VwGH 91/09/0201

VwGH91/09/020120.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Disziplinarvorgesetzten (Kommandant des Landwehrstammregiments n1) vom 1. Juli 1991, Zl. 3519-3170/10/91, betreffend Verhängung einer Ersatzgeldstrafe nach dem Heeresdisziplinargesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56 impl;
AVG §56;
AVG §58 Abs1 impl;
AVG §66 Abs4;
BAO §92 Abs1;
BAO §93 Abs2;
HDG 1985 §63 Abs1;
AVG §56 impl;
AVG §56;
AVG §58 Abs1 impl;
AVG §66 Abs4;
BAO §92 Abs1;
BAO §93 Abs2;
HDG 1985 §63 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hatte im maßgebenden Zeitpunkt seinen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer geleistet. Er war Soldat iSd § 1 Abs. 2 Z. 1 des Heeresdisziplinargesetzes 1985, BGBl. Nr. 294 (HDG). Seine Dienststelle war das Landwehrstammregiment n1 in X.

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte der Einheitskommandant der 2. Kompanie des Landwehrstammregiments n1 den Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis vom 26. März 1991 schuldig gesprochen, er hätte am 20. März 1991 um 18.05 Uhr auf Grund seiner eigenen Unachtsamkeit auf der Bahnhofstraße bei der "B-Kreuzung" B-K einen Verkehrsunfall verursacht und dadurch grob fahrlässig einen Sachschaden am Heereskraftfahrzeug in Höhe von 50.000 S verursacht. Dadurch hätte er gegen § 3 der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV, Wachsamkeit, Pflege und Schonung von Heeresgut) sowie gegen "den Bestimmungen des Heereskraftfahrdienst" verstoßen und eine Pflichtverletzung gemäß § 2 Abs. 1 HDG begangen. Über den Beschwerdeführer war unter Berufung auf § 44 HDG die Disziplinarstrafe des Ausgangsverbotes im Ausmaß von sechs Tagen verhängt worden. Anstelle des voraussichtlich nicht vollstreckbaren Teiles dieser Disziplinarstrafe war gemäß § 47 Abs. 2 leg. cit. eine Ersatzgeldstrafe in Höhe von 816 S verhängt worden. Zur Begründung war nach einer näheren Darstellung des Verkehrsunfalles ausgeführt worden, für die Strafbemessung seien grobe Fahrlässigkeit und Unachtsamkeit ausschlaggebend gewesen. Als mildernd seien das bisherige dienstliche Verhalten sowie das Geständnis des Beschwerdeführers bewertet worden. Da eine Vollstreckung des Ausgangsverbotes unter Einhaltung der Berufungsfrist zur Gänze nicht möglich sei, trete an dessen Stelle "zur Gänze die Ersatzgeldstrafe in der Dauer von sechs Tagen".

Der Dienstvorgesetzte (Kommandant des Landwehrstammregiments n1) als Disziplinarbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 1. Juli 1991 - nachdem er dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs mit Schriftsatz vom 13. Mai 1991 eröffnet hatte, daß das im Berufungswege bekämpfte Disziplinarerkenntnis vom 26. März 1991 "wegen mangelhafter Tatsachenfeststellung und falscher Formulierung der Verschuldensform gemäß § 63 Abs. 1 HDG aufgehoben wird" - der Berufung des Beschwerdeführers, in der er die Annahme des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung bekämpfte, keine Folge und bestätigte die verhängte Ersatzgeldstrafe in Höhe von 816 S. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens, soweit für die Beschwerde von Relevanz, ausgeführt, gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 HDG seien Soldaten wegen Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten disziplinär zur Verantwortung zu ziehen. Das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis sei lediglich auf Grund mangelhafter Tatsachenfeststellung und falscher Formulierung der Verschuldensform aufgehoben worden. Es gebe jedoch keine Gründe, eine schuldhafte Handlung im Zusammenhang mit dem streitverfangenen Verkehrsunfall anzuzweifeln. Auf Grund eines an der Einmündung der Straßenkreuzung aufgestellten "negativen" Vorrangzeichens habe sich das von links auf der Vorrangstraße kommende Privatfahrzeug gegenüber dem Militärfahrzeug eindeutig im Vorrang befunden. Es liege daher der Schluß nahe, daß trotz angeblich vorsichtiger Annäherung an die Kreuzung und anderer Maßnahmen wie - Einlegen des nächstniedrigen Ganges, rechts und links blicken - das vom Beschwerdeführer gelenkte Heereskraftfahrzeug noch immer eine zu hohe Geschwindigkeit gehabt habe, um noch vor der Auffahrt auf die Vorrangstraße angehalten zu werden, wodurch das Kraftfahrzeug auf das gegenüberliegende Straßenbankett geraten und umgekippt sei. Dadurch habe auf eine Pflichtverletzung erkannt werden müssen, weil das Unfallereignis eingetreten sei. Die unkorrekte Feststellung der Schadenshöhe habe keinen Einfluß auf die disziplinäre Würdigung der Pflichtverletzung, die darin erblickt werden müsse, daß die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung, die Pflichten im Sinne der Vorschrift "Heereskraftfahrdienst" seien, nicht in vollem Umfang eingehalten worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird. Der Beschwerdeführer hat repliziert.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z. 1 HDG einer Dienstpflichtverletzung für schuldig erkannt zu werden. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes im wesentlichen vor, seines Erachtens könne der streitverfangene Unfall keine Verletzung der ihm im Präsenzstand auferlegten Pflichten darstellen. Hätte die belangte Behörde die Bestimmung des § 2 Abs. 4 HDG richtig angewendet, so hätte sie zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß der ihm unterlaufene Aufmerksamkeitsfehler in keiner Weise disziplinär zu verfolgen sei. Als Präsenzdiener werde ihm der im Straßenverkehr unterlaufene Aufmerksamkeitsfehler zu Unrecht als schuldhafter Verstoß gegen seine ihm im Präsenzstand auferlegten Pflichten angelastet.

