VwGH 90/04/0092

VwGH90/04/009227.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N-GesmbH & Co KG gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 31. Jänner 1990, Zl. 310.777/5-III-3/89, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: 1. A in X; 2. B in X), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewRNov 1988 Art6 Abs1;
GewRNov 1988 Art6 Abs4;
ROG Tir 1984 §15 Abs1;
ROG Tir 1984 §15 Abs2;
ROG Tir 1984 §16 Abs1;
ROG Tir 1984 §16 Abs3;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewRNov 1988 Art6 Abs1;
GewRNov 1988 Art6 Abs4;
ROG Tir 1984 §15 Abs1;
ROG Tir 1984 §15 Abs2;
ROG Tir 1984 §16 Abs1;
ROG Tir 1984 §16 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In dem der Beschwerde zu Grunde liegenden Betriebsanlagengenehmigungsverfahren ist der im Instanzenzug ergangene Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Juli 1988 mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1989, Zl. 88/04/0231, auf dessen Entscheidungsgründe in Ansehung der Darstellung des bis dahin erfolgten Ablaufes des Verwaltungsverfahrens verwiesen wird, im Umfang seines Spruchpunktes I wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden. Die Aufhebung ist in Anwendung des § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1973, idF vor der Gewerberechtsnovelle 1988, darauf gestützt worden, daß die nach der Aktenlage bestehende Unklarheit über die Stelle des Beginnes der Betriebszufahrt nicht aufgeklärt worden war und daß Feststellungen etwa über die Widmung der Straßen-(Weg-)Strecke und über die tatsächliche Erkennbarkeit der Widmung dieser Verkehrsflächen in der Natur nicht getroffen worden waren und solcherart nicht jene Stelle bestimmt worden war, an der das Verkehrsgeschehen in seiner rechtlichen Beurteilung auf der Grundlage der §§ 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 77 Abs. 1 und 2 GewO 1973 vom Verkehr auf öffentlicher Straße zu dem zum Betriebsgeschehen in der Betriebsanlage gehörenden Zufahren zu dieser bzw. umgekehrt das Wegfahren von dieser zum Verkehr auf öffentlicher Straße wird. Solcherart hätten sich, wie der Verwaltungsgerichtshof weiters ausgeführt hat, die Ergebnisse der Lärmmessungen 2 bis 5 nicht zweifelsfrei entweder dem Verkehr auf öffentlicher Straße oder dem Betriebsgeschehen zuordnen lassen.

Mit dem daraufhin ergangenen Ersatzbescheid vom 31. Jänner 1990 wurden die Bescheide der Unterbehörden mit Ausnahmen von die Vorschreibung von Kommissionsgebühren, Barauslagen und Stempelgebühren betreffenden Spruchpunkten im Grunde des § 77 Abs. 1, zweiter Satz, GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, behoben und das Ansuchen der Beschwerdeführerinin vom 20. Februar 1985 um gewerberechtliche Genehmigung einer geordneten Mülldeponie abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus dem Ansuchen der Beschwerdeführer vom 20. Februar 1985 ergebe sich, daß das Betriebsgrundstück aus mehreren Grundstücken bestehe. Diese seien nach dem gültigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde X folgendermaßen gewidmet:

Grundstück 976/6: Kenntlichmachung als Schotterabbaugebiet; Grundstück 980/3 und 7-12: Freiland - Waldparzelle.

