VwGH 90/19/0201

VwGH90/19/020118.6.1990

R gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. Jänner 1990, Zl. Fr-1169/89, betreffend Aufenthaltsverbot

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1 idF 1987/575;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 in der Fassung BGBl. Nr. 575/1987, (FPG) ein bis 30. November 1999 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich erlassen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. verpflichtet, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche nach Rechtskraft dieses Bescheides zu verlassen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß gegen den Beschwerdeführer laut Strafregisterauszug insgesamt sieben gerichtliche Verurteilungen vorlägen. Dazu komme noch eine Benachrichtigung des Landesgerichtes Linz vom 15. Dezember 1989, wonach der Beschwerdeführer von diesem Gericht wegen §§ 146, 147 Abs. 2 und 148 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden sei. Außerdem seien insgesamt achtzehn Verwaltungsstrafen vorgemerkt. Die "vorangeführten strafbaren Handlungen" ließen den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet als eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erscheinen. Von einem Aufenthaltsverbot unter diesen Voraussetzungen Abstand zu nehmen, würde nach dem Gewicht der maßgeblichen öffentlichen Interessen unverhältnismäßig schwerer wiegen als die Auswirkungen (des Aufenthaltsverbotes) auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Der dringende Verdacht, daß der Beschwerdeführer sein rechtswidriges Verhalten in Österreich fortsetze, erscheine durch die zahlreichen Verurteilungen und Verwaltungsstrafen ausreichend begründet. Bei der Abwägung der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers berücksichtigte die belangte Behörde, daß sich der Beschwerdeführer seit 1971 in Österreich aufhalte. Seine Familie befinde sich in Jugoslawien. Es gebe keine familiären "oder sonstige" Bindungen in Österreich, wo der Beschwerdeführer derzeit in ungekündigter Stellung tätig sei. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde zwar eine Beeinträchtigung des beruflichen und persönlichen Fortkommens des Beschwerdeführers in Österreich bedeuten, doch hätten die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen zurückzutreten, zumal der Beschwerdeführer die für ihn nunmehr entstandene Situation durch ständige Mißachtung österreichischer Gesetze selbst herbeigeführt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 2 FPG hat ferner u.a. als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden ist.

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

    Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

    Nach Meinung des Beschwerdeführers sei das Aufenthaltsverbot schon mangels Vorliegens bestimmter Tatsachen im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG nicht gerechtfertigt. Die Tatbestände des ersten und zweiten Falles des § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG seien nicht erfüllt, weil über den Beschwerdeführer weder eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten noch eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verhängt worden sei. Auch der dritte Fall des § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG greife nicht, weil "zumindest in dem für die Beurteilung maßgebenden Zeitraum" keine rechtskräftigen Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen erfolgt seien. In der Strafregisterauskunft des Beschwerdeführers schienen zwar insgesamt vier Verurteilungen nach § 83 Abs. 1 StGB auf, doch seien die Tathandlungen in einem Zeitraum von neun Jahren begangen worden. Der "deliktspezifizische Unwertgehalt" des § 83 Abs. 1 StGB sei gering, sodaß unter Berücksichtigung der langen Zeitspanne, in der diese Delikte gesetzte worden seien, auch der dritte Fall des § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG nicht zur Anwendung gelangen könne. Mehrmalige schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 2 FPG seien dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt worden. Die Generalklausel des § 3 Abs. 1 FPG könne nicht herangezogen werden, weil es sich bei den gerichtlichen Vorstrafen des Beschwerdeführers im wesentlichen um kleinere Delikte, die über einen Zeitraum von insgesamt zwölf Jahren gesetzt worden seien, und bei den Verwaltungsstrafen im wesentlichen um kleinere Verkehrsdelikte handle.

    Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer insofern im Recht, als es die Tatbestände des ersten und zweiten Falles der Z. 1 und den der Z.2 des § 3 Abs. 2 FPG betrifft. Im übrigen kann ihm jedoch nicht gefolgt werden. Für den dritten Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG ist im Gesetz nicht vorgesehen, daß die diesem Tatbestand entsprechenden Verurteilungen innerhalb eines bestimmten "für die Beurteilung maßgebenden Zeitraumes" erfolgt sind. Es genügt vielmehr das Vorliegen von mehr als einer rechtskräftigen Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen. Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall erfüllt, wurde der Beschwerdeführer doch - unbestritten - insgesamt viermal, und zwar zweimal im Jahr 1982 und je einmal in den Jahren 1987 und 1989 von inländischen Bezirksgerichten wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt. Dazu kommt noch eine im Jahre 1978 erfolgte rechtskräftige Verurteilung wegen der Vergehen des Raufhandels nach § 91 StGB und der Unterlassung der Hilfeleistung nach § 95 leg. cit. Darüber hinaus weist der Beschwerdeführer noch drei weitere rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen auf, und zwar wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB (1985) und des versuchten Diebstahles nach §§ 15, 127 StGB (1989) sowie wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 und 148 erster Fall StGB (1989). Außerdem wurde er seit dem Jahr 1984 insgesamt achtzehnmal rechtskräftig wegen verschiedener Verwaltungsübertretungen (im wesentlichen auf dem Gebiet des Straßenpolizei- und Kraftfahrrechtes) bestraft. Abgesehen von der Erfüllung des Tatbestandes des dritten Falles des § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG rechtfertigt das durch diese gerichtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilungen dokumentierte Gesamtverhalten des Beschwerdeführers jedenfalls auch gemäß § 3 Abs. 1 FPG die Annahme, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet tatsächlich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet.

    Der Beschwerdeführer bekämpft ferner das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 3 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und weist darauf hin, daß er seit 1971 ununterbrochen in Österreich "aufhältig", gemeldet und beschäftigt sei. Der überwiegende Teil seines Einkommens gehe an seine in Jugoslawien lebende Familie, die er lediglich zweibis dreimal jährlich besuche. Durch eine Beschäftigung in Jugoslawien wäre er nicht in der Lage, seinen Kindern wie bisher eine gediegene Schulausbildung angedeihen zu lassen, wobei es völlig offen sei, ob überhaupt eine Anstellung für ihn gefunden werden könne. Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Wertung aufzuzeigen. Im Hinblick auf die Häufung der von ihm in Österreich gesetzten Delikte und der darin zum Ausdruck kommenden Neigung, andere in ihrer körperlichen Sicherheit zu gefährden und am Vermögen zu schädigen sowie sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, ist die Annahme begründet, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer zur Sicherung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen dringend geboten erscheint. Dies wird dadurch unterstrichen, daß dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage bereits am 12. August 1986 für den Fall neuerlicher Gesetzesübertretungen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in Aussicht gestellt worden war. In Anbetracht der angeführten Umstände ist auch die Auffassung, daß trotz der nicht als unerheblich einzuschätzenden persönlichen, familiären und beruflichen Interessen des Beschwerdeführers die für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen ungleich schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

    Wenn der Beschwerdeführer schließlich rügt, daß im Verwaltungsverfahren der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei, daß keine Ermittlungen über seine persönlichen Verhältnisse, seine soziale Integration und seine Eingliederung in den Arbeitsprozeß angestellt worden seien und nicht festgestellt worden sei, daß er Inhaber eines bis 22. April 1992 geltenden Befreiungsscheines gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sei, so fehlt diesem Vorbringen die Relevanz, weil vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht zu erkennen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

    Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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