Normen
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z3;
AgrVG §2 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art12 Abs2;
FlVfGG §4 Abs2;
FlVfLG NÖ 1975 §17;
FlVfLG NÖ 1975 §19;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z3;
AgrVG §2 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art12 Abs2;
FlVfGG §4 Abs2;
FlVfLG NÖ 1975 §17;
FlVfLG NÖ 1975 §19;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zusammenlegungsverfahren Z wurde von der Niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde (ABB) der Zusammenlegungsplan durch Auflage in der Zeit vom 3. bis zum 17. November 1987 erlassen.
Dieser Zusammenlegungsplan wurde u.a. von der nunmehrigen Beschwerdeführerin mit Berufung angefochten. Diese Berufung wurde von der ABB mit Verfügung vom 11. Dezember 1987 dem Landesagrarsenat beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (LAS) vorgelegt. Im Verfahren vor dem LAS brachte die Beschwerdeführerin zur Untermauerung ihres Rechtsmittels am 6. Juni 1990 ein von Univ.Doz.Dipl.Ing.Dr. K verfaßtes Gutachten über die einzelbetrieblichen Auswirkungen der Zusammenlegung Z auf ihren Betrieb ein. Eine vom LAS für den 19. Juni 1990 anberaumte mündliche Verhandlung wurde mit Verfügung vom 7. Juni 1990 abberaumt. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1990 teilte der Vertreter der Beschwerdeführerin dem LAS mit, daß die Beschwerdeführerin nicht länger bereit sei, auf eine Äußerung des Amtssachverständigen zum vorgelegten Privatgutachten zu warten; sie habe daher bei der nunmehr belangten Behörde einen Devolutionsantrag eingebracht.
Diesem Antrag gab die belangte Behörde nach Einholung einer Stellungnahme des LAS mit Bescheid vom 27. Februar 1991 statt, womit die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin auf die belangte Behörde überging. Begründend führte die belangte Behörde dazu im wesentlichen aus, ein Verschulden der Partei an der Verzögerung der Entscheidung liege offensichtlich nicht vor. Mit Rücksicht auf die Vorlage des Privatgutachtens an den LAS am 6. Juni 1990 sei die sechsmonatige Frist für die Devolution, selbst ab diesem Tage gerechnet, bereits abgelaufen. Ein gesetzliches oder unüberwindbares Hindernis, welches die Verzögerung der Entscheidung gerechtfertigt hätte, habe nicht festgestellt werden können; der Erledigung seien vielmehr nur innerorganisatorische Gründe beim LAS entgegengestanden.
Im Berufungsverfahren wurde von der belangten Behörde am 16. April 1991 eine Verhandlung durch entsandte Senatsmitglieder an Ort und Stelle in Z abgehalten, bei welcher die Einwände der Beschwerdeführerin überprüft wurden, ohne daß jedoch das (vom LAS irrtümlich der belangten Partei nicht vorgelegte) Privatgutachten Dris. B zur Sprache kam. In den Akten der belangten Behörde findet sich noch eine (offenbar dem Parteiengehör nicht unterzogene) "Stellungnahme der Abteilung II B 8" zur Abfindung der Beschwerdeführerin. In einer abschließenden Verhandlung am 5. Juni 1991 wurde gemäß dem Protokoll "der Gegenstand gemäß § 10 AgrVG 1950 eingehend erörtert".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Juni 1991 wurde
"... der Berufung ... gemäß § 1 AgrVG 1950, § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 19 Abs. 2 FLG, LGBl. 6650-2, zum Teil stattgegeben und der Berufungswerberin für das Abfindungsgrundstück 701 ein Wertabschlag von S 9.732,-- zuerkannt."
