VwGH 90/19/0531

VwGH90/19/053125.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des NN in D, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. September 1990, Zl. Fr-1040/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §5 Abs1;
AsylG 1968 §5 Abs4;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
AsylG 1968 §5 Abs1;
AsylG 1968 §5 Abs4;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von § 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. September 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6, Abs. 3 und § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 18. Juni 1995 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 1. April 1989 nach Österreich eingereist. Am 10. Juli 1989 habe er bei der Bezirkshauptmannschaft Baden, Außenstelle Flüchtlingslager Traiskirchen, einen Antrag auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft eingebracht und angegeben, am 8. Juli 1989 nach Österreich eingereist zu sein. Am 11. Juli 1989 sei ihm deshalb eine Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz ausgestellt worden. In der Folge sei der Beschwerdeführer in eine bundesbetreute Unterkunft in Linz eingewiesen worden. Der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 26. September 1989, mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen worden sei, sei ihm am 3. Mai 1990 zugestellt worden. Am 21: Mai 1990. habe der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land die Ausstellung eines Sichtvermerkes beantragt. Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 23. Mai 1990 habe er angegeben, den Asylantrag lediglich deshalb gestellt zu haben, weil er nach einem dreimonatigen Aufenthalt in Österreich keinen Wiedereinreisesichtvermerk bekommen hätte. Bei seiner Vernehmung im Rahmen des Asylverfahrens habe der Beschwerdeführer auch wahrheitswidrig angegeben, er habe in der Türkei niemals um die Ausstellung eines Reisepasses angesucht, weil dies auf legalem Wege aussichtslos sei.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde aus dem festgestellten Sachverhalt, der Beschwerdeführer habe gegenüber den Organen einer österreichischen Behörde unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich eine Aufenthaltsberechtigung, nämlich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz, zu verschaffen. Damit sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz erfüllt und daher die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. Der vom Beschwerdeführer verwirklichte Sachverhalt lasse sich auch allein der Generalklausel des § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz unterstellen. Es laufe nämlich öffentlichen Interessen zuwider, wenn jemand, dessen erklärte alleinige Absicht es sei, in Österreich zu bleiben, um hier zu arbeiten, durch etwa zehn Monate hindurch Leistungen in Anspruch nehme, die für politisch Verfolgte gedacht seien. Im Rahmen der Interessenabwägung sei den hier maßgebenden öffentlichen Interessen wesentlich größeres Gewicht beizumessen als den privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes haben folgenden Wortlaut:

§ 2 (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn ,

1. sie unter Einhaltung der Bestimmungen des Paßgesetzes in das Bundesgebiet eingereist sind, es sei denn, daß sie die Grenzkontrolle umgangen haben oder daß die Republik Österreich auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarung oder internationaler Gepflogenheit zu ihrer Rücknahme verpflichtet war;

2. ihnen von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt oder mit Bescheid eine Aufenthaltsberechtigung verlängert wurde. 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß 5 2 Abs. 1 zu verschaffen.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

1.2. Die im Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen des § 5 Asylgesetz haben folgenden Wortlaut:

§ 5 (1) Der Asylwerber ist bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens (5 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn er den Antrag auf Asylgewährung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt stellt, in dem er in das Bundesgebiet eingereist ist oder in dem er von der Gefahr einer Verfolgung aus einem der im Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Konvention angeführten Gründe Kenntnis erlangt hat.

(4) Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist von der Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde von dieser, zu bescheinigen.

2.1. Die Auffassung der belangten Behörde, der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz sei erfüllt, ist verfehlt. Die unrichtigen Angaben hat der Beschwerdeführer nämlich nicht gemacht, um sich die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz zu verschaffen. Nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde hat sich nämlich der Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung nach dieser Gesetzesstelle verschaffen wollen, sondern dienten seine Angaben dazu, bei den Behörden den Anschein zu erwecken, ihm komme die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß S 5 Abs. 1 Asylgesetz zu.

2.2. Dieser Rechtsirrtum der belangten Behörde führte allerdings nicht zu einer Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, weil die belangte Behörde im Ergebnis mit Recht die Auffassung vertreten hat, das Verhalten des Beschwerdeführers sei auch unter § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz zu subsumieren. Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Verhältnis des § 3 Abs. 1 zu § 3 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß es sich bei Abs. 1 um die Generalklausel und bei Abs. 2 um die beispielsweise Aufzählung von Fällen handle, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls rechtfertigen. Ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im Abs. 2 angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 3 Abs. 1 umschriebene Annahme rechtfertigen; der Entscheidung ist von der Behörde das Gesamtverhalten des Betroffenen zugrunde zu legen (siehe die hg. Erkenntnisse vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0136, vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0144, und vom B. Oktober 1990, Zl. 90/19/0170).

Das Verhalten des Beschwerdeführers, der im Asylverfahren wider besseres Wissen unrichtige Angaben über den Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich gemacht hat, um den Anschein zu erwecken, er sei gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, und mit seinen unrichtigen Angaben die Ausstellung einer Bescheinigung im Sinne des § 5 Abs. 4 Asylgesetz sowie Leistungen im Rahmen der Bundesbetreuung für Asylwerber erreicht hat, ist mindestens ebenso verwerflich wie ein dem § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz zu unterstellendes Verhalten. Bedeutung und Gewicht des von der belangten Behörde festgestellten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers rechtfertigten die Annahme, sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet gefährde die im § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz genannten öffentlichen Interessen, insbesondere das Interesse an der ordnungsgemäßen Handhabung der Fremdenpolizei.

3. Zu der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung im Sinne des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz enthält die Beschwerde keine Ausführungen. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangt Behörde dabei rechtswidrig gehandelt hat, wobei den diesbezüglichen Überlegungen im angefochtenen Bescheid ergänzend hinzuzufügen ist, daß die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers schon deshalb nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen kann, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieses Kriterium nur insoweit von Bedeutung ist, als es sich um einen rechtmäßigen Aufenthalt gehandelt hat (siehe die Erkenntnisse vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0517, und vom 15. April 1991, Zl. 91/19/0011), und nach der Aktenlage der Beschwerdeführer sich nur vom 1. April bis 30. Juni 1989 rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat.

4. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGB. Nr. 104/1991.

Wien, am 25. November 1991

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