Der Beschwerde kommt im Ergebnis schon aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Seitens des belangten Disziplinarvorgesetzten (Kommandant des Landwehrstammregiments n1) wurde im Berufungsverfahren am 13. Mai 1991 folgendes Schreiben an den Beschwerdeführer gerichtet:

"Aufgrund Ihrer in offener Frist eingebrachten Berufung gegen das Disziplinarerkenntnis des Kommandanten der

  1. 2. AusbKp/LWSR n1, Olt J G, wird festgestellt:
  2. 1. Das Disziplinarerkenntnis vom 26 03 91, Zl. 569-3170/91, wird wegen mangelhafter Tatsachenfeststellung und falscher Formulierung der Verschuldensform gemäß § 63 Abs 1 HDG aufgehoben.
  3. 2. Die Erhebungen, warum es zum gegenständlichen Verkehrsunfall gekommen ist, haben ergeben:"

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, VwSlg. 9458/A, ausgesprochen hat, ist auch dann, wenn aus einer Erledigung eindeutig ihre Normativität erkennbar ist, "die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid ... nicht in jedem Falle entbehrlich. Verwaltungsbehörden (im organisatorischen Sinn) können auch rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben, wobei aus dem Inhalt der Erklärung noch nicht eindeutig geschlossen werden kann, ob es sich darum um rechtsverbindliche Anordnungen im Bereich des öffentlichen Rechtes handelt. Ferner sind behördliche Erledigungen nicht nur in Bescheidform zu erlassen (z.B. Verfahrensanordnungen, Dienstaufträge oder organisatorische Maßnahmen). In jedem Fall, in dem der Inhalt einer behördlichen Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen läßt, ist die ausdrückliche Bezeichnung essentiell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nicht wesentlich. Dabei ist an eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab anzulegen.

Das oben wiedergegebene Schreiben des belangten Disziplinarvorgesetzten ist zwar nicht als Bescheid bezeichnet, jedoch ist es, was seinen Inhalt anlangt, die als ein Akt der obrigkeitlichen, also einseitig anordnenden (heteronomen), Normerlassung der Hoheitsverwaltung anzusehen. Es enthält die unmißverständliche Erklärung des Disziplinarvorgesetzten, daß das Disziplinarerkenntnis vom 26. März 1991 "gemäß § 63 Abs. 1 HDG aufgehoben wird". Der Inhalt dieses Ausspruches zeigt, daß der belangte Disziplinarvorgesetzte eine bescheidförmige Aufhebung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses intendiert hat. Der oben wörtlich wiedergegebene Ausspruch des Disziplinarvorgesetzten vom 13. Mai 1991 stellt daher einen bescheidmäßigen Abspruch über die Berufung des Beschwerdeführers dar.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß der bescheidmäßige Abspruch vom 13. Mai 1991 der in Streit stehenden Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers und Bestätigung der verhängten Ersatzgeldstrafe in Höhe von 816 S rechtens wegen bereits entschiedener Sache entgegensteht und die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gegeben ist. Dieser war daher, ohne daß auf das sonstige Beschwerdevorbringen näher einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens war ein Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entbehrlich.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, weil bereits die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens iSd § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft im Hinblick auf die gesetzliche Kostenpauschalierung den in der Verordnung geregelten Schriftsatzaufwand und den für Umsatzsteuer geltend gemachten Betrag.

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