VwGH 91/07/0001

VwGH91/07/000129.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger, als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über den Antrag 1.) der Wassergenossenschaft N, vertreten durch ihren Obmann A, 2.) des P, 3.) des Q, 4.) des A, 5.) des RT, 6.) der ST und 7.) des U, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. November 1990, Zl. 512.409/06-I 5/90 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X), den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird stattgegeben.

Begründung

Die Beschwerdeführer beantragen mit ihrer am 4. Jänner 1991 zur Post gegebenen Eingabe die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde, welche sie gleichzeitig nachholten. Zur Begründung des Antrages wird ausgeführt, die bereits als verläßlich bewährte Kanzleikraft V des Rechtsanwaltes der Beschwerdeführer habe als Fristablauf zur Beschwerdeerhebung gegen den am 12. November 1990 zugestellten angefochtenen Bescheid im Handakt den 24. Dezember 1990 in Vormerk genommen, was auch mit Rechtsanwalt Dr. W besprochen und von diesem gutgeheißen worden sei. Als "Vorfrist" für die Bearbeitung der Beschwerde sei der 20. Dezember 1990 vorgesehen worden. Diese Vorfrist habe Frau V in der Folge in den Terminkalender eingetragen; bei der Eintragung des letzten Tages der Frist, des 24. Dezember 1990, in den Terminkalender habe sie jedoch bemerkt, daß mit diesem Tag die Gerichtsferien beginnen würden. Sie habe nun in der irrigen Meinung, es handle sich auch hier um eine den Gerichtsferien unterliegende Rechtssache, die Vorfrist 20. Dezember 1990 wieder durchgestrichen und als Vorfrist den 3. Jänner 1991 eingetragen. Als letzten Tag der Frist habe sie aus demselben Irrtum heraus eigenmächtig den 7. Jänner 1991 im Terminkalender vorgesehen. Dadurch sei der Akt dem Rechtsanwalt erst am 3. Jänner 1991 wieder vorgelegt und erst an diesem Tag das Versehen erkannt worden. Der der sonst verläßlichen Kanzleikraft unterlaufene Gedankenfehler habe trotz ausreichender Überwachung nicht vermieden werden können. Ein derartiger Fehler könne gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen, wobei zu bedenken sei, daß V erst kurze Zeit zuvor einen Kurs über Fristen besucht habe und dabei durch die herrschende Vielfalt möglicherweise verwirrt worden sei. Andererseits habe sie den Fehler im Zuge des Strebens nach einer gewissen Selbständigkeit ihrer Tätigkeit gemacht.

Dieses Vorbringen haben die Beschwerdeführer durch die Vorlage urkundlicher Belege, insbesondere von Kopien aus dem Terminkalender, und durch Vorlage eidesstättiger Erklärungen des Dr. W und der V bescheinigt.

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich dabei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Das Versehen eines Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Anwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Ein Verschulden trifft den Rechtsanwalt - und damit die Partei selbst - jedenfalls dann nicht, wenn sich zeigt, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht hat, ohne daß ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzugetreten wäre (vgl. dazu den Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1988, Slg. 12742/A).

Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund der vorliegenden Bescheinigungsmittel davon aus, daß es zu der Fristversäumung im vorliegenden Fall auf die Weise gekommen ist, die im Wiedereinsetzungsantrag beschrieben worden ist. Demnach war der Fristablauf mit 24. Dezember 1990 mit Rechtsanwalt Dr. W besprochen und von diesem als zutreffend erkannt worden. Nichtsdestoweniger hat die Kanzleiangestellte ohne neuerliche Rücksprache diesen Termin aus einem Rechtsirrtum heraus eigenmächtig auf den 7. Jänner 1991 verschoben und so in den Terminkalender eingetragen.

Die Fristversäumung ist bei dieser Sachlage auf ein für die Beschwerdeführer unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis zurückzuführen. Es war daher dem gemäß § 46 Abs. 2 VwGG rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben.

Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren gemäß § 46 Abs. 5 VwGG in jene Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Beschwerde wird daher als rechtzeitig zu behandeln sein; darüber wird eine das Beschwerdeverfahren selbst betreffende Verfügung gesondert ergehen.

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