Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §4 Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §4 Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Juni 1990 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug folgender Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt: Er sei am 16. Juni 1987 zwischen 19.00 und 20.00 Uhr in Krems, auf der Ringstraße beim Haus Nr. 48, mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw rückwärts aus der vor dem Kolpingheim vorhandenen Parkfläche gefahren und habe dabei einen rechts von ihm abgestellten Pkw Marke VW Golf am linken hinteren Kotflügel durch einen schwarzen Lackabrieb von ca. 8 bis 10 cm in einer Höhe von 60 bis 65 cm und durch Lackkratzspuren in einer Höhe von 48 bis 55 cm beschädigt. Da es zu keinem gegenseitigen Austausch des Namens und der Adresse zwischen dem Beschwerdeführer und der Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, gekommen sei, hätte die Gendarmerieaufnahme des Unfalls zu erfolgen gehabt. Dadurch, daß sich der Beschwerdeführer von der Unfallstelle entfernt habe, habe die Gendarmerie keine Feststellungen hinsichtlich seines Zustandes beim Lenken des Fahrzeuges treffen können, doch bilde der Umstand, daß sich die unfallbeteiligten Personen sofort nach dem Unfall der Gendarmerie zur Verfügung stellen, einen wesentlichen Beitrag, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Der Beschwerdeführer habe somit 1) bei einem Verkehrsunfall an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei,
2) die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von dem Verkehrsunfall mit Sachschaden nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgt sei. Er habe hiedurch zu 1) eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) und zu
2) eine solche nach § 4 Abs. 5 StVO begangen; es wurden Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt.
Da der Beschwerdeführer wie auch sein Beifahrer M jede Beschädigung eines fremden Kraftfahrzeuges bestritten hatten und der Vorgang der Beschädigung auch nicht unmittelbar von dritten Personen beobachtet worden war, schlossen die Behörden erster und zweiter Instanz aus folgenden Indizien auf die Verwirklichung der Sachverhalte:
1. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers und das des Geschädigten seien zwischen 19.00 und 20.00 Uhr des Tattages nebeneinander abgestellt gewesen.
2. Der Beschwerdeführer und der Zeuge M hätten beim Ausparken ein Geräusch gehört.
3. Die Haftpflichtversicherung des Beschwerdeführers habe dem Geschädigten S 2.326,-- bezahlt.
4. Der Beschwerdeführer habe ca. 20 Tage nach der Tat zum Geschädigten gesagt, er wolle zahlen; er habe dann aber davon Abstand genommen, als er die Schadenshöhe von S 2.800,-- erfuhr.
5. Der Amtssachverständige habe die technische Möglichkeit der Schadensverursachung durch das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers bejaht.
Der Beschwerdeführer bekämpft vor allem die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Dazu ist vorweg zu sagen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. N.F. Nr. 8619/A) schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950 eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z. B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Der Beschwerdeführer erkennt richtig, daß ein Beweis durch Indizien eine im Verwaltungsstrafverfahren zulässige Beweisführung ist. Er irrt aber darin, daß eine "unmittelbare Beweisführung" sehr wohl möglich gewesen wäre, weil doch - siehe die obigen Ausführungen - der Vorgang des Ausparkens von keiner anderen Person als vom Beschwerdeführer und seinem Beifahrer beobachtet werden konnte.
Der Beschwerdeführer ist aber insoweit im Recht, als gefordert werden muß, daß auch bei Herstellung eines Indizienbeweises der Grundsatz einer möglichst unmittelbaren und möglichst vollständigen Beweisführung beachtet wird. Dagegen hat aber die belangte Behörde in folgender Weise verstoßen:
Die Tatsache, daß die Haftpflichtversicherung des Beschwerdeführers dem Geschädigten S 2.326,-- auszahlte, sagt allein noch nichts über die Frage aus, ob sich der Beschwerdeführer in seiner Schadensmeldung an seine Versicherung als Verursacher des Schadens bekannt hat. Bekanntlich zahlen Haftpflichtversicherer, wenn es sich um Beträge unter einer gewissen Grenze handelt, von geschädigten Personen verlangte Beträge ohne weitwendige Prüfungen und auch in Zweifelsfällen aus. Es wäre daher notwendig gewesen, den Inhalt der Schadensmeldung des Beschwerdeführers an seinen Haftpflichtversicherer zu erheben, um daraus allenfalls den Schluß ziehen zu können, der Beschwerdeführer habe sich gegenüber dem Versicherer als Verursacher, allenfalls auch als schuldhafter Verursacher, des Schadenseintrittes bekannt.
