VwGH 90/18/0022

VwGH90/18/002211.5.1990

N gegen Wiener Landesregierung vom 5. Dezember 1989, Zl. MA 70-9/508/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §52;
B-VG Art90 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §16 Abs1;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §41;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §52;
B-VG Art90 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §16 Abs1;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §41;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als über den Beschwerdeführer eine Ersatzarreststrafe von 30 Stunden verhängt wurde, einschließlich der diesbezüglichen Kostenentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 5. Dezember 1989 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am 2. September 1988 um 8.15 Uhr in Wien 1, Operngasse 10, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges in einem beschilderten Halteverbot gehalten; er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; nach § 99 Abs. 3 lit. a dieses Gesetzes wurde eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 30 Stunden) verhängt. In der Begründung dieses Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich mit der (in der Berufung erhobenen) Behauptung begnügt, er habe weder das Fahrzeug am Tatort abgestellt noch befände sich dort ein Halteverbot. Damit sei der Beschwerdeführer der ihn auch im Verwaltungsstrafverfahren treffenden Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Auf Grund der Zeugenaussage des Meldungslegers nehme die Berufungsbehörde als erwiesen an, daß zur Tatzeit am Tatort der auf den Beschwerdeführer zugelassene Pkw im Halteverbot gehalten habe. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal vorgebracht, daß das Fahrzeug zur Tatzeit an einem anderen Ort abgestellt gewesen sei. Am Tatort habe ein verordnetes und kundgemachtes Halteverbot bestanden. Ladungen im Verwaltungsstrafverfahren habe der Beschwerdeführer keine Folge geleistet. Die Tat sei daher als erwiesen anzunehmen gewesen. In den Erwägungen über die Strafbemessung wurde die Höhe der verhängten Ersatzarreststrafe nicht begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnisse vom 12. Juni 1986, Zl. 86/02/0037, vom 22. Jänner 1988, Zl. 87/18/0116, vom 26. Mai 1989, Zl. 89/18/0043) kann die Verwaltungsstrafbehörde ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften an dem Untätigbleiben des Zulassungsbesitzers im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber dem Vorhalt eines bestimmten strafbaren Sachverhaltes den Schluß ableiten, der Zulassungsbesitzer selbst sei der Täter gewesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnis vom 26. Juni 1959, Slg. N.F. Nr. 5007/A) befreit der Verfahrensgrundsatz, daß die Verwaltungsbehörde von Amts wegen vorzugehen hat, die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Es widerspräche auch dem in § 46 AVG 1950 festgelegten Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel, von der Verwaltungsstrafbehörde zu verlangen, die Lenkereigenschaft einer Person ausschließlich auf Grund einer Lenkerauskunft im Sinne des § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 feststellen zu dürfen. Die Ansicht des Beschwerdeführers, es bestünde im Verwaltungsstrafverfahren ein Anklagegrundsatz dahin, daß der strafbare Sachverhalt dem Beschuldigten in formalisierter Weise vorgehalten werden müsse, ist unrichtig (Erkenntnis vom 26. Mai 1989, Zl. 89/18/0043). Die ordentliche Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens setzt nur voraus, daß dem Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat derart zur Kenntnis gebracht wird, daß er in der Lage ist, alle im Einzelfall in Frage kommenden Verteidigungsmittel anzuwenden; darüberhinaus hat die Verwaltungsstrafbehörde die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

Nun wurde dem Beschwerdeführer zunächst die ihm zur Last gelegte Tat in der Strafverfügung vom 4. Jänner 1989 vollständig zur Kenntnis gebracht. Der Umstand, daß diese Strafverfügung durch den erhobenen Einspruch außer Kraft trat, kann die vorher erlangte Kenntnis des Beschwerdeführers vom Inhalt des gegen ihn erhobenen Vorwurfes nicht unwirksam machen. Es trifft zu, daß die Ladungen des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz vom 7. Februar und vom 6. März 1989 die ihm zur Last gelegte Tat nur in unvollständiger Weise beschrieben; doch folgte darauf ein vollständiger Tatvorwurf im Straferkenntnis vom 3. Mai 1989, auf welches der Beschwerdeführer aber nur mit seiner aus vier handgeschriebenen Zeilen bestehenden Berufung dahin reagierte, daß er weder das Fahrzeug am Tatort abgestellt habe noch dort ein Halteverbot bestünde. Es ist nicht ersichtlich, daß irgendwelche Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers durch die geschehene Art der Tatanlastung beeinträchtigt worden wären.

In der Schuldfrage ist somit der angefochtene Bescheid frei von Rechtsirrtum.

Der Beschwerdeführer bekämpft in der Straffrage allein die Höhe der verhängten Ersatzarreststrafe. Dieser Rüge kommt Berechtigung zu.

Es entspricht zwar der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. Erkenntnis vom 22. September 1955, Slg. N.F. Nr. 3825/A; vom 17. Juni 1983, Zl. 83/03/0010), daß Geldstrafe und Ersatzarrestrafe nicht nach einem festen Umrechnungsschlüssel zu bemessen sind und daß es auch zulässig ist, die Geldstrafe mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse und die Sorgepflichten des Täters herabzusetzen, ohne die Ersatzarreststrafe niedriger zu bemessen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist für ein solches Vorgehen dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzarreststrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht - im vorliegenden Fall ein Unterschied von rund 78 % - eine Begründung erforderlich (vgl. Erkenntnisse vom 27. November 1979, Zl. 2574/79; vom 5. November 1987, Zl. 87/18/0087). An einer solchen Begründung mangelte es aber sowohl im erstinstanzlichen Straferkenntnis als auch im angefochtenen Bescheid.

Durch den oben aufgezeigten Verfahrensmangel hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ihr Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG, sofern er die Bemessung der Ersatzarreststrafe betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren an Stempelmarken war abzuweisen, weil die Beschwerde in zweifacher Ausfertigung mit S 240,--, die Vollmachtsurkunde mit S 120,-- und die Ausfertigung des angefochtenen Bescheides mit S 60,-- zu vergebühren waren.

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