VwGH 90/03/0147

VwGH90/03/014710.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 30. März 1990, Zl. 9/01-33.297-1990, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §4 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Beamter der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Salzburg, Außenstelle Anif, erstattete am 31. Mai 1989 die Anzeige, der Beschwerdeführer habe am 4. Mai 1989 um 3,00 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Tauern Autobahn (A 10) von Salzburg in Richtung Golling gelenkt. Bei km 18,2 (Betriebsumkehre St. Margarethen) sei er wegen eines angeblichen Ausweichmanövers (Tier in Größe eines Hasen) gegen den Beginn der Lärmschutzwand geprallt. Er sei mit seinen Mitfahrern (einer wurde ebenso wie der Beschwerdeführer selbst verletzt) von einem vorbeikommenden Lenker ins Krankenhaus Hallein gebracht worden. Dort sei er nach ambulanter Behandlung um 5,00 Uhr entlassen worden. Er habe sich zu Fuß zu seinem in der Nähe wohnenden Bruder begeben. Dieser habe ihn um 10,00 Uhr zur Dienststelle gebracht, um den Unfall zu melden. Er habe angenommen, das Krankenhaus sei ohnehin verpflichtet gewesen, den Unfall der Gendarmerie zu melden.

Gegen die wegen der Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO erlassene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 10. Juli 1989 erhob der Beschwerdeführer Einspruch.

In seiner schriftlichen Rechtfertigung vom 12. Dezember 1989 brachte der (anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer vor, da er selbst verletzt worden sei, gehöre er nicht zum Personenkreis des § 4 Abs. 1 StVO und habe damit keine Meldepflicht bestanden.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 17. Jänner 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 4. Mai 1989 zur genannten Zeit am genannten Ort den Pkw gelenkt und es nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, zu dem er durch sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang gestanden und bei dem ein bestimmter Mitfahrer verletzt worden sei, unterlassen, die nächste Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Wegen der Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO wurde über ihn eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer, der zwar auch verletzt gewesen sei, wäre zumindest nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus um 5,00 Uhr verpflichtet gewesen, die Verständigung vorzunehmen. Die um 10,00 Uhr erfolgte Verständigung sei verspätet. Lediglich hinsichtlich der erlittenen eigenen Verletzung bestehe keine Meldepflicht. Es sei aber auch ein Mitfahrer verletzt worden. Das Wort sofort bedeute so rasch wie möglich. Die Verständigung dürfe auch nicht unterblieben, wenn bereits eine Hilfeleistung gegenüber dem Verletzten stattgefunden habe und wenn das Krankenhaus selbst auch zu einer Verletzungsanzeige verpflichtet sei.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Wegen seiner erlittenen Verletzung sei er nicht in der Lage gewesen, die sofortige Verständigung vorzunehmen. Überdies habe er in Erfahrung gebracht, daß die Gendarmerie schon um 3,15 Uhr von dem Unfall (durch eine andere Person) verständigt worden sei. Er hätte die Gendarmerie erst nach 5,00 Uhr verständigen können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. März 1990 wurde die Berufung abgewiesen. Nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 StVO führte die belangte Behörde aus, daraus ergebe sich eindeutig, daß alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, zur Verständigung verpflichtet seien. Da nicht nur der Beschwerdeführer (als Lenker), sondern auch ein Mitfahrer verletzt gewesen sei, habe er die Verpflichtung zur Verständigung gehabt. Nun habe der Beschwerdeführer am 5. Mai 1989 bei seiner Vernehmung vor der Gendarmerie selbst angegeben, daß er nach der Entlassung aus dem Krankenhaus um 5,00 Uhr zu seinem Bruder gegangen und dort bis 10,00 Uhr gewesen sei. Erst um 10,00 Uhr habe er den Unfall gemeldet. Der Beschwerdeführer habe auch angegeben, daß er der Meinung gewesen sei, das Krankenhaus werde den Unfall melden. Die Erstbehörde sei daher im Recht, wenn sie ausführe, der Beschwerdeführer hätte spätestens nach Beendigung der ambulanten Behandlung im Krankenhaus um 5,00 Uhr die nächste Gendarmeriedienststelle verständigen müssen, weshalb die um 10,00 Uhr erfolgte Meldung verspätet erfolgt sei. Es sei unerheblich, ob andere Personen die Gendarmerie verständigt hätten. Dies hebe die Meldepflicht der Unfallsbeteiligten nicht auf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den gegenständlichen Fall maßgebenden Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung haben folgenden Wortlaut:

"§ 4

(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, haben

  1. a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,
  2. b) ...

    2) Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben die im Abs. 1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

    Wie schon die Erstbehörde und die belangte Behörde zutreffend dargelegt haben, ergibt sich aus § 4 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 eindeutig, daß alle Personen, deren Verhalten mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang steht, zur Verständigung verpflichtet sind. Die Meinung des Beschwerdeführers, weil er selbst bei dem Unfall (auch) verletzt worden sei, treffe dies nicht zu, findet im Gesetz keine Deckung. Soweit er sich auf das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1962, Zl. 35/62, beruft, übersieht er, daß im dortigen Anlaßfall ein Motorradfahrer zum Sturze kam und sich dabei selbst verletzte. Nur bezüglich der eigenen Verletzung besteht keine Pflicht zur Verständigung. Mag auch der Beschwerdeführer bei dem Unfall ebenfalls verletzt worden sein, so wäre er jedenfalls spätestens nach Beendigung seiner ambulanten Behandlung im Krankenhaus - wenn man von der im übrigen wenig wahrscheinlichen Annahme ausgeht, daß ihm dort eine Verständigung nicht möglich gewesen sein sollte - gegen 5,00 Uhr verpflichtet gewesen, die Verständigung durchzuführen, wie dies die Verwaltungsbehörden zutreffend aufgezeigt haben. Schließlich war er sogar imstande, allein zu seinem in der Umgebung wohnhaften Bruder zu gehen. Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es keiner weiteren Ermittlungen, etwa der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie dies dem Beschwerdeführer vorschwebt, zur Klärung der Frage, ob er physisch hiezu in der Lage gewesen sei. Der belangten Behörde unterlief daher auch insoweit kein Verfahrensmangel. Bei der gegebenen Sachlage ist für den Beschwerdeführer daher auch mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 12. November 1970, Zl. 1771/69, das im übrigen eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO und nicht nach § 4 Abs. 2 StVO zum Gegenstand hatte, nichts zu gewinnen.

    Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß derjenige, der sich tagelang wegen der bei einem Unfall erlittenen eigenen schweren Verletzungen stationär in einem Krankenhaus befindet, nach seiner nach mehreren Tagen erfolgten Entlassung nicht mehr verpflichtet ist, nunmehr die Verständigung vorzunehmen. Ein solcher Fall lag aber gegenständlich nicht vor. Es besteht auch dann, wenn man zunächst selbst im Krankenhaus ambulant behandelt wird und nicht schon dort die Möglichkeit gegeben ist, der Meldepflicht nachzukommen, jedenfalls die Verpflichtung, sodann sogleich nach der Beendigung der ambulanten Behandlung, die erforderliche Verständigung vorzunehmen (vgl. sinngemäß auch das hg. Erkenntnis vom 20. September 1989, Zl. 89/03/0150, wonach der Unfallsbeteiligte, der erst 12 Stunden nach dem Unfall von der Verletzung einer Person erfährt, der Meldepflicht nachzukommen hat, nicht aber dann, wenn er erst nach einem Zeitraum von drei Tagen davon Kenntnis erlangt).

    Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer nachträglich erfuhr, daß die Gendarmerie von dritter Seite, ohne sein Zutun, vom Unfall schon um 3,15 Uhr verständigt worden sei, befreite ihn als nach § 4 Abs. 2 StVO Verpflichteten nicht von der Verständigungspflicht.

    Da sich somit die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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