Dem beantragten Projekt auf den Grundstücken 980/3 und 7-12 stehe § 15 Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 entgegen, da nach dieser Bestimmung im Freiland die Errichtung oder Änderung von baulichen Anlagen nur nach Maßgabe der Absätze 3 bis 7 (Bauten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe) zulässig sei und die von der Betriebsanlage erfaßten Grundflächen nicht als Sonderflächen für Anlagen im Sinne des § 16 Abs. 1 gewidmet seien. Das Grundstück 976/6 sei zwar als Sonderfläche-Schotterabbaugebiet gewidmet, beantragt sei jedoch die Genehmigung einer "geordneten Mülldeponie", sodaß dem Projekt auf diesem Grundstück § 16 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 entgegenstehe. Auf Grund des § 77 Abs. 1, zweiter Satz, GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, sei die Genehmigung der gegenständlichen Betriebsanlage nunmehr ohne weiteres Ermittlungsverfahren zu versagen gewesen, da die Errichtung und der Betrieb dieser Anlage nach den landesrechtlichen Vorschriften der §§ 15 Abs. 2 und 16 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 verboten sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Genehmigung der den Gegenstand ihres Ansuchens bildenden Betriebsanlage verletzt. Sie trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, mit dem angefochtenen Bescheid habe die belangte Behörde der Stadtgemeinde X Parteistellung zugesprochen, da ausdrücklich "über die Berufung der B, des A und der Stadtgemeinde X" entschieden worden sei. Damit habe die belangte Behörde nicht nur die Bestimmung des § 42 Abs. 3 VwGG, sondern auch die Bestimmung des § 63 Abs. 1 VwGG verletzt. Über die Frage, ob der Stadtgemeinde X Parteistellung zukomme, sei bereits rechtskräftig abgesprochen worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit dem Erkenntnis vom 28. Februar 1989, Zl. 88/04/0231, die Beschwerde der Stadtgemeinde X als unbegründet abgewiesen. Da sich auch seit Erlassung des mit dem Verwaltungsgerichtshoferkenntnis aufgehobenen Bescheides zur Frage der Parteistellung der Gemeinde X die Sach- und Rechtslage nicht geändert habe, wäre auf Grund des § 63 Abs. 1 VwGG die belangte Behörde verpflichtet gewesen, mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Jedenfalls also wäre die Berufung der Stadtgemeinde X mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Die belangte Behörde habe weiters die Bestimmungen der §§ 42 und 66 AVG 1950 verletzt, indem sie ihre Prüfungsbefugnis überschritten habe. Bei der Prüfung der Einwendungen von Nachbarn sei die Berufungsbehörde auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich deren der Nachbar ein Mitspracherecht besitze, sodaß es der Berufungsbehörde verwehrt sei, aus Anlaß der Berufung eines Nachbarn andere Fragen als Rechtsverletzungen des Nachbarn aufzugreifen. Den Nachbarn stehe gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 das Recht zur Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 zu. Voraussetzung für die Erhebung von zulässigen Einwendungen sei u. a., daß der Nachbar die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten im Sinne der genannten Gesetzesstelle behauptet. Mit diesen Einwendungen und den damit zusammenhängenden Fragen habe sich der Verwaltungsgerichtshof im vorangegangenen Erkenntnis bereits erschöpfend auseinandergesetzt. In Anwendung des § 77 GewO 1973, wie er vor der Gewerberechtsnovelle 1988 in Geltung gestanden sei, habe der Verwaltungsgerichtshof aus bestimmten und ausdrücklich genannten sowie konkret umschriebenen Gründen den Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juli 1988 infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Sinne der Bestimmung des § 63 VwGG sei die belangte Behörde an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes gebunden und verpflichtet, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Dies sei aber nicht geschehen.

Selbst wenn aber die belangte Behörde der Ansicht sein sollte, es sei nun, nach der Gewerberechtsnovelle 1988, die Neufassung heranzuziehen, so sei zu beachten, daß die Einwendungen der Nachbarn und deren Beurteilung in der Bestimmung des § 77 Abs. 2 GewO 1973 geregelt seien, das heiße, daß die Belästigung des Nachbarn über das zumutbare Maß im Sinne des § 77 Abs. 2 hinausgehen müsse, um relevant zu sein. Im Gegensatz zur alten Fassung des § 77 Abs. 2 sei in der neuen Fassung der Satz "Hiebei sind auch die für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Vorschriften zu berücksichtigen."

herausgenommen worden, sodaß der Nachbar nun nicht mehr in seinen Einwendungen die Berücksichtigung der Widmungsvorschriften als subjektiv-öffentliches Recht geltend machen könne. Die neue Fassung habe die Frage der Widmung der Liegenschaften aus dem Einwendungsbereich des Nachbarn herausgenommen und in den öffentlich-rechtlichen Bereich eingeordnet. Öffentlich-rechtliche Einwendungen stünden dem Nachbarn aber nicht zu. Es sei also auch nach der Gewerberechtsnovelle 1988 keine gesetzliche Grundlage vorhanden, aus Gründen der Widmung dem Ansuchen der Beschwerdeführerin keine Folge zu geben.

