VwGH 91/09/0026

VwGH91/09/00266.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 8. Jänner 1991, Zl. 645.209/1-5a/91, betreffend Opferfürsorge (Rückersatz zu Unrecht erbrachter Leistungen), zu Recht erkannt:

Normen

KOVG 1957 §53;
KOVG 1957 §54;
OFG §11 Abs4;
OFG §11 Abs8;
KOVG 1957 §53;
KOVG 1957 §54;
OFG §11 Abs4;
OFG §11 Abs8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juli 1990 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. März 1985 bis zum 30. November 1989 einen Übergenuß an Unterhaltsrente nach dem Opferfürsorgegesetz (OFG) in der Höhe von S 257.866,-- bezogen hat. Eine von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1991, Zl. 90/09/0134, als unbegründet abgewiesen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen kann zur Vorgeschichte dieses Übergenusses auf dieses den Verfahrensparteien bekannte Erkenntnis verwiesen werden.

Im Anschluß an den genannten Bescheid vom 4. Juli 1990 stellte der Landeshauptmann von Wien (LH) mit Bescheid vom 25. Juli 1990 fest, daß der durch Verschulden der Beschwerdeführerin und mangels eines gutgläubigen Empfanges entstandene Übergenuß in der Höhe von S 257.866,-- gemäß § 54 Abs. 1 und 3 KOVG 1957 von der Beschwerdeführerin zurückzuzahlen sei. Von der Hereinbringung des Übergenusses könne nicht gemäß § 54 Abs. 4 KOVG 1957 abgesehen werden. Der Übergenuß sei in monatlichen Raten von S 1.000,-- ab 1. Oktober 1990 durch Aufrechnung mit der laufenden Opferrente abzudecken. Diesen Bescheid begründete der LH im wesentlichen damit, daß die Beschwerdeführerin durch den Verkauf einer Liegenschaft einen Erlös von S 1,327.064,-- erzielt und eine andere Liegenschaft unentgeltlich abgegeben habe, wodurch ihr Lebensunterhalt ausreichend gesichert gewesen wäre, ohne daß ein Anspruch auf Unterhaltsrente nach dem OFG bestanden hätte.

