VwGH 90/13/0058

VwGH90/13/005830.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. H gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. Jänner 1990, Zl. 6/1-1315/88-02, betreffend Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Gewerbesteuer für die Jahre 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §28
EStG 1972 §2 Abs2
EStG 1972 §2 Abs3 Z3
EStG 1972 §23
GewStG §1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1991:1990130058.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Ziviltechniker. Für die Jahre 1984 bis 1986 gab er Erklärungen betreffend gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb und Gewerbesteuererklärungen ab. Nach diesen Erklärungen ergaben sich auf Grund des Betriebes einer Boutique im Hotel A für die Streitjahre Verluste in der Höhe von rund S 67.000,--, S 355.000,-- und S 210.000,--. Diese Boutique wurde mit Stichtag 1. Juni 1986 verkauft.

Mit den Bescheiden des Finanzamtes vom 24. Juni 1988 wurde die Gewerbesteuer für die Streitjahre mit Null festgesetzt; die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden jeweils mit Null festgestellt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, daß es sich bei dem Betrieb der Boutique um Liebhaberei gehandelt habe.

In seiner gegen diese Bescheide erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er habe für 1985 die ersten Umsätze erzielt und daher die Kollektion bereits im Jahre 1984 bestellen müssen, wozu ein Besuch bei einer Modefachmesse in Paris notwendig gewesen sei. Die Ausstattung des Lokals sei im ersten Halbjahr 1985 erfolgt. Ab 20. August 1985 sei es faktisch benützt worden. Gewinnerzielungsabsicht sei vorhanden gewesen, doch sei nicht vorhersehbar gewesen, daß die Auslastung des Hotels A durch Touristen aus den Vereinigten Staaten im Hinblick auf einen Terroranschlag auf den Flughafen B nicht den Erwartungen entsprechen würde. Auf Grund der im Jahre 1985 angefallenen Verluste habe der Beschwerdeführer versucht, das Geschäft zu verkaufen, was ihm schließlich per 30. Mai 1986 gelungen sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 20. Oktober 1988 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte aus, der Beschwerdeführer habe den Betrieb nicht nach wirtschaftlichen Grundsätzen geführt. Er habe 1984 keine Einnahmen erzielt, im Jahre 1985 sei der Wareneinkauf höher gewesen als die daraus erzielten Erlöse und auch 1986 hätten die Erlöse den Wareneinkauf nur unwesentlich überstiegen. Bei einer wirtschaftlichen Betriebsführung wäre die Gewinnerzielung objektiv möglich gewesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Ausbleiben von amerikanischen Gästen im Hotel A mitverantwortlich für die Verluste gewesen sei. Das Streben nach positiven Einkünften sei beim Beschwerdeführer deshalb in Abrede zu stellen, da er durchaus in der Lage gewesen sei, "die Verluste durch die Einkünfte aus seinem Architekturbüro zu kompensieren und daraus auch seinen Lebensunterhalt zu erzielen".

Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte aus, bei der Beurteilung der Frage, ob eine Einkunftsquelle vorliege, sei einerseits objektiv zu prüfen, ob auf Dauer gesehen ein Gewinn erzielt werden könne, und andererseits zu untersuchen, ob der Steuerpflichtige die Absicht habe, einen Gewinn zu erzielen. Ergebe die Prüfung der objektiven Komponente kein eindeutiges Ergebnis, müsse auch die nach außen in Erscheinung tretende subjektive Einstellung des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Das Vorliegen einer Einkunftsquelle, die es dem Steuerpflichtigen erlaube, daraus seinen Lebensunterhalt zu erzielen und sich eine Liebhaberei zu leisten, könne ein Indiz für mangelnde Gewinnabsicht sein. Zur Beurteilung einer Tätigkeit hinsichtlich ihrer Eignung als Einkunftsquelle sei in der Regel ein längerer Zeitraum zu beobachten, weil bloß in der Anlaufphase oder durch Sonderabschreibungen erlittene Verluste einen Betrieb noch nicht zur Liebhaberei machten. Werde jedoch eine Tätigkeit bereits in der Anlaufphase eingestellt, so müsse die diesbezügliche Beurteilung auf Grund einer Erfolgsprognose vorgenommen werden. Ergebe diese Prognose mit großer Wahrscheinlichkeit die Ertragslosigkeit der zu beurteilenden Tätigkeit in der vom Abgabepflichtigen gewählten Bewirtschaftungsart, sei Liebhaberei anzunehmen.

