Normen
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
BDG 1979 §105;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
BDG 1979 §105;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Inspektor der Gendarmerie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist die E-Abteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark.
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, nach dem am 3. Jänner 1989 die Staatsanwaltschaft Graz die gegen den Beschwerdeführer wegen schwerer Nötigung und Freiheitsentziehung erstattete Anzeige nach Prüfung gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt hatte, den Beschwerdeführer nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Erkenntnis vom 12. April 1989 schuldig erkannt, er hätte
1. sich während seines Krankenstandes wegen einer infektiösen Darmerkrankung vom 7. bis einschließlich 23. Dezember 1988, mit Ausnahme der Sonntage, wiederholt im Kaffee "Z" in Graz, X-Gasse, aufgehalten und dadurch nicht an der ihm zumutbaren, zu seiner Genesung erforderlichen Krankenbehandlung durch Einhaltung von Bettruhe in häuslicher Pflege mitgewirkt,
2. am 27. Dezember 1988 seinen Dienst laut Dienstplan von 08.00 Uhr bis 19.00 Uhr angeordneten Kanzleidienst gegen 09.00 Uhr abgebrochen und seine Dienststelle verlassen, ohne vom Dienst befreit, enthoben oder sonst gerechtfertigt abwesend gewesen zu sein und
3. seine Festnahme wegen des Verdachtes des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung und des Vergehens der Freiheitsentziehung verschuldet, weil er gegen 14.20 Uhr desselben Tages seine ehemalige Lebensgefährtin A vor dem Haus X-Gasse 5 in Graz durch die Äußerung: "Ich fahre jetzt ins Kommando, hole meine Puffen und erschieße zuerst dich und dann mache ich es so und dann sind wir beide weg, weil um dich ist eh nicht schad", zur Fortführung der Lebensgemeinschaft zu bewegen versucht, und sich anschließend unter dem Vorwand, von den Stadtwerken Graz zu kommen, gegen den erkennbaren Willen seiner ehemaligen Lebensgefährtin in ihre Wohnung Zutritt verschafft und die Genannte bis zu seiner Festnahme gegen 17.00 Uhr durch Sicherheitswachebeamte der Bundespolizeidirektion Graz am Verlassen ihrer Wohnung gehindert.
Wegen dieser schuldhaften Dienstpflichtverletzungen hatte die Disziplinarbehörde erster Instanz über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979) eine Geldstrafe in Höhe von 8.000 S verhängt.
Nach Verkündung dieses Erkenntnisses und Erteilung der Rechtsmittelbelehrung hatte der Beschwerdeführer am 12. April 1989 zur Niederschrift einen Rechtsmittelverzicht abgegeben.
Mit Schriftsatz vom 9. November 1989 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des durch das oben erwähnte Erkenntnis rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinarverfahrens. Seine ehemalige Lebensgefährtin, A, habe ihn am 30. Oktober 1989 davon in Kenntnis gesetzt, daß sie bereits am 30. August 1989 ein Schreiben an das Landesgendarmeriekommando für Steiermark gerichtet habe. Aus diesem Schreiben ergäbe sich, daß der Sachverhalt, welcher der Disziplinarbehörde erster Rechtsstufe bei Erlassung des oberwähnten Disziplinarerkenntnisses zu Grunde gelegen sei, unrichtig gewesen sei. Da die Einvernahme der Genannten als Zeugin bei der mündlichen Verhandlung nicht aus seinem Verschulden unterblieben sei, sei der Antrag berechtigt und begründet.
