VwGH 90/14/0127

VwGH90/14/01276.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 26. April 1990, Zl. 956-2/87, betreffend Einkommensteuer 1984, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §34 Abs3;
EStG 1972 §34 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Mittelschullehrer. Er bürgte 1979 gegenüber einer Bank für seine Schwester und deren Ehemann. Im Streitjahr mußte er aus der Bürgschaft S 100.000,-- bezahlen.

Diesen Betrag machte er als außergewöhnliche Belastung geltend:

Sein Schwager habe seinerzeit ein Geschäft betrieben, das durch die plötzliche Vertragsänderung eines Dritten in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei. Da auch das Privatvermögen, nämlich das Wohnhaus des Schwagers und der Schwester des Beschwerdeführers "in die Zahlungsschwierigkeiten einbezogen" worden sei, habe die Gefahr der Existenzvernichtung gedroht. Zu deren Abwendung habe der Beschwerdeführer die Bürgschaft geleistet. In der Zwischenzeit sei völlige Zahlungsunfähigkeit eingetreten und das Wohnhaus unter dem Druck der Bank verkauft worden. Bei Eingehen der Verpflichtung habe der Beschwerdeführer aber noch damit rechnen können, durch seine Bürgschaft die drohende Existenzvernichtung abzuwenden, weil laut Bankauskunft eine wirtschaftliche Gesundung möglich gewesen sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug die außergewöhnliche Belastung von der belangten Behörde nicht anerkannt, weil die bei Eingehung der Bürgschaft laut dem Vorbringen des Beschwerdeführers drohende Versteigerung des Wohnhauses nicht mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz der Angehörigen gleichgesetzt werden könne. Ein Verlust der wirtschaftlichen Existenz könne nur in der Gefährdung des notwendigen Unterhaltes von nahen Angehörigen erblickt werden.

Existenzbedrohende Notlage liege auch nicht schon dann vor, wenn eine selbständige Betätigung nicht mehr möglich sei, sondern erst, wenn die berufliche Existenz nicht auch auf andere zumutbare Weise erhalten werden könne. Gründe, aus denen der Schwager des Beschwerdeführers sich seine Existenz nicht etwa durch eine nichtselbständige Tätigkeit sichern könne, habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Außerdem habe er bei Übernahme der Bürgschaft nur ein jährliches Nettoeinkommen von S 245.000,-- gehabt; nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen sei der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Höhe dieses Einkommens sittlich nicht zur Übernahme einer Bürgschaft in Höhe von S 500.000,-- verpflichtet gewesen.

Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung durch die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer die für die begehrte Begünstigung maßgeblichen Tatsachen vorzubringen und zumindest glaubhaft zu machen hatte. Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß der Beschwerdeführer vor den Abgabenbehörde nicht behauptet hat, seinem Schwager habe bereits im Jahre der Bürgschaftsübernahme (1979) der Konkurs gedroht und dieser Umstand habe den Beschwerdeführer zur Bürgschaft bewogen. Vor den Verwaltungsbehörden ging sein Vorbringen ausschließlich dahin, seinen Angehörigen habe der Verlust des Wohnhauses gedroht. Der Verlust eines Wohnhauses ist aber, wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, nicht mit existenzbedrohender Notlage, also dem Verlust des notwendigen Unterhaltes gleichzusetzen. Gegen die Richtigkeit dieser Ansicht führt der Beschwerdeführer auch nichts ins Treffen, was zu überzeugen vermöchte.

Ob einige Zeit nach Übernahme der Bürgschaft der Schwager des Beschwerdeführers durch Konkurs seine wirtschaftliche Existenz einbüßte, ist für die Beurteilung der allein entscheidungswesentlichen Frage, ob den Beschwerdeführer eine sittliche Pflicht zur Bürgschaft traf, ohne Bedeutung. Der Hinweis des Beschwerdeführers, seine Angehörigen hätten durch den Konkurs ihr gesamtes Vermögen und ihre wirtschaftliche Existenz verloren, es sei sogar vor einem Jahr als Folge dieses Ereignisses die Ehe der Angehörigen geschieden worden, ist daher für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Relevanz.

Die belangte Behörde ist aber auch mit ihrer Eventualbegründung im Recht, den Beschwerdeführer hätte 1979 im Hinblick auf die Höhe seines jährlichen Nettoeinkommens von S 245.000,-- keine sittliche Pflicht getroffen, für seine Angehörigen im Ausmaß von mehr als dem Doppelten eines Nettojahreseinkommens zu bürgen. Nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen besteht nämlich keine sittliche Pflicht zur Übernahme unverhältnismäßiger Belastungen für nahe Angehörige. In der Rechtsansicht der belangten Behörde, eine Bürgschaft eines im übrigen Vermögenslosen in der Höhe von mehr als einem doppelten Jahresnettoeinkommen sei unverhältnismäßig, kann der Verwaltungsgerichtshof keinen Fehler erkennen. Da jeder Bürge mit dem Eintritt des Bürgschaftsfalles rechnen muß, ist es für die Beurteilung der Frage, ob sittliche Pflicht zur Bürgschaft besteht, ohne Bedeutung, ob der Beschwerdeführer im Jahre 1979 noch damit rechnen konnte, daß die wirtschaftliche Existenz seiner Verwandten für die Zukunft gesichert sei.

Die belangte Behörde hat daher - ausgehend von dem vom Beschwerdeführer im Abgabenverfahren vorgetragenen Sachverhalt, den sie ihrer Entscheidung zu Grunde legen durfte - die sittliche Pflicht des Beschwerdeführers zur Leistung der Bürgschaft und damit auch eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1972 zu Recht verneint. Eine tatsächliche oder rechtliche Pflicht schied nach der Sachlage von vornherein aus.

Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Beschwerdepunkt in seinen Rechten nicht verletzt wird, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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