Der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 1991 keine Folge. Sie bestätigte vielmehr den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß der Übergenuß durch Aufrechnung mit der vollen Opferrente und der Zulage gemäß § 11 Abs. 2 OFG einbehalten und der Beginn der Aufrechnung mit dem 1. Februar 1991 festgesetzt wurde. Ausgehend von den auch im Bereich des OFG anzuwendenden §§ 53 und 54 KOVG 1957 führte die belangte Behörde begründend aus, das Verschulden der Beschwerdeführerin am Bezug der ungebührlichen Leistungen stehe fest, weil sie - wie bereits im Bescheid vom 4. Juli 1990 festgestellt worden sei - ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen sei und die zu Unrecht empfangenen Unterhaltsleistungen durch falsche Angaben bei ihrer Einvernahme am 6. August 1986 erschlichen habe. Infolge dieses Verschuldens sei auch erwiesen, daß die Beschwerdeführerin den Übergenuß nicht im guten Glauben empfangen habe. Die im Berufungsverfahren durchgeführten Erhebungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin bzw. über eine allfällige Unbilligkeit der Aufrechnung hätten ergeben, daß die Beschwerdeführerin laut Strafurteil vom 20. April 1989 (betrügerische Krida und schwerer Betrug) in den Jahren 1983 bis 1985 eine Villa und eine Liegenschaft im Gesamtwert von S 3,8 Millionen veräußert habe, wovon sie mehr als S 2,4 Millionen an ihre Kinder verschenkt habe; ferner habe sie in betrügerischer Weise weitere Schäden von mehr als S 800.000,-- verursacht. Derzeit beziehe die Beschwerdeführerin zufolge eines am 17. Jänner 1990 beim Exekutionsgericht Wien abgelegten Offenbarungseides und zufolge den Erhebungen der belangten Behörde neben den Opferfürsorge-Leistungen eine Alterspension der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft von monatlich S 3.983,-- brutto; im November 1990 habe sich daraus ein der Beschwerdeführerin zugeflossener und das Existenzminimum nach dem Lohnpfändungsgesetz übersteigender Nettoauszahlungsbetrag von S 3.712,90 ergeben. Da das Existenzminimum somit aus dem Pensionsbezug seitens der genannten Sozialversicherungsanstalt gesichert sei, sei eine Aufrechnung der zu Unrecht empfangenen Leistungen mit der vollen Opferrente und der Zulage gemäß § 11 Abs. 2 OFG auf Grund der sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin möglich. Diese Aufrechnung könne weiters im Hinblick auf die Höhe des Übergenusses und die sonstigen Schulden der Beschwerdeführerin auch nicht als unbillig bezeichnet werden. Es könne nicht als Zweck und Aufgabe der Opferfürsorgeleistungen angesehen werden, im Falle einer durch strafrechtlich geahndete Aktivitäten herbeigeführten Kürzung des Einkommens dem Täter das Existenzminimum überschreitende Einkünfte zu garantieren. Auch hätte die Beschwerdeführerin, wenn sie ihr Vermögen ordentlich bewirtschaftet hätte, nicht nur ihre Schulden bezahlen, sondern aus den Zinsen auch ein angemessenes Einkommen beziehen können. Im Hinblick auf das gesicherte Einkommen der Beschwerdeführerin aus ihrer sozialversicherungsrechtlichen Rente und auf die Höhe der strafrechtlich geahndeten Vermögensverschleuderungen sowie die Anhäufung immenser Schuldensummen könne weiters die angeordnete Aufrechnung auch keine besondere Härte darstellen, weshalb von § 54 Abs. 4 KOVG 1957 nicht Gebrauch gemacht worden sei. Dies gelte umso mehr, als der Beschwerdeführerin bereits einmal mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Februar 1987 ein Übergenuß in der Höhe von s 63.448,-- gemäß § 54 Abs. 4 KOVG 1957 nachgesehen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Auszahlung der Versorgungsrente nach dem OFG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 4 OFG sind Opfer- und Hinterbliebenenrente nach den jeweils für die Entschädigung der Kriegsopfer geltenden Grundsätzen und Bestimmungen und im Ausmaß der für die Kriegsopfer vorgesehenen Vergütungen zu leisten; gemäß § 11 Abs. 8 OFG gelten die Vorschriften des Abs. 4 für die Leistung der Unterhaltsrente, der Beihilfen und der Zulagen im übrigen sinngemäß. Diese Anwendung der Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957) auf die Rentenfürsorge nach dem OFG bedingt notwendigerweise auch die Mitanwendung der die Versorgungsmaßnahmen des KOVG 1957 betreffenden allgemeinen Bestimmungen, soweit ihnen nicht Anordnungen des OFG entgegenstehen, also auch die Anwendung der §§ 53 und 54 KOVG 1957 über die Anzeige- und Ersatzpflicht (siehe dazu Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1959, Zl. 1378/57, sowie vom 17. Jänner 1991, Zl. 90/09/0134).

Gemäß § 54 Abs. 1 KOVG 1957 sind zu Unrecht empfangene Rentenbezüge und sonstige Geldleistungen einschließlich eines von einem Träger der Krankenversicherung für Rechnung des Bundes gezahlten Kranken- und Familiengeldes dem Bund zu ersetzen. Sie dürfen jedoch nur für einen Zeitraum von drei Jahren, gerechnet vom Ersten des Monates an, in dem die Behörde (§ 78) von dem Neubemessungs- oder Einstellungsgrund Kenntnis erlangt hat, zum Rückersatz vorgeschrieben werden, sofern die Leistungen nicht durch eine Handlung im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. a AVG herbeigeführt worden sind. Trifft den Empfänger an der Ungebührlichkeit dieser Leistung kein Verschulden und ist die Leistung von diesem im guten Glauben empfangen worden, so tritt keine Verpflichtung zum Rückersatz ein.

