VwGH 91/06/0191

VwGH91/06/019113.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des K in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Stmk LReg vom 13.9.1991, Zl. 03-12 Le 88 - 91/5, betreffend Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. L und 2. I in Z, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in G, 3. Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs4;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §2 Abs1;
BauO Stmk 1968 §2;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litg idF 1991/041;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lith idF 1991/041;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 liti;
VwGG §34 Abs1;
AVG §62 Abs4;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §2 Abs1;
BauO Stmk 1968 §2;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litg idF 1991/041;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lith idF 1991/041;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 liti;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 25. Jänner 1990 beantragten die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die Erteilung einer Widmungs- und einer Baubewilligung zur Errichtung eines Hotelneubaues samt Garagen und PKW-Abstellflächen auf dem Grundstück Nr. 772/18 der KG X. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde hat über dieses Ansuchen für den 19. Februar 1990 eine Bauverhandlung und eine Widmungsverhandlung anberaumt, zu der auch der Beschwerdeführer als Nachbar unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nicht rechtzeitig erhobener Einwendungen im Sinne des § 42 AVG geladen wurde.

Bei dieser Bauverhandlung erhob der Beschwerdeführer Einwendungen und zwar, daß die Ladung zur Widmungs- und zur Bauverhandlung nur das Grundstück Nr. 772/18 betreffe, nicht aber das in der Darlegung des Verfahrensgegenstandes genannte Grundstück Nr. 772/9. Der Grundeigentümer dieses Grundstückes, das Land Steiermark, sei nicht ordnungsgemäß vertreten. Das verhandlungsgegenständliche Grundstück 772/9 existiere laut Auszug des Grundstücksverzeichnisses des Vermessungsamtes ebensowenig wie es im Grundbuch vorhanden sei. Eine Überprüfung des Grenzverlaufes "dieser Grundstücke" (nämlich 772/18 bzw. 772/9) sei nicht möglich. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Grundteilung und deren rechtskräftige vermessungsbehördliche Genehmigung sei keine Vorfrage, welche von der Baubehörde zu entscheiden sei, sondern eine Voraussetzung für die Einleitung und Durchführung des Widmungs- und Baubewilligungsverfahrens. Da eine rechtskräftige Vermessung noch nicht vorliege und daher im Lageplan noch nicht enthalten sein könne, lägen die Voraussetzungen für die Durchführung des Verfahrens derzeit nicht vor. Überdies habe der Beschwerdeführer Einwendungen gegen den im Gemeindeamt aufgelegten Entwurf eines "neuen Flächenwidmungsplanes" hinsichtlich der Liegenschaft Nr. 772/9 erstattet, worüber noch kein Gemeinderatsbeschluß gefaßt worden sei. Die Kosten einer durch die Bauführung notwendigen Wegverlegung zwischen der Liegenschaft des Beschwerdeführers und dem Grundstück Nr. 772/18 seien auch dann von den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien zu übernehmen, wenn die notwendige Wegverlegung auf dem Grundstück des Beschwerdeführers durchgeführt werden müsse. Ferner werde eingewendet, daß die Anzahl der vorgesehenen Autoabstellplätze im Hinblick auf die Zimmeranzahl des Neubaues im Zusammenhalt mit der Zimmeranzahl des Altbestandes gemäß § 4 der Garagenordnung 1979 zu gering sei. (Weitere Einwendungen des Beschwerdeführers betreffen andere, in der vorliegenden Beschwerde nicht mehr berührte Umstände). Mit Bescheid vom 4. September 1990 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die beantragte Widmungsbewilligung unter zahlreichen Auflagen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, welche mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. Dezember 1990 abgewiesen wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Diese Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 1991 als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid vom 12. Juni 1991 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die beantragte Baubewilligung unter zahlreichen Bedingungen und Auflagen. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden "ab- bzw. zurückgewiesen", hinsichtlich der strittigen Grundgrenze und der Verlegung des Gehweges wurden sie auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, worin er neuerlich vorbrachte, daß eine Baubewilligung sich auf ein rechtlich nicht existentes Grundstück nicht beziehen dürfe, daß die Widmung "Kurgebiet" nicht eingehalten würde, und im Bauverfahren zu Unrecht Auflagen und Bedingungen erteilt worden seien; statt der Erteilung von Auflagen und Bedingungen hätte die Behörde den Antrag auf Erteilung der Baubewilligung abweisen müssen. Hinsichtlich "seines Wegerechtes" sei der Beschwerdeführer nicht auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden, sodaß auch in diesem Punkt der Bescheid gesetzwidrig sei. Die Abstandsvorschriften seien im Hinblick auf die Höhe des geplanten Bauwerkes nicht eingehalten; auch eine vorgesehene Stützmauer befinde sich im Abstand zur Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers. Die geplante Tiefgarage verstoße gegen die Abstandsvorschrift des § 4 der Steiermärkischen Bauordnung (weitere Berufungseinwände sind für das Beschwerdeverfahren ohne Bedeutung).

