VwGH 90/10/0002

VwGH90/10/000224.9.1990

N gegen Kärntner Landesregierung vom 28. August 1989, Zl. Ro-363/7/1989, betreffend Ausnahmebewilligung nach dem Kärntner Naturschutzgesetz:

Normen

NatSchG Krnt 1986 §1;
NatSchG Krnt 1986 §10 Abs3;
NatSchG Krnt 1986 §8;
NatSchG Krnt 1986 §1;
NatSchG Krnt 1986 §10 Abs3;
NatSchG Krnt 1986 §8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A vom 11. Juli 1988 wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 8 und 10 Abs. 3 des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986 (im folgenden: NSchG), die Bewilligung zur Vornahme von Entwässerungsmaßnahmen auf seinem Grundstück Nr. 457, KG. B, versagt.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 28. August 1989 unter Bezugnahme auf die vorhin genannten Gesetzesstellen abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, nach den klaren Ausführungen im Gutachten der Amtssachverständigen für Naturschutz vom 14. Juni 1989 handle es sich bei dem Grundstück Nr. 457 mit Ausnahme eines etwa 3 m breiten Streifens entlang der südlichen Grundstücksgrenze und entlang des das Grundstück querenden Weges um eine Feuchtfläche im Sinne des § 8 NSchG. Der nordöstlich des Weges gelegene Teil sei als Sumpffläche mit Sauergräsern (Carex sp.) als Zeigerpflanzen und der übrige Bereich als durch Quellaustritte entstandener Flachmoorbereich mit Fieberklee (Menyanthes trifoliata), Seggen (Carex sp.), Wollgras (Eriophorum), Mädesüß (Filipendula ulmaria) etc. als Zeigerpflanzen für Feuchtflächen zu qualifizieren. Es sei zumindest stellenweise eine, wenn auch dünne, Torfschicht vorhanden. Die gegenständliche Feuchtfläche sei ein durch großen Blütenreichtum ausgezeichneter Sumpfwiesen-Moorwiesen-Komplex. Derartig blumenreichen Feuchtwiesen, die quasi als "Ökoinseln" in eine Umgebung aus einheitlichen Intensivwiesen eingebettet seien, komme größte Bedeutung vor allem für die Erhaltung unserer Kleintierfauna, insbesondere der Schmetterlinge und sonstigen Insekten, zu. Der Charakter des gegenständlichen Landschaftsraumes würde durch Angleichung der Feuchtwiesenvegetation an die anders geartete Vegetation der umgebenden Wirtschaftswiesen jedenfalls nachteilig beeinträchtigt, da eine Verarmung dieses durch eine Vielfalt an Elementen gekennzeichneten Landschaftsraumes eintreten würde; ein Wegfall dieser "Ökoinsel" hätte unzweifelhaft eine Verarmung des derzeit durch den Arten(Blüten)reichtum ausgezeichneten Bereiches zur Folge. Dies bedeute im Sinne des § 9 Abs. 2 lit. b NSchG eine nachhaltige Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes. Da die Sachverständige weiters den Eintritt einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Gefüges des Haushaltes der Natur in diesem Lebensraum nicht ausschließen könne, seien die Bedingungen für eine Ausnahmebewilligung nach § 10 Abs. 3 lit. a NSchG nicht erfüllt. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte wirtschaftliche Interesse an der beantragten Entwässerung dieser Fläche (landwirtschaftliche Nutzung und in weiterer Folge Umwidmung bzw. Baureifmachung) sei keineswegs höher zu bewerten als das öffentliche Interesse des Naturschutzes. Im Sinne der Zielsetzung des § 1 habe das NSchG für Feuchtgebiete wie die gegenständliche Moor- bzw. Sumpffläche einen entsprechend strengen Schutz festgelegt. Dem Interesse an der Erhaltung eines solchen Lebensraumes und Rückzugsgebietes seltener Tier- und Pflanzenarten komme ein wesentliches Gewicht zu, das die rein wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht überwiegen könnten.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde trat der Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom 28. November 1989, B 1214/89, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem mit "Schutz der Feuchtgebiete" überschriebenen § 8 NSchG ist in Moor- und Sumpfflächen, Schilf- und Röhrichtbeständen sowie in Au- und Bruchwäldern die Vornahme von Anschüttungen, Entwässerungen, Grabungen und sonstigen den Lebensraum von Tieren und Pflanzen in diesem Bereich nachhaltig gefährdenden Maßnahmen verboten.