Der Ersatz zu Unrecht empfangener Rentenbezüge und sonstiger Geldleistungen ist gemäß dem ersten Satz des § 54 Abs. 2 KOVG 1957 durch Aufrechnung zu bewirken. Ist die sofortige Hereinbringung durch Aufrechnung oder Rückzahlung auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ersatzpflichtigen nicht möglich oder nach der Lage des Falles unbillig, so ist gemäß dem dritten Satz des § 54 Abs. 2 KOVG 1957 die Forderung zu stunden oder die Abstattung in Raten zu bewilligen. Wenn die Verpflichtung zum Ersatz des Schadensbetrages eine besondere Härte bedeuten würde, oder wenn das Verfahren zur Schadloshaltung des Bundes mit Kosten oder Weiterungen verbunden wäre, die in keinem Verhältnis zum Schadensbetrage stehen würden, dann kann gemäß § 54 Abs. 4 KOVG 1957 von der Hereinbringung abgesehen werden.

§ 69 Abs. 1 Z. 1 AVG läßt eine Wiederaufnahme des Verfahrens unter bestimmten formellen Voraussetzungen dann zu, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.

Im Beschwerdefall steht fest, daß die Beschwerdeführerin den schon mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juli 1990 rechtskräftig festgestellten Übergenuß an Opferfürsorge-Leistungen dadurch schuldhaft bzw. durch Handlungen im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG herbeigeführt hat, daß sie ihr Vermögen verschleudert bzw. verschenkt und nicht zu einer daraus möglichen Einkommenserzielung herangezogen hat. Offenbar bereits unter Bedachtnahme auf die strafrechtliche Vorgeschichte wird in der Beschwerde auch gar nicht behaupet, die Beschwerdeführerin sei beim Empfang der Rentenleistungen guten Glaubens gewesen. Die Beschwerdeführerin gesteht in ihrer Beschwerde ausdrücklich zu, Schenkungen an ihre Kinder gemacht zu haben, bzw. nicht unbeträchtliche Beträge dafür aufgewendet zu haben, sich durch drei Jahre hindurch als "U-Boot" der strafgerichtlichen Verfolgung zu entziehen.

Die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zum Rückersatz des festgestellten Übergenusses wird in der Beschwerde nur deshalb als gesetzwidrig bekämpft, weil die belangte Behörde

1.) das der Beschwerdeführerin zustehende Existenzminimum falsch berechnet und 2.) außer acht gelassen habe, daß die sofortige Hereinbringung mit Rücksicht auf die persönliche und wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin unbillig sei.

Dem ersten Einwand ist aus rechtlicher Sicht zu erwidern, daß es nicht Aufgabe der belangten Behörde ist, der Beschwerdeführerin im Wege des Rückersatzbescheides das exekutionsrechtliche Existenzminimum zu sichern; die Beschwerdeführerin wird auf dessen Sicherung vielmehr in den gegen sie laufenden Exekutionsverfahren zu dringen haben. Zum zweiten Einwand ist einerseits zu sagen, daß die in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen eine finanzielle Bedachtnahme auf dem Rückersatzverpflichteten zugestoßene private Schicksalsschläge nicht vorsehen; was anderseits die derzeitige wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin (§ 54 Abs. 2 KOVG 1957) bzw. das Vorliegen einer mit dem Rückersatz verbundenen besonderen Härte (§ 54 Abs. 4 KOVG 1957) betrifft, muß der neuerliche Hinweis darauf genügen, daß die Beschwerdeführerin diese Situation durch ihr eigenes, sogar strafrechtlich relevantes Verschulden herbeigeführt hat. Die belangte Behörde hat daher auch dadurch nicht das Gesetz verletzt, daß sie die "strafrechtlich geahndeten Aktivitäten" der Beschwerdeführerin als Hindernis dafür ansah, von einer Hereinbringung des Übergenusses auf die im angefochtenen Bescheid vorgesehene Art und Weise Abstand zu nehmen.

Die somit unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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