortgesetzten Delikts liegt lediglich EINE selbständig strafbare Handlung vor. Aus dem Wesen einer Straftat als fortgesetzes Delikt folgt, daß die Bestrafung - ungeachtet einer im Spruch des Strafbescheides der Behörde erster Instanz angeführten Tatzeit - alle Einzeltathandlungen bis zu der mit der Zustellung erfolgten Fällung des Straferkenntnisses erster Instanz erfaßt und daher wegen solcher Einzeltathandlungen nicht neuerlich gegen denselben Täter eine Strafe verhängt werden darf (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Jänner 1984, Zl. 83/04/0137 und vom 27. Juni 1980, Slg. NF 10186/A u.a.).

Der - zur Erlassung des Straferkenntnisses vom 9. November 1989 führenden - Anzeige vom 20. Juli 1989 ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer soviel Vieh auf die Alm getrieben hat, daß ohne die tägliche Beweidung der Aufforstung die Tiere an Futtermangel leiden würden. In der dem Straferkenntnis vom 9. Juli 1990 zugrunde liegenden Anzeige der Bezirksforstinspektion Y vom 13. Juni 1990 heißt es, der Beschwerdeführer sei nach wie vor nicht annähernd gewillt, von einer ständigen Beweidung der Bannwaldflächen Abstand zu nehmen; solange der Beschwerdeführer als Miteigentümer der N-Alpe für das aufgetriebene Fremdvieh verantwortlich sei, müßten sich die Anzeigen wegen unerlaubter Beweidung der Aufforstungsflächen täglich wiederholen. Daraus ist zu schließen, daß es sich bei den einzelnen Beweidungen nicht um isolierte, unzusammenhängende Einzeltaten handelt, sondern daß diese im Rahmen eines jedenfalls den Almbewirtschaftungszeitraum umfassenden Gesamtkonzeptes des Beschwerdeführers stattgefunden haben. Von einem Fortsetzungszusammenhang ist im Ergebnis auch die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 10. August 1991 ausgegangen. Allerdings fehlt es in der Begründung dieses Bescheides an jeglichem Anhaltspunkt dafür, warum nach Meinung der belangten Behörde dieser Fortsetzungszusammenhang nicht nur die in der Beweidungsperiode 1989 gesetzten Einzelhandlungen umfaßt, sondern auch jene im Jahr 1990, obwohl zwischen der letzten Einzelhandlung im Jahr 1989 und der ersten in der Beweidungsperiode 1990 ein Zeitraum von ca. 10 Monaten liegt.

Mit den Bescheiden der belangten Behörde vom 10. August 1990 und vom 20. August 1990 wurden dem Beschwerdeführer Übertretungen nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 (iVm § 37 Abs. 3) ForstG zur Last gelegt, wobei als Tatzeit unter anderem der 5. Juli 1989, der 20. Juli 1989, der 2. August 1989 und der 9. August 1989 der Bestrafung zugrunde gelegt wurden. Diese Tatzeitpunkte aber liegen innerhalb jenes Zeitraumes, der von dem am 9. August 1989 zugestellten erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 3. August 1989 erfaßt wird. Durch die nochmalige Erfassung dieser Zeitpunkte hat die belangte Behörde gegen den Grundsatz des Verbotes der Doppelbestrafung verstoßen.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde auch mit der Frage des Fortsetzungszusammenhanges zwischen den Einzelhandlungen des Beschwerdeführers im Jahr 1989 und jenen im Jahr 1990 auseinanderzusetzen haben. Mangelte es an einem solchen Fortsetzungszusammenhang, dann stellten zwar die Einzelhandlungen im Jahr 1990 ein als eine einzige Übertretung zu verfolgendes fortgesetztes Begehungsdelikt dar, das aber gesondert von dem aus den Einzelhandlungen des Jahres 1989 gebildeten Fortsetzungsdelikt zu ahnden war.

Aus den dargelegten Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der nach ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand auch die auf Grund des hg. Beschlusses vom 30. September 1992 erstatteten Äußerungen abgegolten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1984, Zl. 82/02/0254 u.a.).

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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