Es bestehe auch dann, wenn man die einschlägigen Bestimmungen in der Fassung nach der Gewerberechtsnovelle 1988 anwende, nach wie vor die Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1989. Dazu komme, daß das Verwaltungsverfahren noch vor dem 1. Jänner 1989, also vor Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1988, rechtskräftig abgeschlossen worden sei, nämlich durch die stattgebende Berufungsentscheidung vom 25. Juli 1988, womit auch die Berufung der Stadtgemeinde X mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Die Rechtskraft sei durch die Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht aufgehoben worden, jedenfalls nicht hinsichtlich der Stadtgemeinde X. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich im Erkenntnis vom 5. Juni 1956, Slg. N.F. Nr. 4084/A, mit der Auslegung des § 42 Abs. 3 VwGG auseinandergesetzt. Er habe hiebei die Wirkung einer Aufhebung eines Bescheides im Sinne des § 42 Abs. 3 VwGG mit der WIrkung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verglichen; auch aus diesem Grund sei jedenfalls der Stadtgemeinde X aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1989 kein Recht erwachsen, wie es im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde der Stadtgemeinde X offenbar zuerkannt werde. Im angefochtenen Bescheid habe sich die belangte Behörde in keiner Weise mit den weiteren Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens auseinandergesetzt. Es sei ausdrücklich "ohne weiteres Ermittlungsverfahren" die Genehmigung der gegenständlichen Betriebsanlage versagt worden. Die Ermittlungen hätten jedoch - belegt durch Grundbuchsauszüge des Bezirksgerichtes Y, Grundstücksverzeichnisse und Pläne des Vermessungsamtes Z sowie durch die ebenfalls öffentliche Urkunde, nämlich den Lageplan des Dipl.Ing. W, Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen in X, vom 8. Juni 1989 über den Verlauf der hier gegenständlichen Weganlage - ergeben, daß jene Stelle bestimmt worden sei, an der das Verkehrsgeschehen in seiner rechtlichen Beurteilung auf der Grundlage der §§ 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 77 Abs. 1 und 2 GewO 1973 vom Verkehr auf öffentlicher Straße zu den zum Betriebsgeschehen in der Betriebsanlage gehörenden Zufahrten zu dieser bzw. umgekehrt das Wegfahren von dieser zum Verkehr auf öffentlicher Straße werde. Weiters habe sich daraus ergeben, daß der Privatweg zur Mülldeponie erst beim Verlassen des zum öffentlichen Gut gehörigen Weggrundstückes 1114, sohin 94 m westlich der alten Bundesstraße am Beginn des Grundstücks 1116 beginne und daß nach den aktenkundigen Ergebnissen der Lärmmeßproben das Befahren der Privatzufahrtsstraße auf Gst. 1116 und dann weiter südlich vom Meßpunkt beim Haus V Baugrundstück 458 überhaupt nicht habe "gehört" werden können, sondern erst das Vorbeifahren auf der öffentlichen Straße Grundstück 1114 bzw. 1067/6. Die Liegenschaften der mitbeteiligten Parteien seien noch weiter von der Privatzufahrtsstraße entfernt und daher naturgemäß noch weniger tangiert. Es seien sohin die Einwendungen der mitbeteiligten Parteien wegen Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit bzw. wegen Belästigung durch Immissionen unbegründet.

Die belangte Behörde habe aber auch die von ihr zugrundegelegte Bestimmung des § 77 Abs. 1, zweiter Satz, GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, unrichtig angewendet.

