VwGH 91/01/0136

VwGH91/01/013616.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Metin K in K, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1991, Zl. 4.291.112/3-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 14. Jänner 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. Jänner 1990 Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 5. März 1990 führte der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrages aus, als Kurden und "Aleviten" seien er und seine Familie in der Türkei verfolgt worden. Im Jahre 1986 sei eine Polizeistation von Angehörigen der "Partizan" überfallen worden. In der Folge sei der Beschwerdeführer bei der Polizei der Tat beschuldigt und festgenommen, aber nach drei Tagen wieder entlassen worden. In seinem Hause sei eine Hausdurchsuchung vorgenommen worden; er und seine Familie seien mißhandelt worden. Seit dem Jahre 1986 sei er nicht mehr in Haft gewesen. Sein Vater hätte ihm empfohlen, nach Österreich auszureisen. Daraufhin habe er einen Reisepaß beantragt und diesen ohne Probleme erhalten. Er sei deshalb ausgereist, da Kurden in der Türkei keine Rechte hätten und er auch keine beruflichen Perspektiven gesehen hätte.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Mai 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung berufen, er sei wegen seiner kurdischen Abstammung inhaftiert gewesen; er habe Angst zurückzukehren, da die Kurden in der Türkei ständig gefoltert und mißhandelt würden.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es liege in der Natur der Sache, daß in Anwendungsfällen der angeführten Konventionsnorm die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Furcht nicht nur objektivierbar sein oder von ihm nicht bloß behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden müsse. Dabei stehe die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Erfahrungsgemäß machten nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Die ganz allgemein gehaltenen Angaben bei der ersten Befragung, die Kurden würden in der Türkei verfolgt und unterdrückt, vermögen die Voraussetzungen für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen. Auch die allgemein gehaltenen Ausführungen in der Berufung seien nicht geeignet darzutun, welche konkreten Verfolgungshandlungen der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in sein Heimatland zu befürchten hätte. Vorläufige Festnahmen wiesen als Mittel der Beweissicherung keinen pönalen Charakter auf und es stehe die Festnahme im Jahre 1986 in keinem zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise des Beschwerdeführers. Überdies habe die Festnahme keine Konsequenzen gehabt. Die Furcht vor Verfolgung müsse sich auf Umstände beziehen, die im zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise aus dem Heimatland lägen, weshalb das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft führen könne. Behördliche Ermittlungen im Zusammenhang mit der Aufklärung einer kriminellen Handlung könnten nicht als Verfolgung im Sinne der Konvention qualifiziert werden. Auch die vom Beschwerdeführer dargelegte Mißhandlung bei der Hausdurchsuchung entspreche der in der Konvention geforderten Qualität einer Verfolgung nicht; vielmehr stelle dieser Vorfall ein einmaliges Mißverhalten von Behördenorganen dar. Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargetan, daß sich dieser Vorfall wiederholt hätte oder daß ihm daraus negative Konsequenzen erwachsen seien. Eine wohlbegründete Furcht liege insbesondere dann nicht vor, wenn sich der Asylwerber in einem anderen Land bessere Verdienstmöglichkeiten erwarte. Dies und auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer legal mit seinem Reisepaß ausreisen habe können, seien Indizien dafür, daß er keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Eine legale Ausreise wäre wohl nicht möglich gewesen, wenn man ein Interesse an seiner Verfolgung gehabt hätte. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit allein könne nicht als Grund für seine Anerkennung als Konventionsflüchtling angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (AsylG) in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 dieser Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne des Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die belangte Behörde ist auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zu dem Schluß gekommen, dem Vorbringen des Beschwerdeführers könnten keine Gründe entnommen werden, aus denen eine begründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung ersichtlich sei. Hiebei ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie bei Wertung der eigenen Angaben des Beschwerdeführers davon ausgegangen ist, daß dieser selbst keine Verfolgungshandlungen in letzter Zeit vor seiner Flucht behauptet hat. Vielmehr lagen die angeblichen Verfolgungshandlungen (Festnahme, Hausdurchsuchung und Mißhandlung), die im Zuge von Erhebungen wegen einer Straftat erfolgt sein sollen, im Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers aus der Türkei bereits etwa vier Jahre zurück. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers allein auf Grund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Minderheit bzw. eine objektiv begründete Furcht vor Verfolgung aus diesem Grund allein hat die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verneint (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 1990, Zl. 90/01/0202 und die dort angeführte Judikatur). Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die allgemeine Lage der Kurden in der Türkei genügt nicht für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Konvention (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0362).

Die sich zusammenfassend als unbegründet erweisende Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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