Im Falle des Beschwerdeführers hätten die in der Zeit vom Oktober 1985 bis Mai 1986 erzielten Verkaufserlöse nicht einmal den Wert der eingekauften Ware erreicht, geschweige denn die Gesamtkosten des Wareneinkaufs. Zu berücksichtigen seien ferner Reisespesen in der Höhe von nahezu S 50.000,-- für den Flug zur Pariser Modemesse im Jahre 1984 und ein weiterer Reiseaufwand von S 62.824,-- im Jahr 1985. Es widerspreche jeglicher kaufmännischer Logik, rund S 100.000,-- in die Einrichtung eines Geschäftslokales zu stecken, für das (für die Dauer von eineinhalb Jahren) Miete in der Höhe von S 164.800,-- bezahlt worden sei. Die Betriebsveräußerung könne kein Indiz für das Vorliegen einer steuerlich beachtlichen gewerblichen Tätigkeit bilden, sondern spreche dagegen. Die Vorgangsweise des Beschwerdeführers weise darauf hin, daß "mit der Betriebstätigkeit - soferne eine solche überhaupt aufgenommen wurde - eine Milderung der steuerlichen Progression der hauptberuflich als Ziviltechniker bezogenen Einkünfte angestrebt wurde". Die Art der Führung des - hinsichtlich der Branche und des Standortes durchaus zur Gewinnerzielung geeigneten - Betriebes, aber auch der daraus abzuleitende Mangel an ernsthaftem Gewinnstreben spreche gegen das Vorliegen einer steuerlich zu beachtenden Einkunftsquelle, zumal die hauptberufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Ziviltechniker sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht mit der ertragreichen Führung einer Boutique nur schwer vereinbar erscheine.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, daß die Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 322/1990, auf den Beschwerdefall noch nicht anzuwenden war.

Aus der Umschreibung der Begriffe "Einkommen" und "Einkünfte" im § 2 EStG 1972 haben Schrifttum und Rechtsprechung abgeleitet, daß nur Tätigkeiten, die auf Dauer gesehen Gewinne bzw. Einnahmenüberschüsse erwarten lassen, als Einkunftsquelle in Betracht kommen und mit ihrem Ergebnis bei der Ermittlung des steuerlichen Einkommens zu berücksichtigen sind. Fehlt dagegen bei einer Tätigkeit (einem Betrieb) objektiv gesehen die Möglichkeit, Gewinne oder Einnahmenüberschüsse zu erzielen, oder mangelt es bei einem Abgabepflichtigen an der entsprechenden Absicht, liegt keine Einkunftsquelle, sondern Liebhaberei im steuerrechtlichen Sinne vor. Der belangten Behörde ist insofern beizupflichten, daß bei Beurteilung der Frage, ob eine Einkunftsquelle vorliegt, in erster Linie die objektive Eignung zur Gewinnerzielung maßgebend und erst in zweiter Linie die Absicht des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist (vgl Hofstätter-Reichel,

Die Einkommensteuer III. A, § 2 Tz 13;

Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, zweite Auflage, § 2 Tz 21 ff). Ob eine Tätigkeit nach den genannten Kriterien einer bestimmten Einkunftsart zuzuordnen oder als Liebhaberei im steuerlichen Sinne zu werten ist, kann regelmäßig erst nach einem gewissen Zeitraum beurteilt werden. Diese Regel gilt dann nicht, wenn bei einer Tätigkeit nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles die Erzielung von (positiven) Einkünften (Gewinnen) von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. das Erkenntnis vom 19. Februar 1985, Slg. Nr. 5961/F).