Die belangte Behörde habe übersehen,daß nicht eine einzelne Rechtsvorschrift herausgegriffen werden dürfe, sondern daß die Rechtsvorschriften im Zusammenhang gesehen werden müßten. Die Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, und insbesondere seines § 15, seien für die Errichtung von baulichen Anlagen im Zusammenhang mit der Tiroler Bauordnung zu sehen. Gemäß § 1 Abs. 3 lit. f der Tiroler Bauordnung bestehe kein Verbot für die Errichtung der Mülldeponie im gegenständlichen Standort. Dies sei auch mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Jänner 1990 rechtskräftig festgestellt worden. In der Begründung dieses Bescheides sei die bindende Rechtsansicht vertreten worden, daß die Anlagen keine Gebäude darstellten und daß bei der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und die Sicherheit von Sachen sowie auf den Schutz des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes Bedacht zu nehmen sei, daß sohin der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 lit. f der Tiroler Bauordnung zum Tragen komme, sodaß eine Zuständigkeit der Baubehörde nicht gegeben sei. Das gesamte Rechtsgefüge, in welches auch das Tiroler Raumordnungsgestz 1984 und die Tiroler Bauordnung eingegliedert seien,zeige, daß sich das Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 und hier insbesonders auch die Bestimmungen des § 15 an die Baubehörde wendeten, welche diese Normen zu vollziehen habe, diese sohin Normadressat des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 sei. Die Wahrnehmung, welche Widmung die Errichtung von baulichen Anlagen gestatte, obliege der Baubehörde. Mit dem oben genannten Vorstellungsbescheid vom 9. Jänner 1990 sei mit bindender Wirkung festgestellt worden, daß die Errichtung der gegenständlichen Mülldeponie am gegenständlichen Standort durch die Wasserrechtsbehörde zu prüfen sei. Die Wasserrechtsbehörde habe - das sei aktenkundig - die Genehmigung rechtskräftig erteilt. Die Ansicht der belangten Behörde, es würden Rechtsvorschriften vorliegen, welche das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage verböten, sei daher irrig.

Die Frage der Behandlung von Widmungsvorschriften berühre nicht die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn, sodaß diese diesbezüglich kein Mitspracherecht hätten. Dies gehe auch aus der Bestimmung des § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung hervor, welche bestimme, daß der Nachbar auch Einwendungen auf die §§ 12 bis 16 b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 stützen dürfe. Diese ausdrückliche Bestimmung sei notwendig, weil solche Einwendungen nicht subjektiv-öffentlich-rechtlicher Natur seien. So heiße es auch in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage anläßlich der dritten Bauordnungsnovelle zur Bestimmung des § 30 Abs. 4 Tiroler Bauordnung u.a.: "Durch den ausdrücklichen Hinweis auf die §§ 12 bis 16 b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 soll nunmehr klargestellt werden, daß auch die Verletzung dieser Widmungsvorschriften den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht einräumt." Im konkreten Fall bedeute dies, daß die belangte Behörde auch aus diesen Gründen zu Unrecht angenommen habe, daß die Vorschriften der §§ 15 Abs. 2 und 16 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 eine Verbotsnorm im Sinne der Bestimmung des § 77 Abs. 1, zweiter Satz, GewO 1973 darstelle, zumal in der Gewerbeordnung 1973 eine Bestimmung ähnlich dem § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung fehle.

Die belangte Behörde habe im Berufungsverfahren auch das Recht auf Parteiengehör verletzt. Im angefochtenen Bescheid werde als Sachverhalt festgestellt, daß "nach dem gültigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde X" bestimmte Grundstücke in bestimmter Weise gewidmet seien. Diese Feststellung stütze sich auf ein Schreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X vom 1. Dezember 1989, worin es unter anderem heiße:

"Bezugnehmend auf Ihre telefonische Anfrage an Herrn U werden folgende Flächenwidmungen bzw. Kenntlichmachungen mitgeteilt ...". Diese Mitteilung sei dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegt worden, ohne daß der Beschwerdeführerin eine Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Wahrung des Parteiengehörs gegeben worden wäre. Dieses Schreiben, welches der Beschwerdeführerin unbekannt geblieben sei, stamme vom Bürgermeister der Stadtgemeinde X, welche im angefochtenen Bescheid als Partei behandelt worden sei und die ein subjektives Interesse am Ausgang des gegenständlichen Verfahrens habe. Der Gegenstand der Auskunft des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X gehöre zum Sachverhalt, auf welchen die belangte Behörde den hier angefochtenen Bescheid und seine Begründung gestützt habe. Es handle sich sohin um Tatsachen, deren Richtigkeit überprüfbar sein müsse. Hätte die belangte Behörde den Inhalt des genannten Schreibens der Beschwerdeführerin in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht, so hätte die Beschwerdeführerin den mitgeteilten Sachverhalt überprüfen und Abweichungen vom tatsächlichen Stand der Behörde bekanntgeben können. Weiters hätte die Beschwerdeführerin anläßlich der Stellungnahme zu den mitgeteilten Flächenwidmungen die belangte Behörde darauf aufmerksam gemacht, daß die Baubehörde bereits rechtskräftig mit Bescheid, wie oben angeführt, festgestellt habe, daß die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung auf die gegenständliche Mülldeponie nicht anzuwenden seien und daß deren Errichtung keinem Verbot unterliege, zumal ja die wasserrechtliche Genehmigung, wie sie bereits erteilt worden sei, die Erlaubnis für die Errichtung darstelle. Offenbar habe die belangte Behörde diese bereits in Kopie im Akt befindliche baurechtliche Entscheidung bei der Beurteilung des Sachverhalte übersehen, jedenfalls aber nicht in der Bescheidbegründung beachtet.

Als weitere Verletzung von Verfahrensvorschriften werde angemerkt, daß die für die Stadtgemeinde X mit der Berufung vom 28. September 1987 vorgelegte Vollmacht nicht den notwendigen Bestimmungen des § 54 Abs. 2 der Tiroler Gemeindeordnung entspreche. Die schriftliche Vollmacht sei lediglich vom Bürgermeister der Stadtgemeinde X unterschrieben worden, nicht jedoch von zwei weiteren Mitgliedern des Stadtrates. In der Vollmachtsurkunde sei auch der Beschluß des Stadtrates nicht angeführt worden.

Zu welchen Konflikten eine Rechtssituation wie hier führen könne, zeige auch der gegenständliche Anlaßfall: Die Beschwerdeführerin habe mit Bescheid festgestellt erhalten, daß auf die Mülldeponie die Tiroler Bauordnung nicht anzuwenden sei, sondern daß die wasserrechtliche Genehmigung genüge. Der Landeshauptmann von Tirol habe die wasserrechtliche Genehmigung am 23. Oktober 1986 erteilt. Durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft sei die Bestätigung mit Bescheid vom 14. Oktober 1988 erfolgt. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1989, Zl. 88/07/0140, der Beschwerde der Stadtgemeinde X keine Folge gegeben. Auf Grund der bau- bzw. wasserrechtlichen Erlaubnis sowie des ebenfalls positiven gewerberechtlichen Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Anglegenheiten vom 25. Juli 1988 habe die Beschwerdeführerin die Bauarbeiten auch schon fast fertiggestellt.

Die "Sache", über die die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid zu entscheiden hatte, wurde - wie dem Beschwerdevorbringen zunächst entgegenzuhalten ist - durch den Genehmigungsantrag der Beschwerdeführerin vom 12. November 1985, den diesen Antrag abweisenden Ausspruch der Erstbehörde, die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin, ferner durch die mit Schriftsatz der Beschwerdeführerin - eingelangt bei der Zweitbehörde am 6. März 1987 - vorgenommene Einschränkung des Genehmigungsantrages und weiters durch den Genehmigungsbescheid der Zweitbehörde und die dagegen von den mitbeteiligten Parteien erhobene Berufung bestimmt. Die "Sache" des nunmehr angefochtenen Bescheides hatte ebenso wie die des zweitbehördlichen Bescheides der - eingeschränkte - Antrag der Beschwerdeführerin auf gewerbebehördliche Genehmigung einer geordneten Mülldeponie auf bestimmten, in der KG X gelegenen Grundstücken zu sein. Eine Trennbarkeit dieser "Sache" dahin, daß über die Genehmigungsfähigkeit nur unter einzelnen Gesichtspunkten entschieden werden und die Genehmigungsfähigkeit unter anderen Gesichtspunkten ungeprüft bleiben und trotzdem in der Berufungsinstanz eine auf Genehmigung lautende Rechtslage herbeigeführt werden könnte, ist in der Gewerbeordnung 1973 nicht grundgelegt. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde aus Anlaß der Berufungen der mitbeteiligten Parteien über den Genehmigungsantrag der Beschwerdeführerin eine auf die "Sache" insgesamt bezogene Entscheidung traf.

