Normen
BAO §167 Abs2;
BAO §177 Abs1;
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
UStG 1972 §10 Abs2 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BAO §167 Abs2;
BAO §177 Abs1;
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
UStG 1972 §10 Abs2 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein selbständiger Graphiker, erklärte für 1986 (unter Abzug des Pauschales gemäß § 4 Abs. 6 EStG) Einkünfte aus selbständiger Arbeit und nahm den begünstigten Umsatzsteuersatz von 10 Prozent in Anspruch, da er künstlerisch tätig sei. Er legte ein Zeugnis einer Höheren Technischen Lehranstalt über den Besuch einer einjährigen Meisterklasse für Gebrauchsgraphik sowie eine Mustermappe seiner Arbeiten vor.
Vor Erlassung des angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheides holte die belangte Behörde von Amts wegen ein Gutachten der Sachverständigenkommission zur Beurteilung der künstlerischen Fähigkeiten von Gebrauchsgraphikern beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst ein, der sie die Mustermappe mit 35 Arbeitsproben übermittelte. Dieses Gutachten lautete:
"Die Kommission ist einhellig der Ansicht, daß es sich bei den vorgelegten Arbeitsproben - vor allem bei den letzten Entwürfen, die interessante plakative Lösungen zeigen - um eine künstlerische Tätigkeit handelt. Besonders die Arbeit Nr. 19 ist in ihrer Art als eigenständig anzusehen. Die Illustrationen lassen eine künstlerische Begabung erkennen. Die Arbeiten sind als eigenschöpferische Leistungen mit persönlicher Komponente anzusehen."
Mit dem angefochtenen Bescheid verneinte die belangte Behörde eine künstlerische Tätigkeit des Beschwerdeführers und nahm auch der Gewerbesteuer zu unterziehende Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie keine Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes an. Sie begründete dies im wesentlichen folgendermaßen: Die vom Beschwerdeführer gestalteten Farbentwürfe und Farbmuster, beispielsweise für die Oberflächengestaltung von bestimmten Schimodellen, die Gestaltung eines Werbeplakates für Schimodelle, der Design-Entwurf für einen Schioverall, die Gestaltung für Verpackungen für Schokoladen und andere Nahrungsmittel, die Gestaltung von Etiketten bzw. von Werbeplakaten für bestimmte Bierprodukte, das Lay-out eines Tätigkeitsberichtes und einer Informationsbroschüre, die Gestaltung von Entwürfen für ein Einladungsplakat für ein Haarkosmetikseminar bzw. eines Diploms über die Teilnahme an diesem Seminar und sämtliche anderen vorgelegten Arbeitsproben würden typische Arbeiten der sogenannten Werbe- und Gebrauchsgraphik darstellen, die ausschließlich auf Werbewirkung abgestellt seien bzw. auf die bessere Markterschließung bestimmter Produkte. Das - in seiner Schlüssigkeit kaum nachvollziehbare - Kommissionsgutachten sei nicht geeignet, diese Auffassung der Behörde zu entkräften. Das Gutachten sei nicht widerspruchsfrei; es werde nicht näher erläutert, auf welche realen Sachverhaltselemente die jeweiligen generellen Feststellungen gestützt würden. Die Kommission unterscheide offenbar nicht zwischen Graphik als Kunst und Graphik als Kunsthandwerk. Insbesondere habe sie nicht dargetan, wieso typischen Werbeplakaten (z.B. Werbung für Biererzeugnisse) der Rang von Kunstwerken zukommen soll. Auf Grund der Einsichtnahme in die Werkproben habe der Berufungssenat aus eigener Sachkunde erkennen können, daß es sich um keine graphischen Kunstwerke, sondern um geschickte, geschmackvolle und in wirkungsvoller Aufmachung gestaltete und ausgearbeitete Werbeideen bzw. um das Design von Produkten zwecks Erreichung der gewünschten Marktgängigkeit, somit um typische Werkproben der Werbegraphik handle. Ein anderer Zweck sei auch aus den Auftragsvorgaben nicht erkennbar. Die von der Kommission hervorgehobenen Werkproben seien keineswegs die Mehrzahl der zu beurteilenden Leistungen; selbst bei diesen habe der Beschwerdeführer auf Grund pauschaler Abrechnung mit seinem (Sub)Auftraggeber nicht bekanntgeben können, welche Honorare er konkret für diese Werke erzielt habe.