Diesen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wies die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres mit Bescheid vom 13. Dezember 1989 mit der Begründung ab, dem Schreiben der A vom 30. August 1989 könnten keine neuen Beweismittel entnommen werden.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 18. April 1990 gab die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt als Disziplinarbehörde zweiter Rechtsstufe der Berufung des Beschwerdeführers, in der er auf seiner Ansicht beharrte, die zur Wahrheitsfindung unbedingt notwendige Einvernahme der A als Zeugin in der mündlichen Verhandlung sei ohne sein Verschulden unterblieben, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, daß der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen werde. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens, soweit für die Beschwerde von Relevanz, ausgeführt, dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers sei entgegenzuhalten, daß bereits anläßlich der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarbehörde erster Instanz seitens der Verteidigung auf diverse Widersprüche in den Angaben der Zeugin A hingewiesen und darüberhinaus angeführt worden sei, daß die Zeugin sogar bei der Staatsanwaltschaft wegen der Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens vorgesprochen habe. Dennoch habe weder der Beschwerdeführer noch sein ausgewiesener Vertreter den formellen Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme der Genannten vor dem Disziplinarsenat gestellt. Der Beschwerdeführer habe in Kenntnis dieser Mangelhaftigkeit des Verfahrens darüber hinaus auch verzichtet, ein Rechtsmittel zu ergreifen. Ein auf § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 gestützter Wiederaufnahmeantrag habe zur Voraussetzung, daß neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Im Beschwerdefalle habe es der Beschwerdeführer in Kenntnis der geschilderten Lage verabsäumt, entsprechende Beweisanträge zu stellen bzw. das erstinstanzliche Erkenntnis im Wege einer Berufung, in der der diesbezügliche Verfahrensmangel hätte geltend gemacht werden können, anzufechten. Aus dieser Sicht sei das Merkmal des Nichtverschuldens der Partei bei der Geltendmachung von Tatsachen oder Beweismitteln, das eine Tatbestandsvoraussetzung für eine Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 bilde, nicht gegeben. Diese Ansicht stehe durchaus im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Versäumnisse, wie etwa die Nichtberücksichtigung eines Beweisantrages oder die Nichtbekämpfung eines Bescheides vor dem Verwaltungsgerichtshof, nicht durch einen Wiederaufnahmeantrag nachgeholt werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Gerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens verletzt. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes trägt er im Einklang mit seinem Vorbringen im Administrativverfahren vor, das Schreiben der Zeugin A vom 30. August 1989 stelle als solches ein "neues Beweismittel" dar, bzw. ergäben sich daraus "neue Tatsachen" iSd § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950, die der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend machen konnte. Abgesehen davon sei als "neue Tatsache" die nunmehrige Kenntnis des Beschwerdeführers von dem Umstand zu betrachten, daß die genannte Zeugin bereit sei, die Vorfälle am 27. Dezember 1988 so zu schildern, wie sie sich tatsächlich ereignet hätten.
Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Gemäß dem zur Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides erhobenen § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß dem Beschwerdeführer in bezug auf die unterbliebene Vernehmung der A als Zeugin in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 1989, zu welcher sie nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens geladen, aber nicht erschienen war, ein Verschulden anzulasten sei.
Diese Auffassung der belangten Behörde erweist sich als nicht rechtswidrig.
Wie der bei den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegenden Verhandlungsniederschrift entnommen werden kann, verlas der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 1989 die von A am 28. Dezember 1988 vor Organwaltern der Kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Graz zur Niederschrift abgegebenen und den Beschwerdeführer belastenden Aussagen. Mit diesem Beweisergebnis in der mündlichen Verhandlung konfrontiert, hätte er bereits zu diesem Zeitpunkt zum Zwecke seiner Rechtfertigung Gelegenheit gehabt, diese - trotz Ladung nicht erschienene - Person im Disziplinarverfahren als Zeugin zu führen. Er hat es jedoch unterlassen und sogar einen Rechtsmittelverzicht abgegeben.
Die Unterlassung solcher möglicher Beweisanträge muß dem Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. im Zusammenhang die Erkenntnisse vom 17. Juni 1983, Zl. 81/02/0240, und vom 11. November 1983, Zlen. 82/02/0035, 0036) als Verschulden iSd § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 zugerechnet werden. Wenn der Beschuldigte im Disziplinarverfahren es unterläßt, sich eines bestimmten Beweismittels zu seiner Verteidigung zu bedienen, so begibt er sich des Rechts auf Wiederaufnahme des Verfahrens unter Bedachtnahme auf dieses Beweismittel nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG (VwSlg 5786/A).
Liegt aber Verschulden an der Unterlassung der Beweisaufnahme in jener Richtung vor, die später als Wiederaufnahmsgrund geltend gemacht wird, so hat die belangte Behörde im Ergebnis ohne Rechtsirrtum das Wiederaufnahmebegehren abgewiesen.
Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
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