Mit Bescheid vom 15. Juli 1991 wurde die Berufung des Beschwerdeführers vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde abgewiesen, der Spruch des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides jedoch dahingehend abgeändert, daß die Baubewilligung für den Hotelneubau, der zugehörigen Nebenanlagen, Garage und PKW-Abstellflächen für die Grundstücke "Nr. 729/9 teilweise, 772/11 teilweise, 772/12 teilweise und 772/13 teilweise (neu 772/18) erteilt" würden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, worin die Spruchänderung als Beeinträchtigung der dem Beschwerdeführer zukommenden Nachbarrechte gerügt und die bisherigen Einwendungen im wesentlichen wiederholt werden. Eine Grundstücksnummer 729/9 existiere nicht und es liege für ein solches Grundstück auch keine Widmungsbewilligung vor.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 1991 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Zur Rüge des Beschwerdeführers hinsichtlich der von der Berufungsbehörde vorgenommenen Spruchänderung führte die belangte Behörde begründend aus, daß im vorliegenden Fall sowohl dem Widmungs- als auch dem Bauakt zweifelsfrei entnommen werden könne, daß die Grundstücke Nr. 772/9, 772/11, 772/12 und 772/13 das neue Grundstück Nr. 772/18 bilden sollten. Wenn daher im Berufungsbescheid anstelle des Grundstückes 772/9 unrichtigerweise die Grundstücksnummer 729/9 angeführt werde, so stelle dies eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit dar, die eine berichtigende Auslegung des Bescheides durch die Aufsichtsbehörde rechtfertige. Dies umso mehr, da man der Behörde nicht unterstellen könne, sie habe eine Baubewilligung für ein nicht gewidmetes Grundstück erteilen wollen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, uva.).

Im Beschwerdefall ist die Steiermärkische Bauordnung (BO) LGBl. Nr. 149/1968 in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1991, LGBl. Nr. 42/1991, maßgebend, weil diese Novelle mit Ablauf des 28. Juni 1991 in Kraft getreten ist und daher - jedenfalls - von der Berufungsbehörde bei Erlassung des Bescheides vom 15. Juli 1991 (in Ermangelung anderslautender Übergangsbestimmungen) anzuwenden gewesen ist.

Gemäß § 61 Abs. 2 BO (diese Bestimmung wurde allerdings durch die Novelle LGBl. Nr. 42/1991 nicht berührt) kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbar dienen. Die Bestimmungen, auf welche diese Voraussetzung zutrifft, sind in den lit. a bis k des § 61 Abs. 2 BO taxativ aufgezählt.

Der Beschwerdeführer wiederholt in seiner Beschwerde zunächst seine bereits in der Vorstellung erhobene Einwendung, die Berufungsbehörde habe eines der die Bauliegenschaft bildenden Grundstücke mit der (nicht existenten) Nummer 729/9 bezeichnet (während die Grundstückbezeichnung richtig 772/9 lautet). Überdies sei das Grundstück Nr. 772/18 (welches nach der Aktenlage aus Teilen anderer Grundstücke, darunter auch Grundstück Nr. 772/9 gebildet werden soll) rechtlich nicht existent.

