VwGH 91/01/0162

VwGH91/01/016218.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des P D in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juli 1991, Zl. 4.292.297/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein bulgarischer Staatsbürger, reiste am 8. Februar 1990 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 9. Februar 1990 Asylantrag. Bei seiner niederschriftlichen Befragung am 21. Februar 1990 gab er vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich im wesentlichen folgendes an:

Er habe in Bulgarien weder einer militärischen Organisation noch einer politischen Partei angehört. Er gehöre keiner Minderheit an und sei weder wegen seiner Rasse noch sonst verfolgt worden. Er habe aber seine Religion nicht frei ausüben können. Im März 1989 seien in Sofia "Paten" in Farbe fotokopiert und verteilt worden, worin der Tod Todor Schivkovs dargestellt gewesen sei. Auf Grund dieser Handlungen seien Fotokopien verboten worden, das heißt, es habe kein Kopierpapier zu kaufen gegeben. Der Beschwerdeführer habe mit diesem Vorfall nichts zu tun gehabt.

Er sei aber sehr religiös und habe zum Osterfest (April 1989) Fotokopien rein religiösen Inhalts hergestellt. Es seien Leute begrüßt und zum Lesen der Bibel aufgefordert worden. Das Kopierpapier dafür habe der Beschwerdeführer gestohlen. In diesen Vorfall seien noch weitere fünf Personen involviert gewesen. Zusammen mit diesen sei der Beschwerdeführer wegen Verbreitung der Kopien festgenommen, zur Bezirksverwaltung gebracht, dort drei Tage lang festgehalten und geschlagen worden; sichtbare Verletzungen habe er aber nicht davongetragen. Die Verhafteten hätten dann eine Erklärung unterschreiben müssen, keine Flugblätter mehr zu kopieren und zu verbreiten, und seien gegen eine Kaution von 300 Lewa enthaftet worden. Im September 1989 sei einer aus der in Haft genommenen Gruppe, NN, auf unbekannte Weise zu Tode gekommen. Er sei in Rousse aufgefunden worden. Seither habe der Beschwerdeführer um sein Leben Angst. Der Beschwerdeführer besitze einen am 16. November 1989 ausgestellten bulgarischen Reisepaß für westliche Länder, jedoch keinen Sichtvermerk für Österreich.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Dezember 1990 wurde daraufhin gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 (AsylG) festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung, er hätte bei seiner Vernehmung glaubhaft dargetan, aus religiösen Gründen verfolgt worden zu sein. Die erstinstanzliche Behörde habe ihren Bescheid nicht nur nicht ordnungsgemäß begründet, sondern sei darüber hinaus von Anfang an nicht gewillt gewesen, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, weil sich auf Seite 1 der Niederschrift vom 21. Februar 1990 ein mit 22. Februar 1990 datierter Vermerk befinde, daß die Erlassung eines negativen Bescheides beabsichtigt sei. Dies allein indiziere die Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Zur Begründung führt sie nach Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Befragung sowie der einschlägigen Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention im wesentlichen folgendes aus:

Der Beschwerdeführer habe im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Er habe ausgeführt, der bulgarisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft angehört zu haben und auf Grund seiner Religion verfolgt worden zu sein. Sein diesbezügliches Vorbringen erscheine unglaubwürdig, zumal die bulgarische Verfassung die Glaubensfreiheit gewährleiste und vor allem die bulgarisch-orthodoxe Kirche seit 1953 staatlich anerkannt sei. Die bloße Vermutung, mit den Behörden in Konflikt kommen zu können, ohne jedoch ein schlüssiges Motiv dafür zu haben, könne nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen.

