VwGH 91/09/0196

VwGH91/09/019620.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde der N-GmbH in XY, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 4. September 1991, Zl. IVc 7022/7300 B, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens nach dem Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz (BSchEG), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z2;
BArbSchlwEntschG;
IESG;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1992:1991090196.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluß des Kreisgerichtes vom 19. Dezember 1983 war über das Vermögen der Beschwerdeführerin das Ausgleichsverfahren eröffnet worden, in dessen Rahmen von der Beschwerdeführerin auch Bevorschussungen des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds für die Monate Dezember 1983 bis März 1984 in Anspruch genommen wurden. So wurden auf diesem Wege auch Schlechtwetterentschädigungen an Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin ausbezahlt.

Mit drei Bescheiden vom 4. Oktober 1984 wurde die Beschwerdeführerin für den Abrechnungszeitraum Dezember 1983 zur Rückzahlung von Schlechtwetterentschädigungen in der Höhe von S 30.917,74, S 13.738,34 und S 21.886,53 verpflichtet; mit vier weiteren Bescheiden vom selben Tag wurden Anträge der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung von Schlechtwetterentschädigungen für die Monate Jänner bis März 1984 in der Höhe von S 30.630,16, S 39.312,54, S 14.910,64 und S 16.531,39 abgelehnt. Alle diese sieben Bescheide des Arbeitsamtes wurden damit begründet, daß während der von ihnen umfaßten Zeit Zahlungen an die Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin nicht von dieser, sondern vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds nach den Bestimmungen des IESG geleistet worden waren. Diese sieben Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen.

Unbestritten ist ferner, daß in der Folge die vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geleisteten Vorschüsse gegenüber der Beschwerdeführerin geltend gemacht und von dieser zur Gänze abgedeckt wurden.

Diese Rückzahlung an den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds nahm die Beschwerdeführerin zum Anlaß eines am 22. Feber 1991 an das Arbeitsamt gerichteten Wiederaufnahmsantrages. Mit der vollständigen Bezahlung der Forderung des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds durch die Beschwerdeführerin habe sich der den sieben Bescheiden vom 4. Oktober 1984 zugrunde gelegte Sachverhalt entscheidend geändert; diese Bescheide basierten somit auf einer Grundlage, die zwischenzeitig weggefallen sei.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 2. Mai 1991 "mangels Vorliegens des geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes" ab. Begründend vertrat das Arbeitsamt die Auffassung, daß sich der Sachverhalt durch die Rückzahlung der vom Fonds geleisteten Beträge nicht derart entscheidend geändert habe, daß einer der Wiederaufnahmsgründe des § 69 AVG vorliegen würde. Ein als Wiederaufnahmsgrund geeigneter Umstand müsse nämlich zumindest geeignet sein, eine vom ursprünglichen Bescheid abweichende Sachentscheidung zu tragen. Dem Umstand der Rückzahlung komme aber eine derartige Eignung nicht zu, da die von der Beschwerdeführerin an den Fonds geleisteten Zahlungen in keiner Weise dem Entgeltbegriff des § 6 Abs. 2 BSchEG gleichzuhalten seien.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, daß die Rückzahlung von Schlechtwetterentschädigung durch den Dienstgeber an den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds den Übergang der Legitimation zur Erhebung von Erstattungsanträgen an das Arbeitsamt bewirkt habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. September 1991 hat die belangte Behörde dieser Berufung gemäß den §§ 69 und 70 AVG keine Folge gegeben. Nach Darstellung der einschlägigen Gesetzesstellen und des bisherigen Verfahrensablaufes führte die belangte Behörde dazu begründend aus, daß die Refundierung aller Forderungen durch die Beschwerdeführerin an den Fonds keine Entgeltzahlung darstelle. Sie begründe somit auch keinen Rückerstattungsanspruch nach dem BSchEG. Es müsse daher auch das Vorliegen eines die begehrte Wiederaufnahme rechtfertigenden Neuerungstatbestandes im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG verneint werden, zumal ja keine neuen Tatsachen und Beweismittel aufgetaucht seien, sondern die Ausgleichsschuldnerin einfach ihren aus der Insolvenz erfließenden Verpflichtungen nachgekommen sei. Da der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund nicht vorgelegen sei, habe die belangte Behörde auf nähere Ausführungen hinsichtlich der Verfristung des gestellten Antrages gemäß § 69 Abs. 2 und 3 AVG verzichten können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens verletzt und macht geltend, "daß mit der endgültigen Abstattung der auf den Fonds übergegangenen Entgeltsforderungen der Arbeitnehmer, Zahlung im Sinn des § 6 BSchEG erfolgt ist, sodaß klarerweise mit diesem Zeitpunkt die Legitimation eingetreten ist, auch hinsichtlich dieser Zeiträume Erstattungsanträge zu stellen, für welche vom Fonds Bevorschussungen geleistet wurden".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens ist, daß es sich nicht um einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung von ihren Dienstnehmern gewährter Schlechtwetterentschädigung (§ 8 Abs. 1 BSchEG) handelt, sondern vielmehr um den Antrag auf Wiederaufnahme diesbezüglicher bereits mit rechtskräftigen Bescheiden abgeschlossener Verfahren.

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht gemäß § 69 Abs. 4 AVG der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.

Den im Beschwerdefall eingeschrittenen Verwaltungsbehörden ist im Ergebnis darin Recht zu geben, daß - abgesehen von der hier nicht näher geprüften Frage, ob der Wiederaufnahmsantrag überhaupt innerhalb der Fristen des § 69 Abs. 2 AVG gestellt wurde - von der Beschwerdeführerin ein als Wiederaufnahmsgrund geeigneter Umstand nicht geltend gemacht worden ist.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag ausschließlich auf den Umstand gestützt, daß sich der Sachverhalt dadurch geändert habe, daß sie - nach Rechtskraft der eingangs genannten sieben Bescheide vom 4. Oktober 1984 - dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds alle von diesem bevorschußten Leistungen, also auch die Schlechtwetterentschädigungen, ersetzt habe. Dieser als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachte Umstand läßt sich offensichtlich weder der Z. 1 noch der Z. 3 des § 69 Abs. 1 AVG zuordnen.

Aber auch der Wiederaufnahmsgrund nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG liegt nicht vor. Es muß sich nämlich bei den dort genannten Tatsachen oder Beweismitteln um neu hervorgekommene, d.h. um solche handeln, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden. Die neuen Tatsachen müssen die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (nova reperta). Neue Beweismittel dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die zu beweisende Tatsache im abgeschlossenen Verfahren geltend gemacht wurde, die in Rede stehenden Beweismittel aber erst nach Abschluß des Verfahrens hervorgekommen sind. Neu entstandene Tatsachen (nova causa superveniens), also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluß des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhaltes die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheides nicht entgegensteht (vgl. zu diesen Ausführungen Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 660 und 698; Hauer-Leukauf, Handbuch4, S. 604; Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, S. 588 f; Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren I8, S. 373 und 394; sowie die dort jeweils zitierte Judikatur).

Auf Grund dieser klaren Rechtslage konnte die Beschwerdeführerin mit ihrem Wiederaufnahmsantrag keinesfalls durchdringen. Sie ist daher durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt worden, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des mit S 2.760,-- bezifferten Antrages auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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