Im Hinblick auf die Entscheidungszuständigkeit der belangten Behörde in Ansehung der von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Berufung wurde die Beschwerdeführerin dadurch, daß die belangte Behörde ihren mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Abspruch formell als solchen über die Berufung auch insoweit traf, als diese von der Stadtgemeinde X erhoben wurde, in keinem Recht verletzt.

Gemäß Art. VI Abs. 1 der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 1989 - der Ausnahmefall des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht - in Kraft. Nach Abs. 4 sind die das Verfahren betreffend Betriebsanlagen und die Zuständigkeit zur Durchführung dieser Verfahren regelnden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht abgeschlossene Verfahren betreffend Betriebsanlagen nur dann anzuwenden, wenn diese Verfahren in diesem Zeitpunkt in erster Instanz anhängig sind, Art. I Z. 240 und 242 (§ 356 Abs. 1 und 3 und § 359 b) überdies nur dann, wenn in diesem Zeitpunkt noch keine Augenscheinsverhandlung anberaumt und den Nachbarn bekanntgegeben worden ist. Auf Betriebsanlagen, für die das Genehmigungsverfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht abgeschlossen ist, ist der Art. I Z. 81 (§ 74 Abs. 4 bzw. 5) nicht anzuwenden.

Gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 i.d.F. der Gewerberechtsnovelle 1988 darf die Betriebsanlage nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist.

Bei dieser Bestimmung handelt es sich nicht um eine Verfahrensvorschrift, auf die Art. VI Abs. 4 der Gewerberechtsnovelle 1988 anzuwenden wäre - sie ist daher im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides auch im Beschwerdefall anzuwenden.

Im Grunde des § 15 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 (TROG 1984) gehören zum Freiland alle Grundflächen des Gemeindegebietes, die nicht als Bauland oder als Hauptverkehrsflächen gewidmet sind. Nach § 15 Abs. 2 TROG 1984 ist im Freiland, ausgenommen auf Sonderflächen, die Errichtung oder Änderung von baulichen Anlagen nur nach Maßgabe der Abs. 3 bis 7 zulässig. Die Absätze 3 bis 7 enthalten Regelungen, denen in Ansehung der vorliegenden Beschwerdesache keine Bedeutung zukommt.

Gemäß § 16 Abs. 1 TROG 1984 können im Bauland und im Freiland Grundflächen als Sonderflächen

a) für Bauten und Anlagen des Gemeinbedarfes, wie z.B. Schulbauten, Amtsgebäude, Krankenhäuser, kirchliche Bauten, Friedhöfe, Parkanlagen, Sport- und Spielplätze und Ablagerungsstätten, sowie

b) für Bauten und Anlagen, die auf Grund ihres Verwendungszweckes an einen bestimmten Standort gebunden sind oder für die ein bestimmter Standort besonders geeignet ist, wie z.B. Ausflugsgasthäuser, Wintersportanlagen einschließlich der Schipisten, Campingplätze, Tankstellen, Gebäude für landwirtschaftliche Intensivtierhaltung (Abs. 2), für gewerbsmäßig betriebene Reitstätte, für Fischzuchtbetriebe und für Dauerkleingärten sowie Bienenhäuser mit mehr als 20 m2 Nutzfläche und Jagdhütten, gewidmet werden.

In § 16 Abs. 3 TROG 1984 ist vorgesehen, daß für Sonderflächen im Flächenwidmungsplan der besondere Verwendungszweck festzulegen ist. Auf Sonderflächen dürfen nur Bauten und Anlagen errichtet werden, die dem festgelegten Verwendungszweck entsprechen.

