VwGH 91/02/0120

VwGH91/02/012029.1.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen die in einer Ausfertigung ergangenen Bescheide 1. des LH von NÖ, 2. der NÖ LReg, jeweils vom 13.8.1991, Zl. I/7-St-D-9132, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Übertretungen zu 1. des Kraftfahrgesetzes 1967, zu 2. der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Beschwerde gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Erstbehörde wurde der Beschwerdeführer

unter anderem schuldig erkannt, er habe am 20. August 1988 um

0.30 Uhr als Lenker eines Pkws ... c) bei der Anhaltung an

einem bestimmten Ort in Wiener Neudorf den Zulassungsschein

nicht mitgeführt und d) um 0.50 Uhr auf einem bestimmten

Gendarmerieposten die Vornahme eines Alko-Testes gegenüber den

von der Behörde ermächtigten Organen der Straßenaufsicht trotz

Aufforderung verweigert, obwohl habe vermutet werden können,

daß er das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten

Zustand gelenkt habe. Er habe hiedurch eine

Verwaltungsübertretung nach "... § 102/5b des

Kraftfahrgesetzes 1967 zu c) § 99/1b der

Straßenverkehrsordnung 1960 zu d) begangen". Es wurden

Geldstrafen von "... S 200,-- zu c) S 11.000,-- zu d) zusammen

S ..." (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Hiegegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, wobei er auf die Rückseite der ihm zugestellten Ausfertigung des Straferkenntnisses schrieb: "Ich berufe den Punkt c) im Straferkenntnis, da ich den Alkotest nicht verweigert habe (Alkomat)."

Diese Berufung wurde als unzulässig zurückgewiesen, wobei zu Punkt c) des Straferkenntnisses für den Landeshauptmann, zu Punkt d) für die Landesregierung gefertigt wurde.

Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zweifelhaft könnte zunächst sein, wem die Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers zuzurechnen ist. Aus der alternativen Bescheidbegründung in Verbindung mit den beiden Fertigungsklauseln ergibt sich, daß die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden sollte, sei sie nun gegen den Punkt c) oder den Punkt d) des Straferkenntnisses gerichtet. Es ist daher - obwohl vor der spruchmäßigen Zurückweisung ausgeführt wurde, es werde über eine Berufung gegen Punkt c) des Straferkenntnisses entschieden - davon auszugehen, daß sowohl der Landeshauptmann als auch die Landesregierung einen Bescheid erlassen hat; dies in einer gemeinsamen Ausfertigung.

ZUM BESCHEID DES LANDESHAUPTMANNES:

Gemäß der auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und (abgesehen vom Fall einer mündlichen Berufung; vgl. § 51 Abs. 3 VStG) einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Der Berufung des Beschwerdeführers ist hinreichend deutlich zu entnehmen, daß sie sich gegen die Bestrafung wegen Verweigerung eines "Alkotests" richtet; mit dieser Erledigung der Erstbehörde war der Beschwerdeführer nicht einverstanden, wenn er auch - offenkundig versehentlich - den Punkt c), statt richtig den Punkt d) des Straferkenntnisses zitiert hat. Anzumerken ist, daß dieses Versehen durch die eingangs wiedergegebene Art der Bezeichnung der übertretenen Normen und der Strafen im Straferkenntnis - ohne Beistriche und unter Hintansetzung des jeweiligen Punktes (Buchstabens) - begünstigt wurde.

Der belangte Landeshauptmann hat nun über eine Berufung gegen Punkt c) entschieden, obwohl das erstinstanzliche Straferkenntnis nach dem vom Gerichtshof für maßgeblich erachteten Verständnis insoweit gar nicht angefochten wurde. Er hat hiedurch seinen Bescheid mit Rechtswidrigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG belastet (vgl. die Judikaturhinweise in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 585), weshalb dieser Bescheid aufzuheben war.

ZUM BESCHEID DER LANDESREGIERUNG:

Zur Frage des Erfordernisses eines "begründeten Berufungsantrages" ist die Rechtsprechung von der Erwägung ausgegangen, daß ein begründeter Antrag dann vorliegt, wenn die Eingabe erkennen läßt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt, selbst wenn die Begründung nicht als stichhaltig anzusehen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0150). Die Berufung des Beschwerdeführers entsprach diesen Anforderungen nicht, weil sie sich in der Negation des Schuldspruches erschöpfte. Daraus war aber nicht zu erkennen, womit der Beschwerdeführer seinen Standpunkt vertreten zu können glaubte (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1991, Zl. 91/02/0016).

Die Beschwerdeausführungen, die Rechtsmittelbelehrung der Erstbehörde hätte keine Angaben darüber enthalten, daß ein Berufungsantrag erforderlich sei, gehen ins Leere, weil die Berufung des Beschwerdeführers nicht wegen Fehlens eines solchen Antrages, sondern wegen unzureichender Begründung zurückgewiesen wurde. Daß Berufungen zu begründen sind, war in der Rechtsmittelbelehrung aber enthalten. Der Mangel der Berufungsbegründung war damit aber kein bloßes Formgebrechen, das die Behörde zur amtswegigen Behebung gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu veranlassen hätte, sondern ein Mangel des vom Gesetz geforderten Inhaltes, weshalb die Berufungsbehörde - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - keinen Verbesserungsauftrag erteilen mußte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1990, Zl. 90/02/0146).

Schließlich war die belangte Landesregierung im Falle einer Zurückweisung der Berufung wegen Unzulässigkeit auch nicht verpflichtet, sich mit der Aussage des Beschwerdeführers vom 10. Februar 1989 auseinanderzusetzen. Die Verfahrensergebnisse wären von der Berufungsbehörde nur dann zu würdigen gewesen, wenn der Beschwerdeführer seine Berufung ordnungsgemäß begründet hätte.

Die Beschwerde gegen den Bescheid der Landesregierung erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Dem Land Niederösterreich konnten Kosten nicht zugesprochen werden, da die Landesregierung keinen Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz einbrachte (§ 59 Abs. 1 VwGG).

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