In der Begründung des angefochtenen Bescheides setzte sich die belangte Behörde nach einer Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen mit dem Berufungsvorbringen im einzelnen auseinander, ohne daß dabei allerdings das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Privatgutachten erwähnt wurde. Zusammenfassend kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß die Gesamtabfindung der Beschwerdeführerin gesetzmäßig erfolgt sei, sodaß insoweit die Berufung als unbegründet abzuweisen gewesen sei. Berechtigt sei aber die Mängelrüge hinsichtlich des Abfindungsgrundstückes 701, welches mehrere Böschungen aufweise. Die der Beschwerdeführerin daraus erwachsenden Nachteile seien mit einem Wertabschlag zu berücksichtigen, weshalb eine einmalige Abschlagszahlung an die Beschwerdeführerin anzuordnen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher sie insbesondere das Verfahren als mangelhaft und nicht MRK-konform rügte und u.a. auch auf das von ihr vorgelegte (und nicht weiter berücksichtigte) Privatgutachten verwies. Die Behandlung dieser Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 7. Oktober 1991 abgelehnt; die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ihr Vorbringen in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde in erster Linie Verfahrensmängel geltend. Eine eingehende Erörterung und eine substantielle Auseinandersetzung mit ihrem Berufungsvorbringen sei unterblieben. Durch den angefochtenen Bescheid sei eine gesetzmäßige Abfindung der Beschwerdeführerin nicht bewirkt worden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (vorerst unvollständig) vorgelegt und hat in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes wurde die Aktenvorlage durch Anschluß der fehlenden Stücke des erstinstanzlichen Verfahrens ergänzt. In den vorgelegten Akten war allerdings das bereits wiederholt erwähnte Privatgutachten Dris. B nicht enthalten. Dieses Gutachten hat sich allerdings in der Folge beim LAS gefunden, welcher es am 31. August 1994 mit folgendem Hinweis dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt hat:
"In der Beilage legen wir das von der (damaligen) Berufungswerberin M bei unserer Behörde eingebrachte Privatgutachten Dris. B vor. Dieses Gutachten war irrtümlich vom agrartechnischen Mitglied des Senates in seinem Zimmer abgelegt worden; aus diesem Grund unterblieb bedauerlicherweise auch die Vorlage des Gutachtens an den Obersten Agrarsenat."
Dieser Vorgang wurde von keiner Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Zweifel gezogen oder bestritten; der Verwaltungsgerichtshof hatte daher davon auszugehen, daß das Privatgutachten weder im Verfahren vor dem LAS noch im Verfahren vor der belangten Behörde inhaltlich Berücksichtigung gefunden hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 37 AVG ist es Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 1 AgrVG 1950 findet das AVG mit Ausnahme des § 78 in den Angelegenheiten der Bodenreform für die Agrarbehörden (Agrarbezirksbehörden, Ämter der Landesregierungen, Agrarsenate) mit den im nachfolgenden angeführten Änderungen und Ergänzungen Anwendung. Nach § 9 Abs. 1 AgrVG 1950 entscheiden die Agrarsenate (mit den in Abs. 2 angeführten Ausnahmen) nach mündlicher Verhandlung unter Zuziehung der Parteien. Der Verhandlung ist gemäß § 10 Abs. 1 AgrVG der von der unteren Instanz festgestellte und von der oberen Instanz nötigenfalls ergänzte Sachverhalt zugrunde zu legen. Der weitere Gang der Verhandlung ist in § 10 AgrVG 1950 geregelt.
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde im Devolutionswege an die Stelle des LAS als Berufungsinstanz getreten. Sie war dafür auch zuständig, weil der Instanzenzug nach § 7 Abs. 2 Z. 3 Agrarbehördengesetz hinsichtlich der Frage der Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Zusammenlegung oder Flurbereinigung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke gegebenenfalls beim Obersten Agrarsenat endet (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1989, Slg. 8891, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juli 1978, Zlen. 2615/77, 290/78).
Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde sei zum angefochtenen Bescheid auf Grund eines mangelhaften Verfahrens gelangt, erweist sich nach dem Gesagten schon deshalb als zutreffend, weil die belangte Behörde in dem von ihr an Stelle des LAS durchzuführenden Berufungsverfahren auf das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Privatgutachten nicht Bedacht genommen und es daher auch weder in der Verhandlung noch im angefochtenen Bescheid erörtert hat. Die Beschwerdeführerin ist mit diesem Privatgutachten der Beurteilung des Falles durch die Amtssachverständigen auf der gleichen fachlichen Ebene entgegengetreten und hatte Anspruch darauf, daß dieses Beweismittel bei der Beurteilung der Gesetzmäßigkeit ihrer Abfindung Berücksichtigung zu finden hatte.
Bei dieser Sach- und Rechtslage war es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in der Sache zu prüfen, ob und inwieweit eine Berücksichtigung des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachtens allenfalls zu einer anderen Beurteilung der Abfindung der Beschwerdeführerin zu führen hat. Die belangte Behörde verfügte zwar durch einen dem LAS unterlaufenen Manipulationsfehler über kein Exemplar dieses Privatgutachtens, sie hatte aber, wie ihrer Entscheidung über den Devolutionsantrag vom 27. Februar 1991 zu entnehmen ist, Kenntnis davon, daß ein solches Privatgutachten erstattet worden war, stellte doch gerade das Vorliegen dieses Gutachtens den Grund dar, auf den sich der LAS zur Erklärung seiner Säumigkeit berufen hat.
Für die Beurteilung dieser Verfahrenslage in Richtung einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG reichte es aus, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des unterlaufenen Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Beschwerde war deshalb im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift des VwGG stattzugeben, wobei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG von der Abhaltung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof Abstand genommen werden konnte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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