VwGH 90/19/0527

VwGH90/19/05278.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. September 1990, Zl. VII/2a-V-986/1/6-90, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ASchG 1972 §31 Abs2;
GewO 1973 §39 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §9 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2;
GewO 1973 §39 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1989, Zl. 87/08/0154, hingewiesen, mit dem der im Instanzenzug ergangene Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 16. Juni 1987 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Mit diesem Bescheid war gegen den Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des § 9 in Verbindung mit § 28 Arbeitszeitgesetz eine Geldstrafe verhängt worden, weil er es als "verantwortlicher Arbeitgeber" zugelassen habe, daß ein namentlich angeführter Arbeitnehmer am 20. September 1985 in einem näher bezeichneten Hotel in K die höchste zulässige Arbeitszeit von 10 Stunden täglich überschritten habe.

In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses vom 5. Oktober 1989 wurde ausgeführt, die belangte Behörde sei ihrer Begründungspflicht im Sinne des § 60 AVG insoweit nicht nachgekommen, als sie ihre Auffassung nicht entsprechend begründet habe, der Beschwerdeführer, der seine Arbeitgebereigenschaft in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis ausdrücklich bestritten habe, sei als Arbeitgeber anzusehen.

2. Mit Bescheid vom 24. September 1990 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich (die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis keine Folge und bestätigte es mit der Maßgabe, daß der Beschwerdeführer die Tat als Bevollmächtigter des Arbeitgebers Architekt Dipl. Ing. E zu verantworten habe.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde unter anderem aus, aus den Behauptungen des Beschwerdeführers ergebe sich, daß er als Bevollmächtigter des Arbeitgebers anzusehen sei. Nach seiner ursprünglichen Verantwortung habe er dem Arbeitnehmer die Überschreitung der Dienstzeit gestattet. Der Beschwerdeführer sei somit davon ausgegangen, daß er zu solchen Weisungen und Genehmigungen befugt sei. Dafür spreche auch die Tatsache, daß er mit der Inhaberin des Unternehmens verheiratet und Eigentümer des Betriebsgrundstückes sei. Da der Beschwerdeführer sohin als Bevollmächtigter des Arbeitgebers anzusehen sei, sei der Spruch entsprechend richtig zu stellen gewesen. Dabei handle es sich nicht um die Auswechslung des Tatvorwurfes.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

II.

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, daß er im angefochtenen Bescheid als Bevollmächtigter des Arbeitgebers zur Verantwortung gezogen worden sei. Dadurch sei ihm eine Instanz, nämlich die erste Instanz, entzogen worden. Ein aufgehobener Bescheid könne nicht durch "Täterauswechselung" korrigiert werden. Auch seien zu der Anschuldigung, er sei Bevollmächtigter gewesen, keine Beweise aufgenommen worden. Die belangte Behörde habe diesbezüglich nur Mutmaßungen angestellt.

1.2. Der Rüge des Beschwerdeführers, ihm sei eine Instanz entzogen worden, ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid funktionell als Berufungsbehörde über seine Berufung betreffend das gegen ihn erlassene Straferkenntnis erster Instanz entschieden hat. Die belangte Behörde hat entgegen seinen Ausführungen nicht ihren (Berufungs-)Bescheid vom 16. Juni 1987, der mit dem hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1989 aufgehoben wurde, bestätigt, sondern neuerlich über die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis entschieden.

Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, die belangte Behörde habe keine Beweise betreffend seine Eigenschaft als Bevollmächtigter seiner Ehegattin aufgenommen, lassen seine Ausführungen nicht erkennen, welche Beweise die belangte Behörde seiner Meinung nach dazu hätte aufnehmen sollen, sodaß die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht dargetan wird. Im übrigen kann den Überlegungen der belangten Behörde, aus denen sie zur Auffassung gelangt ist, der Beschwerdeführer sei als Bevollmächtigter anzusehen, im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0083) nicht entgegengetreten werden. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang mit Recht auf die Tatsache hingewiesen, daß der Beschwerdeführer selbst in seiner Stellungnahme vom 19. Februar 1986 vorgebracht habe, er habe dem genannten Arbeitnehmer gestattet, am 20. September 1985 16 Stunden zu arbeiten, und daß diese Verantwortung mit der schriftlichen Bestätigung des Arbeitnehmers übereinstimme. Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei zu Anordnungen gegenüber Arbeitnehmern im Unternehmen seiner Ehegattin befugt gewesen, widerspricht nicht den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens. Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vorgebracht hat, er habe das Überschreiten der zehnstündigen Arbeitszeit ausdrücklich verboten. Der Beschwerdeführer hat demnach Weisungen betreffend die Einhaltung der die Arbeitszeit regelnden Vorschriften erteilt, wozu für ihn keine Veranlassung bestanden hätte, wenn ihm eine derartige Befugnis (allenfalls auch schlüssig) nicht von seiner Ehefrau eingeräumt worden wäre. Daß der rechtskundige Beschwerdeführer als Vertreter ohne Vollmacht eingeschritten wäre, kann angesichts jeglichen diesbezüglichen Anhaltspunktes nicht angenommen werden.

1.3. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde durch die im Spruch enthaltene Maßgabe, daß der Beschwerdeführer die Tat als Bevollmächtigter des Arbeitgebers zu verantworten habe, nicht die "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG durch eine "Täterauswechselung" überschritten. An der Umschreibung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat hat die belangte Behörde nichts verändert. Der Umstand, ob der Beschuldigte die Tat in der Eigenschaft als Arbeitgeber, als zur Vertretung nach außen Berufener, als gewerberechtlicher Geschäftsführer, als verantwortlicher Beauftragter oder als Bevollmächtigter zu verantworten hat, ist nicht Sachverhaltselement der ihm angelasteten Tat, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigter angesprochenen Person betreffendes Merkmal (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1990, Zl. 90/19/0469, mit weiteren Judikaturhinweisen).

2.1. Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer geltend, die ihm angelastete Tat vom 20. September 1985 sei verjährt. Im übrigen gebe es die Begehungsform "als Bevollmächtigter" nicht, weil eine Verwaltungsübertretung nur als unmittelbarer Täter oder in der Begehunsform der Anstiftung oder Beihilfe begangen werden könne.

2.2. Dem vom Beschwerdeführer erhobenen Verjährungseinwand ist entgegenzuhalten, daß gemäß § 31 Abs. 3 VStG die Zeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, das war vom Einlangen der Beschwerde am 21. Juli 1987 bis zur Zustellung des eingangs genannten Erkenntnisses am 7. Februar 1990, in die dreijährige Strafbarkeitsverjährung nicht einzurechnen war. Diese Verjährung war demnach zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides (durch seine Zustellung am 15. Oktober 1990) noch nicht eingetreten.

2.3. Bei seinen Ausführungen, eine natürliche Person könne eine Übertretung nicht als Bevollmächtigter begehen, übersieht der Beschwerdeführer, daß nach § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz ARBEITGEBER UND DEREN BEVOLLMÄCHTIGTE, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, als unmittelbare Täter zu bestrafen sind (siehe zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 31 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1992, Zl. 90/19/0579). Da der Beschwerdeführer als Bevollmächtigter anzusehen war, wurde er mit Recht als unmittelbarer Täter bestraft.

3. Aus den dargelegten Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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