Im vorliegenden Fall ist zunächst davon auszugehen, daß es sich bei dem vom Beschwerdeführer betriebenen Unternehmen seinem äußeren Erscheinungsbild nach um einen Gewerbebetrieb gehandelt hat. Bei solchen Tätigkeiten, die nicht der Liebhaberei in der ursprünglichen Bedeutung dieses Begriffes zugezählt werden können, also nicht einer persönlichen Neigung des Steuerpflichtigen entspringen (vgl. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts I, 4. Auflage, Seite 23), kann nur in besonderen Ausnahmsfällen Liebhaberei angenommen werden (siehe Hofstätter-Reichel, a.a.O. Seite 21; vgl. ferner die hg. Erkenntnisse vom 7. Mai 1980, Zlen. 1466/79, 856/80, und vom 23. Oktober 1984, Zl. 84/14/0055).

Ein derartiger Ausnahmsfall liegt hier nicht vor. Das Auftreten von Verlusten reicht für sich allein nicht aus, das Fehlen des Gewinnstrebens und damit das Fehlen einer Einkunftsquelle anzunehmen. Um bei einer Tätigkeit, die sich ihrem Erscheinungsbild nach als Gewerbebetrieb darstellt, von Liebhaberei sprechen zu können, wird regelmäßig ein relativ langer, d.h. mehrjähriger, Beobachtungszeitraum herangezogen werden müssen, um die mangelnde Ertragsfähigkeit des Betriebes annehmen zu können. Fehlt - wie im vorliegenden Fall - ein solcher Zeitraum, müßten zumindest konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die einen zuverlässigen Schluß auf die mangelnde Ertragsfähigkeit des Betriebes in den folgenden Jahren zulassen. Eine solche Prognose war aber im Beschwerdefall nicht möglich. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Höhe der in den Erklärungen genannten Ausgaben für Auslandsreisen läßt keinen Schluß auf die mangelnde Ertragsfähigkeit des Betriebes zu, weil es sich dabei um erhöhte Anlaufkosten eines in der Modebranche Unerfahrenen handeln kann, ganz abgesehen davon, daß die betriebliche Veranlassung der behaupteten Reiseaufwendungen nicht geprüft wurde. Daß der Betrieb nach Branche und Standort zur Gewinnerzielung durchaus geeignet war, wird selbst von der belangten Behörde eingeräumt. Bei dieser Sachlage kann der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Begründung für das schlechte Betriebsergebnis in den Streitjahren, nämlich das Ausbleiben amerikanischer Touristen als Folge eines Terroranschlages auf den Flughafen B, nicht von vornherein die Richtigkeit und Relevanz abgesprochen werden, sodaß es erforderlich gewesen wäre, sich mit diesen Behauptungen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid auseinanderzusetzen.

Richtig ist der Hinweis der belangten Behörde, daß ein Indiz für mangelnde Gewinnerzielungsabsicht vorliegen kann, wenn der Steuerpflichtige neben der zu beurteilenden Tätigkeit eine Einkunftsquelle hat, die es ihm erlaubt, daraus seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und die Verluste aus der zu beurteilenden Tätigkeit abzudecken. Dieses Indiz wird aber ohne weitere diesbezügliche Anhaltspunkte nur in jenen Fällen von Bedeutung sein können, in denen die zu beurteilende Tätigkeit typischerweise mit besonderen, der Lebensführung zuzuordnenden Neigungen des Abgabepflichtigen zusammenhängt, was im Falle von Gewerbebetrieben regelmäßig nicht der Fall ist. So ergibt sich auch im vorliegenden Fall nach der Aktenlage kein anderes Motiv als Gewinnerzielungsabsicht für den Betrieb einer Boutique durch den Beschwerdeführer.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Ansicht, mit der Betriebstätigkeit sei eine Milderung der steuerlichen Progression hinsichtlich jener Einkünfte, die der Beschwerdeführer als Ziviltechniker erzielt habe, beabsichtigt gewesen, vermag dafür aber keine überzeugende Begründung zu geben. Aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer den Betrieb wenige Monate nach dessen Eröffnung veräußerte, kann auf eine derartige Absicht nicht geschlossen werden, sondern bloß darauf, daß der Beschwerdeführer für die Folgejahre derartige Verluste, die ja sein Einkommen schmälerten, vermeiden wollte.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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