Die Begründung des im Wege eines Vordruckes hergestellten erstinstanzlichen Bescheides sei zwar knapp, jedoch ausreichend. Die Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich sei präzise und ausführlich durchgeführt worden. Die Vollständigkeit des Protokolls sei nicht zu bezweifeln gewesen. Da die erstinstanzliche Befragung das zentrale Entscheidungskriterium bilde, sei die erstinstanzliche Behörde auch in der Lage gewesen, sich bereits am Tage der Einvernahme des Beschwerdeführers von der Glaubwürdigkeit seiner Asylgründe ein Bild zu machen. Im übrigen hätte der Beschwerdeführer bis zur Erlassung des Bescheides durch die Sicherheitsdirektion für Wien zehn Monate lang die Möglichkeit gehabt, zusätzliche Angaben zu machen. Der Vorwurf, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft, entbehre sohin jeder Grundlage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, "in eventu wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes". Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 AsylG ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Artikel 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Artikel 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Insoweit sich der Beschwerdeführer zunächst gegen den von ihm als "marginal" bezeichneten Begründungsteil des angefochtenen Bescheides wendet und daraus eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften abzuleiten sucht, ist ihm zwar zuzugeben, daß sich die belangte Behörde nicht im einzelnen mit allen Aspekten der Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Befragung vom 21. Februar 1990 auseinandergesetzt hat. Im Ergebnis ist daraus für den Beschwerdeführer aber nichts zu gewinnen, weil folgendes zu beachten ist:

Wie schon die belangte Behörde richtig zum Ausdruck brachte, sind im Asylverfahren die ersten Angaben, die ein Asylwerber macht, die wesentliche Erkenntnisquelle. Folgt man aber den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, so ergibt sich daraus, daß die von ihm behauptete dreitägige Haft, verbunden mit einer Mißhandlung (die ohne weitere Folge blieb), nicht isoliert nur im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer behaupteten religiösen Aktivität gesehen werden muß, sondern auch im Konnex mit einem allgemein kriminellen Verhalten des Beschwerdeführers, nämlich mit dem von ihm selbst zugegebenen Diebstahl von Kopierpapier. Damit aber bestehen bereits erhebliche Zweifel an einer aus Gründen der Religion erfolgten Verfolgung des Beschwerdeführers in Gestalt der oben geschilderten behördlichen Maßnahmen. Noch verstärkt werden diese Zweifel dadurch, daß der Beschwerdeführer den behaupteten Tod eines der seinerzeit zusammen mit ihm Inhaftierten selbst nur als "auf unbekannte Weise" eingetreten bezeichnet und mit keinem Wort in konkrete Verbindung mit den religiösen Aktivitäten der Gruppe bringt. Im Ergebnis hat daher die belangte Behörde zu Recht die vom Beschwerdeführer behauptete und für eine Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention erforderliche wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus religiösen Gründen für nicht glaubhaft erachtet.

Im Hinblick darauf, daß die belangte Behörde ohnehin die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Befragung vom 21. Februar 1990 erkennbar zur Grundlage ihrer Entscheidung machte, bedurfte es auch keiner weiteren Ermittlungsakte, zumal der Beschwerdeführer selbst in seiner Berufung keinerlei neue Fakten behauptete.

Darauf, daß der Beschwerdeführer in seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde die Vorgangsweise der erstinstanzlichen Behörde rügt, bereits einen Tag nach seiner niederschriftlichen Befragung eine abweisliche Entscheidung in Aussicht genommen und dadurch ihre Ermittlungspflicht vernachläßigt zu haben, braucht nicht weiter eingegangen zu werden, weil - wenn überhaupt - darin nur ein Verfahrensfehler der ersten Instanz, nicht aber der belangten Behörde gelegen wäre. Im übrigen ist auch in diesem Zusammenhang der belangten Behörde beizutreten, wenn sie meint, daß auch die erstinstanzliche Behörde auf Grund der Angaben des Asylwerbers bereits am Tage der Einvernahme in der Lage gewesen sei, sich ein Bild von der Glaubwürdigkeit der behaupteten Asylgründe zu machen.

Insoferne schließlich der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde hätte von ihm einen konkreten Beweis seiner Fluchtgründe anstatt der genügenden Bescheinigung verlangt, ist ihm zu entgegenen, daß derartiges der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen ist.

Die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt daher nicht vor.

Ausgehend von den niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Erstbefragung, die, wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, zentrale Erkenntnisquelle im Asylverfahren sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1990, Zl. 90/01/0133 u.v.a.), erweist sich auch die Rechtsrüge des Beschwerdeführers, wie oben schon dargelegt als unzutreffend. Davon, daß im Zusammenhang mit seinen religiösen Aktivitäten die Lebensgrundlage des Beschwerdeführers, wie er es jetzt drastisch darzutun sucht, "massiv bedroht" gewesen wäre, kann überhaupt keine Rede sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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