Die Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, gilt nach ihrem § 1 Abs. 3 lit. f nicht für bauliche Anlagen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften einer Bewilligung bedürfen, wenn bei der Erteilung dieser Bewilligung auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und die Sicherheit von Sachen sowie auf den Schutz des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes Bedacht zu nehmen ist; dies gilt nicht für Gebäude. Zufolge § 3 Abs. 1 TBO sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

§ 15 Abs. 2 TROG 1984 stellt nach ihrem diesbezüglich

klaren Wortlaut ("... nur nach Maßgabe ... zulässig") eine

Verbotsnorm dar. Auch § 16 Abs. 1 stellt in Verbindung mit § 16

Abs. 3 dritter Satz TROG 1984 eine Verbotsnorm dar ("... dürfen

nur ... errichtet werden ..."). Die Verbotsnormen des § 15

Abs. 2 und des § 16 Abs. 1 und 3 dritter Satz TROG 1984, soweit diese Bestimmungen des § 16 sich auf Grundflächen des Freilandes beziehen, sich in ihrem gegenseitigen Zusammenhang zu verstehen. Bauten und Anlagen sind zufolge § 16 Abs. 3 dritter Satz TROG 1984 dahin zu beurteilen, ob für die Grundflächen des Freilandes eine Sonderwidmung besteht und gegebenenfalls ob die betreffenden Bauten und Anlagen dem festgesetzten Verwendungszweck entsprechen. Bauten und Anlagen, deren Errichtung einer Sonderwidmung bedürfen, wie dies nach § 16 Abs. 1 lit. a TROG 1984 u.a. ausdrücklich insbesondere für Ablagerungsstätten zutrifft, sind demnach, soweit eine einschlägige Sonderwidmung nicht besteht, im Freiland unzulässig. Als Objekt einer nur innerhalb einer entsprechenden Sonderwidmung, im übrigen im Freiland aber unzulässigen Errichtung kommen, wie dies im Wortlaut des § 16 Abs. 3 dritter Satz TROG 1984 klar zum Ausdruck gebracht ist, nicht nur Bauten, sondern auch sonstige Anlagen, also auch solche, für die das Vorhandensein einer eigenen Baulichkeit nicht unbedingt erforderlich ist, in Betracht.

Die dem § 15 Abs. 2 und dem § 16 Abs. 1 und Abs. 3 dritter Satz TROG 1984 innewohnende Verbotsnorm besteht, entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, unabhängig davon, ob der Baubehörde aus dieser Verbotsnorm in Verbindung mit den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung in einem konkreten Fall eine Vollzugsaufgabe erwächst oder ob die Baubehörde im Hinblick auf die Grenzen des Anwendungsbereiches der Tiroler Bauordnung hinsichtlich dieser Verbotsnorm des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 keine Vollzugsaufgabe wahrzunehmen hat.

Unter Hinweis auf § 1 Abs. 3 lit. f TBO und unter Hinweis auf den aufsichtsbehördlichen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Jänner 1990, Zl. Ve-550-1551/3, betreffend Unzuständigkeit der Baubehörde in Ansehung eines Sickerschachtes der geplanten Mülldeponie vermag die Beschwerdeführerin somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Dem unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführerin selbst nicht bekundet, daß die mit Schreiben des Stadtamtes X vom 1. Dezember 1989 namens des Bürgermeisters bekanntgegebenen Flächenwidmungen mit dem Flächenwidmungsplan nicht in Einklang stünden. Die belangte Behörde durfte dem angefochtenen Bescheid die entsprechenden Flächenwidmungen zugrundelegen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auf dem Boden der Aktenlage, und zwar insbesondere auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen, nicht zu erkennen, daß etwa ein in Vollziehung des Wasserrechtsgesetzes 1959 ergangener Abspruch vorliegen würde, mit welchem über die Zulässigkeit des Projektes der Beschwerdeführerin unter dem Blickwinkel der zufolge der Flächenwidmung in Betracht kommenden Verbotsnormen abgesprochen worden wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag letztlich auch keine Rechtswidrigkeit darin zu erkennen, daß die belangte Behörde insbesondere feststellte, daß der Genehmigung des Projektes der Beschwerdeführerin sowohl auf den Grundstücken 980/3 und 7 bis 12 KG X als auch auf dem Grundstück 976/6 die für die Flächen des Freilandes bestehenden Verbotsnormen, die von ihr unter Hinweis auf § 15 Abs. 2 und 16 Abs. 1 TROG 1984 zitiert wurden, entgegenstehen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich aus den dargelegten Erwägungen zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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