VwGH 90/18/0162

VwGH90/18/016214.12.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Dr. Hans N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. März 1990, Zl. MA 70-10/252/90/Str, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §50 Abs1;
AVG §50 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
StVO 1960 §17 Abs2;
VStG §25 Abs1;
VStG §25 Abs2;
VwGG §47 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §50 Abs1;
AVG §50 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
StVO 1960 §17 Abs2;
VStG §25 Abs1;
VStG §25 Abs2;
VwGG §47 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Wien richtete unter dem Datum des 29. August 1989 an den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges die Aufforderung, schriftlich binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 28. Juli 1989 um 13.00 Uhr in Wien 16, Wilhelminenstraße 16, zuletzt gelenkt (verwendet) hat. (Es handle sich um) Vorbeifahren an einem im Haltestellenbereich befindlichen Schienenfahrzeug der Linie 44 mit erhöhter Geschwindigkeit und um die Behinderung von Fahrgästen. Innerhalb der gesetzten Frist antwortete der Beschwerdeführer schriftlich, daß das Fahrzeug zum angefragten Zeitpunkt nicht in Betrieb gewesen sei.

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. Jänner 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 29. August 1989, zugestellt am 31. August 1989, binnen zwei Wochen nach Zustellung bekanntzugeben, wer dieses Kraftfahrzeug am 28. Juli 1989 um 13.00 Uhr in Wien 16, Wilhelminenstraße 16, gelenkt habe. Er habe hiedurch die Übertretung nach § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) begangen; es wurde eine Geld- und eine Ersatzarreststrafe verhängt.

Über Berufung des Beschwerdeführers erkannte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 20. März 1990 dahin, daß das Straferkenntnis in der Strafzumessung und in der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt werde, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten habe:

"Der Beschuldigte Dr. Hans N hat es als Zulassungsbesitzer unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 29. August 1989, zugestellt am 31. August 1989, binnen zwei Wochen nach Zustellung bekanntzugeben, wer am 28. Juli 1989 um 13.00 Uhr das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W 000.000 gelenkt hat."

Nach der Begründung dieses Berufungsbescheides sei zu prüfen gewesen, ob die Auskunft des Beschwerdeführers richtig gewesen sei, daß das Fahrzeug zur "angefragten Zeit" nicht in Betrieb gewesen sei. Dies sei aber auf Grund der Zeugenaussage des Meldungslegers zu verneinen. Die Erteilung einer unrichtigen Auskunft sei der Nichterteilung einer Auskunft gleichzuhalten. Die Abänderung im Spruch habe der genaueren Tatumschreibung gedient.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 18. Juni 1990, Zl. B 655/90, die Behandlung der Beschwerde ablehnte. Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor diesem Gerichtshof machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 kann die Behörde Auskunft darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint.

Während die Erstbehörde in ihren Schuldspruch noch ein im § 103 Abs. 2 KFG 1967 nicht aufscheinendes Tatbestandsmerkmal - nämlich den Ort des Lenkens - aufgenommen hatte, hat die Berufungsbehörde die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 auf den gesetzlichen Tatbestand eingeschränkt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Berufungsbehörde durch die Einschränkung des Tatvorwurfes auf den gesetzlichen Tatbestand ihren Bescheid nicht mit einer Rechtswidrigkeit behaftet, sondern im Gegenteil ihrer gesetzlichen Verpflichtung entsprochen, jenen Teil des Tatvorwurfes, der nicht mit Strafe bedroht ist, aufzuheben.

Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß die die Antwortpflicht auslösende Anfrage vom 29. August 1989 sich nicht, wie es das Gesetz vorsieht, auf eine Anfrage darüber beschränkt hat, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt das näher bezeichnete Kraftfahrzeug gelenkt hat; die Erstbehörde hat ihrer Anfrage vielmehr sowohl den Ort des Lenkens als auch weitere Sachverhaltselemente hinzugefügt, die den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung (hier nach § 17 Abs. 2 StVO 1960) begründen könnten und die der Aktenlage nach auch Grund für das Auskunftsverlangen der Erstbehörde an den Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges gewesen sind. Der Beschwerdeführer ist jedoch mit seiner Auffassung, die Aufnahme dieser durch das Gesetz nicht vorgesehenen Sachverhaltselemente in das Auskunftsverlangen habe ihn berechtigt, die Anfrage überhaupt nicht zu beantworten, nicht im Recht. Die im Gesetz nicht vorgesehene Aufnahme von Sachverhaltselementen einer Verwaltungsübertretung

Dagegen ist der Beschwerdeführer mit seiner Rüge im Recht, es liege kein durch eine Zeugenaussage gedecktes Ermittlungsergebnis vor, daß das für ihn zugelassene Kraftfahrzeug tatsächlich am 28. Juli 1989 um 13.00 Uhr verwendet worden sei. Der Meldungsleger wurde der Aktenlage nach bei seiner Zeugeneinvernahme am 22. November 1989 zur Tatzeit überhaupt nicht befragt, obwohl der Beschwerdeführer das Auskunftsverlangen, wer das Fahrzeug zum angefragten Zeitpunkt gelenkt habe, ausdrücklich damit beantwortet hatte, das in Rede stehende Fahrzeug wäre zum angefragten Zeitpunkt nicht in Betrieb gewesen. Die Eigenschaft des Meldungslegers als Sicherheitswacheorgan allein - ohne seine Vernehmung als Zeugen - könnte jedoch nicht ausreichen, um die Angaben des Beschwerdeführers in schlüssiger Weise als widerlegt anzusehen (vgl. dazu das Erkenntnis des verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. N.F. Nr. 9602/A). Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift hätte - wegen des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel und wegen des Verbotes der vorwegnehmenden Beweiswürdigung - auch ein kanzleieigenes Telefonbuch des Beschwerdeführers als Beweismittel herangezogen werden können, welches erst nach der Vorlage und der Prüfung einer Beweiswürdigung zu unterziehen gewesen wäre.

Da der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für den Zuspruch des dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof erwachsenen Aufwandes durch den Verwaltungsgerichtshof keine gesetzliche Grundlage besteht (vgl. Erkenntnis vom 13. Oktober 1983, Slg. N.F. Nr. 11185/A).

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