VwGH 90/06/0112

VwGH90/06/011225.10.1990

Der Verwaltungsgerichthof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde 1.) der A-Gesellschaft m.b.H. und 2.) der B-Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 21. Juni 1990, Zl. A 17-K-5468/1990-1, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs4;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 idF 1987/067;
BauO Stmk 1968 §58 Abs2 idF 1989/014;
BauRallg;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §35 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwRallg;
AVG §62 Abs4;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 idF 1987/067;
BauO Stmk 1968 §58 Abs2 idF 1989/014;
BauRallg;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §35 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist Eigentümerin der Grundstücke a und b EZ 1085, KG X, die Zweitbeschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. c EZ d, KG X. Diese Grundstücke sind Teile eines mit Widmungsbewilligung vom 15. Oktober 1976 gewidmeten Bauplatzes. Mit Bescheid vom 27. Juni 1966 war die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Halle für Steinindustriezwecke erteilt worden. Mit Bescheid vom 23. Dezember 1988 wurde der Umbau dieser Halle für Steinindustriezwecke bewilligt.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 10. Jänner 1990 wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß § 70a Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung (StmkBO) der Auftrag erteilt, die konsenswidrige Nutzung der auf den Grundstücken Nr. d, c und b befindlichen Halle als Lebensmittel- und Haushaltswarenmarkt binnen einer Woche ab Rechtskraft des Bescheides zu unterlassen. Gleichzeitig wurde aufgetragen, innerhalb der gleichen Frist sämtliche Lebensmittel und Haushaltswaren sowie sämtliche Gerätschaften, welche nicht Steinindustriezwecken dienten, aus der Halle und vom Bauplatz zu entfernen.

Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerinnen wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid insofern Folge gegeben, als der Auftrag zur Entfernung der Lebensmittel, Haushaltswaren und anderen Gerätschaften behoben wurde, im übrigen wurde der erstinstanzliche Bescheid mit der Ergänzung bestätigt, daß der Auftrag auch auf § 73 Abs. 2 StmkBO gestützt werde. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Hinweisen auf die §§ 57, 58, 70a und 73 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1988 ausgeführt, es sei unbestritten, daß die gegenständlichen Grundstücke im Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz als "Industrie- und Gewerbegebiet Y" ausgewiesen seien und eine Widmungsbewilligung vom 15. Oktober 1976 vorliege, in der unter Auflage Punkt 4 festgelegt worden sei, daß das auf dem Bauplatz zu errichtende Gebäude nur Steinindustriezwecken dienen dürfe. Weiters lägen Baubewilligungen vor, in denen die Benützung des gegenständlichen Objektes als Fertigungs- und Steinsägehalle sowie der Umbau der Betriebshalle für Steinindustriezwecke bewilligt worden sei. Ebenso sei unbestritten, daß die auf den Grundstücken bestehende Halle nicht für Zwecke der Steinindustrie, sondern als Lebensmittel- und Haushaltswarenmarkt ("Z") verwendet werde. Die Bewilligungspflicht gemäß § 57 Abs. 1 lit. c StmkBO liege schon vor, wenn die Änderung des Verwendungszweckes u.a. auf den Brandschutz oder die Sicherheit von Einfluß sein könne. Für die Annahme der Bewilligungspflicht der Verwendungsänderung reiche schon die Möglichkeit der Einflußnahme auf den Brandschutz oder die Sicherheit aus. Daß die Änderung des Verwendungszweckes einer für Steinindustriezwecke bewilligten Betriebshalle in einen Lebensmittel- und Haushaltswarenmarkt zumindest auf den Brandschutz und die Sicherheit Einfluß haben könnte, ergebe sich schon daraus, daß in einem Lebensmittel- und Haushaltswarenmarkt eine andere Kundenfrequenz herrsche. Überdies könnten durch die Änderung der Raumeinteilung Änderungen der Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse sowie Änderungen der Fluchtwege eintreten, wodurch schon die Notwendigkeit der Bewilligung durch die Baubehörde gemäß § 57 Abs. 1 lit. c StmkBO gegeben sei. Diese Einflußmöglichkeit werde auch von den Beschwerdeführern anscheinend nicht vollständig ausgeschlossen, wie sich aus ihrem Ansuchen um Planänderung vom 4. September 1989 ergebe, mit welchem um eine Bewilligung der geänderten Aufteilung der Fensterflächen, der Änderung der Raumeinteilung, des Zubaues einer Rampe und der Herstellung eines Vordaches angesucht worden sei. Konsenswidrig sei die Nutzung als Lebensmittel- und Haushaltswarenmarkt aber auch deshalb, weil zwar ein Betriebsgebäude für Steinindustriezwecke eine Gesamtbetriebsfläche von mehr als 1.000 m2 haben könne, ein Handelsbetrieb mit einer Gesamtbetriebsfläche von mehr als 1.000 m2 aber als Einkaufszentrum im Sinne des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes anzusehen und auf den im Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz als "Industrie- und Gewerbegebiet Y" ausgewiesenen Grundstücken unzulässig sei. Konsenswidrig sei die Nutzung der Lagerhalle als Lebensmittel- und Haushaltswarenmarkt auch wegen des Vorliegens einer rechtskräftigen Widmungsbewilligung vom 15. Oktober 1976, in der festgelegt worden sei, daß die auf dem Bauplatz zu errichtenden Gebäude nur Steinindustriezwecken dienen dürften. Die Ansicht der Beschwerdeführerinnen, wonach gemäß § 58 Abs. 2 StmkBO bei Bauführungen nach § 57 Abs. 1 lit. c leg. cit. der Nachweis einer Widmungsbewilligung nicht erforderlich sei, sei zwar zutreffend, schließe aber nicht aus, daß bei Vorliegen eines rechtsgültigen Widmungsbescheides nicht bei Bauführungen nach § 57 Abs. 1 lit. c StmkBO eine Abänderung desselben erforderlich sei. Dies bedeute, daß bei Änderungen des Verwendungszweckes bei bewilligten Gebäuden, für die keine Widmungsbewilligung vorliegt, der Nachweis einer Widmungsbewilligung nicht erforderlich sei, daß aber bei Vorliegen eines rechtskräftigen Widmungsbewilligungsbescheides, in dem Festsetzungen bezüglich des Verwendungszweckes getroffen worden seien, eine Abänderung desselben erforderlich sei, da ja ansonsten ein Widerspruch zwischen Baubewilligung und Widmungsbewilligung bestünde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt und eine Gegenschrift vor, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzustellen, daß die Rüge, das fragliche Hallengebäude befände sich auf den Grundstücken a, b und c und nicht auf den Grundstücken d, c und b, der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen kann, weil die belangte Behörde mit Bescheid vom 2. Oktober 1990, Zl. A 17-K-5468/1990-2, gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 eine Berichtigung der Grundstücksnummer (a anstatt d) vorgenommen hat. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführerinnen zugestellt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Berichtigung jederzeit (auch noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich (Erkenntnis vom 22. Mai 1985. Slg. N.F. Nr. 11775/A). Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist dieser dem Beschwerdeverfahren in der berichtigten Fassung zugrundezulegen (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. N.F. Nr. 12329/A). Im übrigen wurde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Berichtigung der irrigen Bezeichnung eines Grundstückes in einem Bescheid für zulässig angesehen, wenn außer Streit steht, daß die falsche Bezeichnung das tatsächlich gemeinte Grundstück trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1950, Slg. Nr. 1483/A). Daß die Unrichtigkeit offenkundig war und für die Beschwerdeführerinnen außer Zweifel stand, welches Grundstück tatsächlich gemeint war, geht schon aus dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen hervor.