Aus den Darlegungen des Beschwerdeführers sowohl im Verwaltungsverfahren als auch auch in der vorliegenden Beschwerde ist ersichtlich, daß beim Beschwerdeführer kein Zweifel darüber besteht, auf welcher Grundfläche das Projekt der erst- und zweitmitbeteiligten Partei verwirklicht werden soll und wie dieses Projekt - plangemäß - zu den Grundgrenzen des Beschwerdeführers situiert ist. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, daß ihm der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor der Baubehörde erster Instanz unbekannt geblieben ist. Es kann daher auf sich beruhen, ob (wie der Beschwerdeführer behauptet) der Nachweis eines Grundstückes im Sinne des Vermessungsgesetzes, BGBl. Nr. 306/1968 idF BGBl. Nr. 480/1980 im Sinne des § 2 Abs. 1 BO vorliegt, weil § 61 Abs. 2 BO dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht in dieser Hinsicht nicht einräumt. Hinsichtlich der Fehlbezeichnung eines Teilgrundstückes durch die Berufungsbehörde (729/9 statt 772/9) hat die belangte Behörde zu Recht u.a. auf das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1990, Zl. 89/06/0104, verwiesen, in welchem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, daß ein offenkundiger Schreibfehler im Spruch eines Bescheides, der im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG berichtigungsfähig ist, auch ohne Vorliegen eines Berichtigungsbescheides im berichtigten Sinne zu lesen ist, sofern - wie hier - eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Grundstück nicht besteht. Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, ist ein Grundstück mit der Nummer 729/9 in der Katastralgemeinde der mitbeteiligten Gemeinde nicht existent, sodaß aus der Fehlbezeichnung durch die Berufungsbehörde eine Verwechslungsgefahr nicht entstanden sein konnte. Aus den erwähnten Gründen erübrigt sich eine Erörterung der weitwendigen Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Frage, ob eine Baubewilligung auf dem nach Auffassung des Beschwerdeführers "rechtlich nicht existierenden" Grundstück Nr. 772/18 bzw. auf den dieses (künftige) Grundstück bildenden Grundstücksflächen erteilt werden durfte.

Soweit der Beschwerdeführer die Nichteinhaltung der Abstandsflächen zu seiner Grundgrenze geltend macht, ist darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer in der mündlichen Bauverhandlung Einwendungen in dieser Richtung nicht erhoben hat. Der Beschwerdeführer hat zwar in der mündlichen Bauverhandlung seine in der Widmungsverhandlung erhobenen Einwendungen durch Verweisung auf diese wiederholt, jedoch findet sich auch in jenen Einwendungen kein Hinweis darauf, daß sich der Beschwerdeführer gegen die Nichteinhaltung von Abstandsvorschriften gewendet hätte. Mit diesen Einwendungen ist der Beschwerdeführer daher im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG präkludiert. Durch eine allfällige Fehlbeurteilung dieser Frage im angefochtenen Bescheid wäre der Beschwerdeführer daher nicht in seinen Rechten verletzt, weil es der belangten Behörde verwehrt gewesen wäre, selbst bei Zutreffen der Einwände des Beschwerdeführers eine darin allenfalls liegende Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides aufzugreifen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, Slg. Nr. 10317/A); auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist daher ebenfalls nicht näher einzugehen.

Schließlich rügt der Beschwerdeführer die Auffassung der belangten Behörde, daß ihm ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Einhaltung der Widmungskategorie "Kurgebiet" bzw. "Erholungsgebiet" nicht zukomme.

Gemäß § 23 Abs. 5 lit. g und h des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 41/1991, enthalten die dort umschriebenen Widmungskategorien "Kurgebiet" bzw. "Erholungsgebiet" (als Sonderwidmung im Bauland) keine spezifischen Regelungen über zulässige Immissionen. Da gemäß § 61 Abs. 2 lit. b BO ein Nachbarrecht auf Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan nur insoweit besteht, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist, hat die belangte Behörde zu Recht ausgesprochen, daß dem Beschwerdeführer ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung einer der genannten Widmungskategorien nicht zukommt.

Da sohin Rechte des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen der im Beschwerdeverfahren noch geltend gemachten Beschwerdepunkte nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Zufolge der sachlichen Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den mit ihr verbundenen Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1989.

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