Sozialversicherungsrechtliche und gewerberechtlche Abgrenzungen seien für die steuerliche Beurteilung unmaßgeblich.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Anerkennung von Entgelten bzw. Einkünften aus künstlerischer Tätigkeit gemäß § 10 UStG, § 22 EStG verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Abgrenzung zwischen Kunst und Kunsthandwerk wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 7. September 1990, Zl. 90/14/0075, als Beispiel für die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.
Werbe- und Gebrauchsgraphiker sind zwar in der Regel kunstgewerblich tätig. Die Eignung eines Gegenstandes zum Gebrauch schließt aber keineswegs aus, daß die in der Herstellung des Gegenstandes bestehende Tätigkeit eine künstlerische ist, d.h. der Gebrauchswert kann einem Objekt nicht die Eigenschaft eines Kunstwerkes nehmen. Dies trifft auch für den Bereich der Graphik zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/14/0035, und die darin enthaltenen weiteren Hinweise).
Ist die Abgrenzung zwischen Kunst und Kunstgewerbe strittig, so ist je nach Art der zu beurteilenden Arbeiten nicht schon in jedem Fall, wohl aber in Zweifelsfällen ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 89/14/0068).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde sich zunächst die Beurteilung des künstlerischen Wertes der vorgelegten Arbeiten selbst nicht zugemutet, sondern von Amts wegen ein Kommissionsgutachten eingeholt. Daß die belangte Behörde nunmehr meint, sie habe an ihrer Urteilsfähigkeit und Sachkenntnis ohnehin nicht gezweifelt, sondern lediglich einer Verwaltungsübung entsprochen, vermag hieran nichts mehr zu ändern. War das sodann erstattete Gutachten unschlüssig, weil nicht ausreichend begründet wurde, aus welchen Erwägungen das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit bejaht wurde, so war die belangte Behörde zwar berechtigt, einen Mangel dieses Beweismittels wahrzunehmen. Hiezu hatte sie jedoch eine Ergänzung des Sachverständigenbeweises zu veranlassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. März 1987, Zl. 85/13/0089, vom 8. Februar 1989, Zl. 87/13/0095, und vom heutigen Tag Zl. 90/14/0035).
Der Verwaltungsgerichtshof teilt zwar weitgehend die Bedenken der belangten Behörde gegen die Schlüssigkeit des Kommissionsgutachtens. Nachdem die belangte Behörde sich aber zu dieser Beweisaufnahme entschlossen hatte, war sie nicht ohne weiteres berechtigt, das - von ihr nicht gebilligte - Ergebnis der Sachverständigenkommission beiseite zu schieben. Vielmehr hätte sie vor einer eigenen Schlußfolgerung ergründen müssen, worin die Sachverständigenkommission die eigenschöpferische Leistung des Beschwerdeführers sah und was sie veranlaßte, auch die künstlerische Gestaltungshöhe anzunehmen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 18. März 1987).
Soweit sich die belangte Behörde auf das Erkenntnis vom 26. November 1985, Zlen. 83/14/0249, 0260, 0261 beruft, ist zu bemerken, daß bei der Beurteilung von Werken als Kunstwerken jede Entscheidung notwendigerweise eine Einzelentscheidung darstellt, die nicht ohne weiteres auf andere Sachgebiete übertragen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1990, Zl. 86/13/0008). Dies gilt auch für die Notwendigkeit der Einholung und Ergänzung von Sachverständigengutachten.
Durch die erwähnte Unterlassung hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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