VwGH 89/14/0283

VwGH89/14/028318.12.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 6. Oktober 1989, Zl. B 211-3/89, betreffend Einkommensteuer 1987, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §33 Abs1;
EStG 1972 §33 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog 1987 neben Einkünften aus selbständiger Arbeit von S 11.558,--, aus Gewerbebetrieb von S 22.105,-- und aus nichtselbständiger Arbeit von S 77.489,-- auch für 210 Tage Arbeitslosengeld von S 88.011,--. Abzüglich des Freibetrages gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1972 und Sonderausgaben verblieb ein zu versteuerndes Einkommen von S 55.092,--. Dieses wurde "unter besonderem Progressionsvorbehalt" gemäß § 3 Z. 4 EStG 1972 versteuert.

Im angefochtenen Bescheid berechnete die belangte Behörde im Instanzenzug die Einkommensteuer 1987 folgendermaßen:

 

hochgerechnetes Jahreseinkommen S 212.343,--

Jahressteuer S 47.375,--

in Prozenten 22,31 Prozent

zu versteuerndes Einkommen S 55.092,--

x 22,31 Prozent S 12.291,02

 

 

Hingegen ist die Steuerberechnung nach Auffassung des Beschwerdeführers in folgender Weise vorzunehmen:

 

hochgerechnetes Jahreseinkommen S 212.342,--

Jahressteuer S 65.535,--

in Prozenten 30,86 Prozent

zu versteuerndes Einkommen S 55.092,--

x 30,86 Prozent S 17.001,39

abzüglich allgemeiner Absetzbetrag - S 8.460,--

Arbeitnehmerabsetzbetrag - S 4.000,--

Alleinverdienerabsetzbetrag - S 3.900,--

Kinderzuschlag zum AVAB - S 1.800,--

Einkommensteuer S 0,--

 

 

Der Beschwerdeführer beantragt den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Z. 4 EStG 1972 ist unter anderem das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld von der Einkommensteuer befreit. Nach dem durch das dritte Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 606, hinzugefügten zweiten Absatz dieser Bestimmung sind dann, wenn der Steuerpflichtige derartige Bezüge nur für einen Teil des Kalenderjahres erhält, für das restliche Kalenderjahr bezogene Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 4 für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die Steuer darf jenen Betrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn die Bezüge dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlägen.

Den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (277 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII GP Seite 6 f) ist hiezu folgendes zu entnehmen:

Die Steuerfreiheit der in § 3 Z. 4 angeführten Transferleistungen führt einerseits dazu, daß es im Falle des Zusammentreffens mit steuerpflichtigen Einkünften zu einer - zum Teil erheblichen - Milderung der Steuerprogression kommt. Andererseits bemessen sich diese Transferleistungen überwiegend nach dem letzten Bruttolohn. Das Zusammenwirken dieser beiden Faktoren kann - insbesondere im Fall saisonal bedingter Arbeitslosigkeit - den Effekt nach sich ziehen, daß das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten unter Berücksichtigung der im Wege des Jahresausgleiches erhaltenen Lohnsteuererstattung - in vergleichbaren Fällen - höher ist als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten. Dieser Effekt wird bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation zunehmend als unbefriedigend empfunden und ist daher rechtspolitisch unerwünscht. Im Hinblick darauf soll die Begünstigung der Steuerfreiheit für Arbeitslosengeld nur mehr derart gewährt werden, daß die mit einer Steuerbefreiung einhergehende Progressionsmilderung in diesen Fällen ausgeschlossen wird. ...

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung des § 3 Z. 4 würde der oben geschilderte Effekt vermieden werden. Demnach soll bei Durchführung eines Jahresausgleiches oder einer Veranlagung jener Zeitraum, währenddessen der Steuerpflichtige Transferleistungen bezieht, neutralisiert werden. Der Jahresausgleich (die Veranlagung) wäre in der Wirkung auf jenen Zeitraum beschränkt, in dem Erwerbs- bzw. Pensionseinkünfte oder überhaupt keine Einkünfte erzielt werden. Eine lediglich auf den Bezug - nach wie vor - steuerfreier Transferleistungen zurückzuführende Progressionsmilderung ist damit ausgeschlossen. Im reduzierten Zeitraum auftretende Umstände (z.B. zeitweises Fehlen jeglicher Einkünfte, unterschiedliche Bezugshöhe, nachträgliche Geltendmachung besonderer Aufwendungen) bewirken grundsätzlich weiterhin eine Progressionsmilderung.

Die Verkürzung des Jahresausgleichszeitraumes bzw. des Veranlagungszeitraumes wird dadurch erreicht, daß die steuerpflichtigen Lohnbezüge bzw. die Einkünfte der ersten vier Einkunftsarten für die Dauer des Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden. Andere Einkünfte, die die Höhe derartiger Transferleistungen nicht beeinflussen (z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitaleinkünfte), sind immer in der tatsächlichen Höhe anzusetzen. Für den Fall des Bezuges niedriger steuerpflichtiger Erwerbs- oder Pensionseinkünfte im Restzeitraum des Jahres ist überdies noch vorgesehen, daß aus der Umrechnung keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten darf.