Gemäß § 57 Abs. 1 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, in der Fassung LGBl. Nr. 67/1987, bedürfen Umbauten, Bauveränderungen und Änderungen des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen derselben, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluß sein können oder auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Rechte der Nachbarn anzuwenden sind, einer Bewilligung der Baubehörde. Die belangte Behörde hat nun in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Standpunkt vertreten, daß für die Annahme der Bewilligungspflicht der Änderung des Verwendungszweckes allein schon die Möglichkeit der Einflußnahme auf u.a. den Brandschutz oder die Sicherheit ausreicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juli 1989, Zl. 88/06/0197, 0198). Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der Ansicht der belangten Behörde an, wonach sich bereits auf Grund des Umstandes, daß im Lebensmittel- und Haushaltswarenmarkt ("Z"), eine größere Kundenfrequenz herrscht, die Möglichkeit von Einflüssen zumindest auf die Sicherheit besteht. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, aus welchen Gründen das Verfahren an einem "Ermittlungsdefizit" leiden soll. Die belangte Behörde erkannte richtig, daß schon allein angesichts der erhöhten Kundenfrequenz für jeden Laien die EinflußMÖGLICHKEIT einsichtig war. Da aber schon das Vorliegen eines einzigen Kriteriums des § 57 Abs. 1 BO die Bewilligungspflicht nach sich zieht, hat die belangte Behörde zu Recht die Änderung des Verwendungszweckes als bewilligungspflichtig angesehen. Bei dieser Sachlage ist es unerheblich, ob eine Änderung der Raumeinteilung, oder der Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse vorgenommen wurde, weil nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides nur die Unterlassung der bewilligungslosen Änderung des Verwendungszweckes aufgetragen wurde.

Zutreffend rügt zwar die Beschwerde, daß bei der Frage, ob auch Änderungen der Raumeinteilung vorgenommen wurden und ob eine Gesamtbetriebsfläche von über 1.000 m2 Gegenstand der inkriminierten Verwendung sei, nicht von einem eingebrachten Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung auszugehen ist, weil ein Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung grundsätzlich ein Projektgenehmigungsverfahren ist, während Gegenstand des Unterlassungsauftrages die tatsächlichen Gegebenheiten sind, doch ist der Auftrag, die bewilligungslose Änderung des Verwendungszweckes zu unterlassen, wie bereits ausgeführt, auch dann schon Rechtens, wenn durch die Änderung des Verwendungszweckes nur Belange der Sicherheit berührt werden.

Der angefochtene Bescheid qualifizierte die geänderte Verwendung letztlich auch aus dem Grunde als konsenswidrig, weil in der rechtskräftigen Widmungsbewilligung vom 15. Oktober 1976 festgelegt worden sei, daß die auf dem Bauplatz zu errichtenden Gebäude nur Steinindustriezwecken dienen dürften. Die Änderung des Verwendungszweckes durch Betreiben eines Lebensmittel- und Haushaltsmarktes anstelle eines Betriebes der Steinindustrie steht weder mit den oben angeführten erteilten Baubewilligungen, noch mit der Widmungsbewilligung vom 15. Oktober 1976 im Einklang. Gemäß § 58 Abs. 2 StmkBO 1968 in der Fassung LGBl. Nr. 14/1989 entfällt die Pflicht zum Nachweis der Widmung u.a. bei Bauführungen nach § 57 Abs. 1 lit. c bis h. Aus dieser Bestimmung geht aber nicht hervor, daß Maßnahmen, die unter die Bewilligungspflicht des § 57 Abs. 1 lit. c StmkBO fallen, mit einer bestehenden Widmung (oder gar dem Flächenwidmungsplan) im Widerspruch stehen dürfen.

Gemäß § 73 Abs. 2 StmkBO in der Fassung LGBl. Nr. 14/1989 befreit die Strafe nicht von der Verpflichtung, Abweichungen von den baurechtlichen Vorschriften zu beheben und die in den Bescheiden der Baubehörden enthaltenen Anordnungen und Auflagen zu erfüllen. Unbestritten ist, daß in der Halle des ehemaligen Steinindustriebetriebes ein Lebensmittel- und Haushaltswarenmarkt eingerichtet wurde. Hiemit lag eindeutig eine Änderung des Verwendungszweckes, die auf die Sicherheit, und - wie die Behörde erster Instanz unwidersprochen ausführte, wegen der Änderung des Lagergutes von nicht brennbarem Steinmaterial auf brennbare Lebensmittel und Verkaufsgegenstände auch auf den Brandschutz von Einfluß sein könnte - vor, wodurch die Notwendigkeit der Bewilligung der Baubehörde gemäß § 57 Abs. 1 lit. c StmkBO gegeben war. Da die erforderliche Baubewilligung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unbestritten nicht vorlag, erging der auf § 73 Abs. 2 StmkBO gestützte Auftrag, die konsenswidrige Nutzung zu unterlassen, zu Recht.

Da die Beschwerdeführerinnen somit durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt sind, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

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