Gemäß § 10 Abs. 3 NSchG dürfen Ausnahmen von den Verboten des § 8 bewilligt werden, wenn a) durch das Vorhaben weder das Landschaftsbild nachteilig beeinflußt würde noch das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum oder der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt würde oder b) das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse an der Bewahrung des Feuchtgebietes vor störenden Eingriffen.

Der Beschwerdeführer verneint das Vorliegen einer Moor- bzw. Sumpffläche ("Sumpfwiesen-Moorwiesen-Komplex") im Sinne des § 8 NSchG auf dem Grundstück 457. Dieses Grundstück werde seit je her landwirtschaftlich genutzt, im Rahmen der Fruchtfolge sowohl als Acker als auch als Wiese verwendet und es sei in den letzten 30 Jahren mit sämtlichen landwirtschaftlichen Maschinen befahren worden. Das aber sei naturgemäß bei einer Sumpffläche im Sinne des § 8 NSchG wohl nicht möglich, da eine solche Fläche häufig oder ständig von Wasser durchtränkt oder bedeckt sei. Die einer Moorfläche eigentümliche Torfschicht fehle zur Gänze, wie aufgrund von Bodenproben festgestellt worden sei. "Tenor" des § 8 NSchG sei der Schutz von großräumigen Gebieten, die aufgrund ihrer Größe und ihrer Pflanzen- und Artenvielfalt ein in sich abgeschlossenes Ökosystem bildeten. Eine 2.000 m2 große landwirtschaftlich genutzte Fläche werde diesen Anforderungen nicht gerecht. Die belangte Behörde übersehe auch, daß es lediglich aufgrund der Auflassung der seinerzeitigen Wasserversorgungsanlage im Bereich des Quellaustrittes zu einer Vernässung "dieses Teiles der Parzelle" gekommen sei. Unter einer Moor- oder Sumpffläche im Sinne des § 8 NSchG sei jedoch nur ein natürlich gewachsenes, großräumiges Feuchtgebiet zu verstehen.

Nach den Erläuterungen zum NSchG (Z. Zl. Verf-30/12/1986, Seite 35) ging der Gesetzgeber von folgendem Verständnis der im § 8 verwendeten Begriffe aus: "Moore" sind vegetationsbedeckte, an der Bodenoberfläche liegende Lagerstätten von Torfen, die zumindest während ihrer Entstehung wasserdurchtränkt waren. Unter "Moorflächen" sind Geländeteile zu verstehen, die von Moor oder einer für Torfböden eigentümlichen Vegetation bedeckt sind, ungeachtet, ob unter den gegebenen Klimaverhältnissen noch weiterhin Torf gebildet wird. "Sumpffläche" ist ein Gelände, das häufig oder ständig von Wasser durchtränkt oder bedeckt ist, dessen Boden keinen Torfhorizont aufweist und das von Pflanzengemeinschaften bewachsen ist, die den besonderen Wasserverhältnissen angepaßt sind.