Die Jahresbeträge an Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sind vom Gesamtbetrag der sich nach Umrechnung ergebenden Einkünfte abzuziehen. Dabei sind auch allfällige andere, mit Transferleistungen nicht im Zusammenhang stehende Einkünfte anzusetzen. Aus dieser Grundlage sind die Jahressteuer sowie die prozentuelle Durchschnittssteuerbelastung zu errechnen. Der Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung wird auf das im Kalenderjahr tatsächlich erzielte zu versteuernde Einkommen angewendet. Bei Ermittlung des zu versteuernden Einkommens sind abermals die Jahresbeträge an Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen abzusetzen. Sodann ist noch die erwähnte Kontrollrechnung anzustellen.

Mit Erkenntnis vom 28. Juni 1990, G 71, 83-97, 117-123/90, hat der Verfassungsgerichtshof nach amtswegiger Prüfung der genannten Gesetzesstelle ausgesprochen, daß sie nicht verfassungswidrig ist.

Strittig ist im Beschwerdefall, in welcher Weise bei ihrer Anwendung die Steuerabsetzbeträge gemäß § 33 Abs. 3 bis 5 EStG 1972 zu berücksichtigen sind.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid auf diese Frage nicht ausdrücklich eingegangen; sie hat sich darauf beschränkt, auf den Rechengang, wie er in den erwähnten erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage - ebenfalls ohne ausdrückliche Anführung der Steuerabsetzbeträge - auch anhand eines Beispieles dargestellt ist, zu verweisen. Den erläuternden Bemerkungen folgen wiederum die Kommentierungen von Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 33 EStG 1972 Tz 18.1, §§ 72, 73 EStG 1972 Tz 6b, und Werner-Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, Abschnitt 5 Tz 27/3 ff.

Aus dem Zusammenhang ergibt sich aber, daß die belangte Behörde bei der Ermittlung der "Jahressteuer" für die hochgerechneten fiktiven Jahreseinkünfte die Tarifvorschriften des § 33 EStG (Steuersätze UND Steuerabsetzbeträge) angewendet hat. Durch die Berücksichtigung der - in den üblichen Lohnsteuertabellen bereits eingearbeiteten - Steuerabsetzbeträge an dieser Stelle des Rechenganges hat sich eine niedrigere "Jahressteuer" ergeben, als nach der Berechnungsmethode des Beschwerdeführers, der für die hochgerechneten Jahreseinkünfte zunächst die "reine Tarifsteuer" ohne Abzug von Absetzbeträgen errechnet hat. Dennoch gelangt der Beschwerdeführer zu einem für ihn günstigeren Ergebnis, weil er nun am Ende des Rechenganges vom für das zu versteuernde Einkommen errechneten Steuerbetrag die Absetzbeträge in Abzug bringt.

Der Gesetzestext selbst nennt die in Rede stehenden Absetzbeträge nicht. Bei der Auslegung der Bestimmung zeigt sich, daß das Gesetz nicht von einer "Jahressteuer", sondern von einer Besteuerung des Einkommens mit jenem STEUERSATZ spricht, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt. Der Tarif gemäß § 33 EStG 1972 unterscheidet aber zwischen Steuersätzen einerseits und Steuerabsetzbeträgen andererseits. Letztere sind grundsätzlich von jener Größe in Abzug zu bringen, die sich nach Anwendung der Steuersätze des § 33 Abs. 1 auf das zu versteuernde Einkommen ergibt. Die Absetzbeträge wirken sich somit unmittelbar auf die Höhe der zu ermittelnden Steuer aus. Sie haben einen progressionsunabhängigen Steuervorteil zur Folge, der bei jedem Steuerpflichtigen gleich viel "wert" ist (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch,

2. Auflage, § 33 Tz 15).

Da die in Rede stehende Bestimmung auf einen Steuersatz abstellt, ohne auf Absetzbeträge oder (wie § 37 Abs. 1 EStG 1972) auf den Tarif, dessen Bestandteil die Absetzbeträge sind, Bezug zu nehmen, so sind darunter nach Auffassung des Gerichtshofes lediglich die Steuersätze gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1972 ohne Rücksicht auf die in weiteren Absätzen genannten Steuerabsetzbeträge zu verstehen. Letztere sind erst vom nach Anwendung des so ermittelten Prozentsatzes auf das zu versteuernde Einkommen errechneten Betrag abzuziehen.

Auch der Sinn der Bestimmung spricht für dieses Ergebnis:

Angestrebt ist der Ausschluß einer unerwünschten Progressionsmilderung; es ist aber nicht erkennbar, daß es ein Anliegen des Gesetzgebers wäre, im Ergebnis eine "Kürzung" für einem Steuerpflichtigen zustehenden Absetzbeträge zu ermöglichen. Vielmehr sollen sich diese auch dann, wenn der Steuerpflichtige während eines Teiles des Kalenderjahres Arbeitslosengeld bezieht, zu seinen Gunsten ungeschmälert als Abzugsposten auswirken.

Der Gerichtshof vermag somit der Berechnungsweise der belangten Behörde - trotz ihres Hinweises auf die Gesetzesmaterialien - nicht beizupflichten.

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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