Auch das Indiz, der Beschwerdeführer habe sich gegenüber dem Geschädigten ca. 20 Tage nach der Tat zur Zahlung bereit erklärt und habe nur in Anbetracht der Schadenshöhe dann von der Zahlung Abstand genommen, ist insofern näher klärungsbedürftig, als die unmittelbar Beteiligten an einem solchen Gespräch, nämlich einerseits der Beschwerdeführer, andererseits der Geschädigte G, nicht darüber vernommen wurden. Die Zeugin P konnte über den Inhalt des Gespräches dieser beiden Männer nichts aussagen. Der Meldungsleger D - kein Tatzeuge dieses GesprächsÜ - erwähnte in seinem Bericht vom 24. März 1988, Peter G habe ihm von einem solchen Gespräch erzählt. Ob darüber eine Niederschrift mit G existiert, läßt sich aus dem Akteninhalt nicht entnehmen.
Der Grundsatz möglichster Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme würde es demnach erfordern, daß zur vorliegenden Frage sowohl der Beschwerdeführer als auch G von den Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens einvernommen werden.
Da die Abwägung der Gewichtigkeit einzelner Indizien nicht Sache des Verwaltungsgerichtshofes sein kann und da die belangte Behörde ihr Ergebnis auf Tatsachenebene auf den Gesamtkomplex der oben genannten Indizien stützte, führen Verfahrensmängel innerhalb des Zustandekommens eines oder mehrerer dieser Indizienbeweise dazu, daß der angefochtene Bescheid als solcher mit Verfahrensmängeln belastet erscheint.
Im übrigen vermögen die Beschwerdegründe nicht zu überzeugen:
Die Rüge der inhaltlichen Rechtswidrigkeit ist als solche verfehlt ausgeführt, wenn dazu gesagt wird (Seite 4 der Beschwerde), nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens hätten die Verwaltungsübertretungen nicht als erwiesen angenommen werden dürfen. Dies ist eine reine Beweisrüge, die als solche nur nach Maßgabe der eingangs dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen ist, wobei diese Prüfung allenfalls zum Ergebnis einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, nicht aber zu einer Rechtswidrigkeit des Inhalts führen kann.
Hinsichtlich von Zeugenaussagen - im vorliegenden Fall der des Meldungslegers D - sehen die Verwaltungsverfahrensgesetze keine Befangenheit im Sinne des § 7 AVG 1950 vor; die Würdigung der Gewichtigkeit dieser Zeugenaussage ist - siehe die eingangs zitierte Rechtsprechung - allein Sache der belangten Behörde.
Auf die mit der Beschwerde vorgelegten Lichtbilder war als unzulässige Tatsachenneuerung nicht einzugehen.
Die von der Beschwerde behaupteten Widersprüche in den vier Gutachten des Amtssachverständigen liegen nicht vor. Das erste Gutachten dieses Sachverständigen stammt vom 2. März 1988, wurde also rund dreiviertel Jahre nach dem Vorfall abgegeben (der Auftrag an den Sachverständigen zur Gutachtenserstattung ist mit 20. Jänner 1988 datiert). Abgesehen davon, daß der Amtssachverständige in seinem ersten Gutachten zum Schluß kam, eine Kontaktierung der beiden Fahrzeuge sei nicht nachweisbar, wäre in Anbetracht der seit dem Vorfall verstrichenen Zeit jede nunmehrige Befundaufnahme am Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers deshalb problematisch, weil die Möglichkeit von Veränderungen an diesem Fahrzeug nicht auszuschließen gewesen wäre. Es ist auch unrichtig, daß ein Vergleich der von beiden Fahrzeugen aufgenommenen Lichtbilder zur Befundaufnahme genügt hätte; vielmehr mußte, um die kausale Verbindung des fotografierten Zustandes der beiden Fahrzeuge mit dem Vorfall vom 16. Juni 1987 herzustellen, auch auf den übrigen Akteninhalt Bedacht genommen werden.
Auch die Unterlassung der vom Beschwerdeführer vermißten Stellprobe stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil der Amtssachverständige auf Grund des Typenscheines des Fahrzeuges des Beschwerdeführers die notwendigen Meßwerte daraus gewinnen konnte.
Der angefochtene Bescheid war daher nur aus den weiter oben angeführten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil Auslagen für diese nur im folgenden Ausmaß erwachsen sind: Beschwerde in zweifacher Ausfertigung S 240,--, Vollmachtsurkunde S 120,--, Ausfertigung des angefochtenen Bescheides aus vier Bogen S 120,--.
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