Diese zuletzt wiedergegebene Umschreibung des Begriffes "Sumpffläche" zeigt, daß der Gesetzgeber im wesentlichen das im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Oktober 1979, Zl. 1637/79, entwickelte Verständnis dieses Begriffes übernommen hat. Wesentliche Elemente für die Qualifikation einer Fläche als Sumpffläche sind demnach die häufige oder ständige Durchnässung des Bodens und das Vorhandensein von an die besonderen Wasserverhältnisse angepaßten Pflanzengemeinschaften, nicht jedoch das Vorliegen einer Torfschicht. Da auch Sumpfflächen Feuchtgebiete im Sinne des § 8 NSchG sind, ist die zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittige Frage, ob zumindest teilweise eine Torfschicht besteht und daher insoweit eine Moorfläche vorliegt, im Ergebnis ohne rechtliche Bedeutung. Damit erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen. Die Durchnässung des Bodens steht im vorliegenden Fall außer Frage, war doch gerade dieser Umstand der Anlaß für die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Entwässerung des Grundstückes. Das Vorhandensein von an die besonderen Wasserverhältnisse angepaßten Pflanzengemeinschaften konnte die belangte Behörde aufgrund der Äußerungen der Amtssachverständigen zum Vorhandensein einer nässebedürftigen Vegetation bzw. torfbildender Pflanzenarten unbedenklich annehmen, zumal der Beschwerdeführer diesen Ausführungen nicht konkret entgegengetreten ist. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt entspricht die rechtliche Qualifikation der gegenständlichen Fläche als Sumpffläche im Sinne des § 8 NSchG dem Gesetz.

Daran vermag das oben wiedergegebene Beschwerdevorbringen nichts zu ändern. Dem Gesetz ist nämlich nicht zu entnehmen, daß § 8 NSchG nur "großräumige" Gebiete schütze. Es braucht nicht näher dargetan zu werden, daß auch der Schutz einer "Ökoinsel" wie der vorliegenden mit einer Fläche mit rund 2.000 m2 der Zielvorgabe des § 1 NSchG entspricht, nämlich die Natur unter anderem in ihrer Vielfalt und Eigenart sowie hinsichtlich des Artenreichtums der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürlicher Lebensräume zu schützen. Daß die Vernässung des Bodens die Folge der Auflassung einer seinerzeit auf diesem Grundstück vorhanden gewesenen, aus hier zutage tretenden Quellwässern gespeisten Wasserversorgungsanlage war und daher insofern kein "natürlich gewachsenes" Feuchtgebiet vorliegt, ändert nichts am Vorliegen einer Sumpffläche im Sinne des § 8 NSchG. Ebensowenig schließt die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte bisherige landwirtschaftliche Nutzung dieses Grundstückes unter Verwendung auch schwerer Maschinen die besagte Annahme eines Feuchtgebietes aus, was allein schon der zutreffende Hinweis der belangten Behörde auf das Beispiel der landwirtschaftlichen Nutzung von Moorwiesen als Streuwiesen zeigt.

Unter Bezugnahme auf § 10 Abs. 3 NSchG wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sein Vorbringen unbeachtet gelassen zu haben, "wonach seit dem Auflassen der Trinkwasseranlage das Quellwasser bereits provisorisch abgeleitet wird", ohne daß dadurch das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum oder der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt worden sei. Damit vermag der Beschwerdeführer deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil die ins Treffen geführte "provisorische Ableitung" nach dem vorhin Gesagten offensichtlich die Durchnässung des Bodens nicht verhindert hat, wie insbesondere das Vorhandensein der für Feuchtflächen charakteristischen Vegetation zeigt. Käme es nun zu der vom Beschwerdeführer geplanten wirksamen Entwässerung, so würde dies zwangsläufig die Durchnässung des Bodens beseitigen. Damit wäre aber der sie voraussetzenden, für nasse Standorte charakteristischen Vegetation die Lebensgrundlage entzogen. Mit anderen Worten, die Entwässerung des Feuchtgebietes beeinträchtigt im Hinblick auf die entscheidende Bedeutung eines hohen Wassergehaltes im Boden für die Vegetation zwangsläufig das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum.

Da sich die Beschwerde als nicht begründet erwiesen hat, ist sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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