VwGH 90/03/0287

VwGH90/03/028710.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. November 1990, Zl. IIb2-V-8420/3-1990, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt.

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
VStG §24;
VStG §43 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
VStG §24;
VStG §43 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 7. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 mit einer Geldstrafe von S 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) bestraft. Der Schuldspruch lautete: "Sie haben am 30.9.1989 um 08.32 Uhr in A das Motorrad T nnn.nnn auf der A 12 in Richtung Osten gelenkt. Bei Km 67,5 haben Sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h um 25 km/h überschritten. (Bei der Ihnen vorgehaltenen Geschwindigkeitsüberschreitung wurde eine Meßtoleranz von 5 km/h bereits berücksichtigt.)"

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung des Beschwerdeführers "insoweit FOLGE GEGEBEN, als der Schuldvorwurf auf ein Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um ca. 20 km/h eingeschränkt wird, und für diese Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 die Geldstrafe auf S 400,-- (Ersatzarrest 20 Stunden) herabgesetzt wird." Zur Begründung des Schuldspruches wurde ausgeführt: "In den Akten befinden sich zwei Radarlichtbilder. Das erste Lichtbild, aufgenommen um 08.32.16 Uhr zeigt eine Fahrgeschwindigkeit von 156 km/h, das zweite Lichtbild, aufgenommen um 08.32.19 Uhr eine Fahrgeschwindigkeit von 160 km/h auf. Beim ersten Lichtbild befanden sich der Berufungswerber als Lenker des fraglichen Motorrades und das Zivilstreifenfahrzeug im Bereich einer leichten Rechtskurve, beim zweiten Lichtbild auf der daran anschließenden Geraden. Aus beiden Lichtbildern ist ersichtlich, daß sich der Abstand zwischen dem vorausfahrenden Motorrad und dem nachfahrenden Zivilstreifenfahrzeug etwas verringert hat. Dies ist vor allem aus der auf den Lichtbildern ersichtlichen Leitlinie in der Mitte der Fahrbahn zu schließen. Beim Schuldvorwurf kann daher nicht von der zweiten Geschwindigkeitsmessung, die laut vorliegendem Lichtbild eine Geschwindigkeit von 160 km/h ergab, ausgegangen werden, sondern ist auf die im ersten Lichtbild angegebene Fahrgeschwindigkeit von 156 km/h abzustellen. Bei einer im Nachfahren festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung kann immer nur ein Cirkawert angenommen werden. Im Hinblick auf die vorliegenden Lichtbilder und die Angaben des Meldungslegers, denen der Berufungswerber keine ihn entlastenden Beweise entgegensetzen konnte, ist nach Ansicht der Berufungsbehörde als erwiesen anzusehen, daß vom Berufungswerber die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h jedenfalls überschritten worden ist, wobei das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung mit ca. 20 km/h anzunehmen ist."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers weist der Spruch des angefochtenen Bescheides keinerlei Widersprüchlichkeit auf. Er ist eindeutig dahin zu verstehen, daß dem Beschwerdeführer "ein Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um ca. 20 km/h", also das Einhalten einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 150 km/h, zum Vorwurf gemacht wird. Daß der Berufungsbescheid von der TIROLER Landesregierung erlassen wurde, ergibt sich klar daraus, daß der Kopf der Bescheidausfertigung die Aufschrift "Amt der Tiroler Landesregierung" trägt.

Der Beschwerdeführer vermag auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, wenn er geltend macht, in seinen Rechten auf persönliche Vernehmung und Befragung des als Zeugen vernommenen Meldungslegers verletzt worden zu sein, weil derartige Rechtsansprüche nach ständiger Rechtsprechung (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, 925 bzw. 933, angeführte Judikatur) nicht bestehen.

Berechtigt ist das Beschwerdevorbringen jedoch, soweit es die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig rügt. Zu den diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides ist folgendes zu bemerken: Wie die belangte Behörde in der Stellungnahme vom 18. März 1991 eingeräumt hat, handelt es sich bei den in den Verwaltungsstrafakten erliegenden Lichtbildern - entgegen den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides - nicht um Radarlichtbilder, sondern um Lichtbilder mit Einspiegelung der Tachowelle des nachfahrenden Zivilstreifenfahrzeuges. Die auf diesen Lichtbildern aufscheinenden Geschwindigkeitsangaben beziehen sich demnach auf das Fahrzeug, von dem aus die Geschwindigkeit des anderen Fahrzeuges festgestellt werden sollte (also auf das Fahrzeug des Meldungslegers), und nicht auf das Fahrzeug, dessen Geschwindigkeit festgestellt werden sollte (das Fahrzeug des Beschwerdeführers). Die belangte Behörde hat aus den beiden in den Verwaltungsstrafakten erliegenden Lichtbildern selbst - zutreffend - festgestellt, daß sich zwischen den Aufnahmezeitpunkten der Abstand zwischen dem vorausfahrenden Motorrad und dem nachfahrenden Zivilstreifenfahrzeug verringert habe. Diese Feststellung steht jedoch im Widerspruch zu den Angaben des Meldungslegers in seiner Zeugenaussage vom 2. April 1990, wonach er "ständig in gleichbleibendem Abstand" hinter dem Motorrad des Beschwerdeführers nachgefahren sei. Durfte die belangte Behörde aber nicht von einem Nachfahren mit gleichbleibendem Abstand zur Tatzeit ausgehen, dann war es auch verfehlt, die auf dem ersten aufgenommenen Lichtbild angegebene Geschwindigkeit des Zivilstreifenfahrzeuges ohne weiteres der vom Beschwerdeführer eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit gleichzusetzen. Eine bei der gegebenen Sachlage zur Feststellung der Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers allenfalls zielführende Auswertung der Lichtbilder durch einen Sachverständigen wurde nicht vorgenommen.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist der angefochtene Bescheid somit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im pauschalierten Aufwandersatz enthalten ist und Stempelgebührenersatz nur im erforderlichen Ausmaß zugesprochen werden konnte.

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