Normen
AVG §58 Abs2;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
AVG §58 Abs2;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 8.570 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer brachte am 1. Jänner 1982 sein nicht protokolliertes Einzelunternehmen (Möbelerzeugung) unter Anwendung der Bestimmungen des Strukturverbesserungsgesetzes in eine neu gegründete GmbH ein. Die Umgründung des Unternehmens und die Übertragung der Geschäftsführung an eine familienfremde Person waren Bedingungen der Steiermärkischen Landesregierung für die Übernahme einer Ausfallshaftung in der Höhe von 8 Mio S. Auf Grund der Überschuldung des Unternehmens konnte das gesetzliche Mindeststammkapital nur durch Aufwertung des vorhandenen Anlagevermögens aufgebracht werden. Auf den durch diese Aufwertung entstandenen Veräußerungsgewinn entfiel unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 37 EStG 1972 Einkommensteuer in der Höhe von 1,361.194 S.
Mit Eingabe vom 12. Oktober 1983 begehrte der Beschwerdeführer die Nachsicht dieses Betrages. Die Berufung gegen den abweisenden Bescheid des Finanzamtes wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 24. August 1987 abgewiesen.
Mit Bescheid vom 7. November 1983 verfügte das Finanzamt die Pfändung und Überweisung des Arbeitseinkommens des Beschwerdeführers.
Mit Bescheid vom 22. September 1987 löschte das Finanzamt einen Teilbetrag der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in der Höhe von 800.000 S durch Abschreibung gemäß § 235 Abs 1 BAO.
Am 8. Oktober 1985 wurde über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet. Im Juli 1986 verfügte der Masseverwalter die Schließung des Betriebes der GmbH.
Am 13. Oktober 1987 brachte der Beschwerdeführer ein weiteres Nachsichtsansuchen hinsichtlich des noch aushaftenden Betrages in der Höhe von 580.561 S mit der Begründung ein, die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich mittlerweile zu seinen Ungunsten verändert. Seit 1. Juni 1987 erhalte er eine monatliche Pension von 7.180 S netto. Davon habe er Fixkosten von 2.315 S zu bestreiten. Bei Pfändung der Pensionsbezüge bis auf das Existenzminimum sei sein Nahrungsstand ernstlich gefährdet. Gegenüber der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes gab der Beschwerdeführer bekannt, daß er außer der genannten Pension keine Einkünfte erziele, kein Vermögen besitze und nur gegenüber dem Finanzamt Schulden habe.
Mit Bescheid vom 27. April 1988 wurde das Nachsichtsansuchen vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen.
In der Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, da nach Eröffnung des Konkurses und Ablehnung des Zwangsausgleiches nun feststehe, daß er niemals auch nur über Teile des Veräußerungsgewinnes verfügen werde können, sei die Nachsicht schon aus diesem Grund zu gewähren.
In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, neben seiner wirtschaftlichen Lage sei auch sein bisheriges Verhalten gegenüber der Abgabenbehörde zu berücksichtigen. Bis zur Vorschreibung der Einkommensteuer aus dem Veräußerungsgewinn des Jahres 1981 sei dieses Verhalten als vorbildlich zu bezeichnen. Seit 7. November 1983 hätten Einbringungserfolge nur mehr durch Lohnpfändungen bzw Aufrechnungen mit Guthaben aus Jahresausgleichen erzielt werden können, weshalb eine Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten nicht in Betracht käme.
Diesen Ausführungen erwiderte der Beschwerdeführer im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, er sei als Minderheitsgesellschafter der GmbH nicht in der Lage gewesen, Behebungen aus dem Betriebsvermögen zu tätigen und Überweisungen an das Finanzamt durchzuführen. Sein Gehalt habe gerade zur Bestreitung des notwendigsten Lebensunterhaltes gereicht. Gewinne habe die GmbH nie erzielt und daher auch nicht ausgeschüttet. Bis zur Eröffnung des Konkurses habe er ein Gehalt als Arbeitnehmer der GmbH erhalten. Dieses habe vom 1. Oktober 1984 bis 28. Februar 1985 11.000 S und vom 1. März 1985 bis 31. Oktober 1985 11.495 S, jeweils brutto pro Monat, betragen, wobei das Gehalt im Jahr 1985 nur mehr sporadisch ausbezahlt worden sei. Mit der Konkurseröffnung habe der Masseverwalter das Dienstverhältnis sofort beendet. Ab diesem Zeitpunkt habe er nur mehr über Bezüge aus der Arbeitslosenversicherung bzw als Pensionist verfügt. Die Rüge der Abgabenbehörde betreffend sein "bisheriges steuerliches Verhalten" gehe daher an den tatsächlichen Verhältnissen vorbei. Überdies habe er bis zur Erledigung seines ersten Nachsichtsansuchens am 24. August 1987 mit einem für ihn positiven Ergebnis rechnen können.
Mit Bescheid vom 7. Juni 1989 löschte das Finanzamt einen weiteren Teilbetrag der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in der Höhe von 245.000 S durch Abschreibung gemäß § 235 Abs 1
BAO.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Nachsichtsansuchen unter Hinweis auf eine Mitteilung des Bundesministers für Finanzen hinsichtlich der gesamten noch aushaftenden Abgabenschuldigkeiten mit der Begründung ab, deren Einhebung sei nach der Lage des Falles zwar unbillig, bei Ausübung des freien Ermessens sei aber den Gründen der Zweckmäßigkeit der Vorzug vor jenen der Billigkeit zu geben. Der Beschwerdeführer habe nämlich freiwillig überhaupt nichts zur Rückstandsminderung beigetragen. Die Zahlungseingänge hätten nur durch Zwangsmittel erreicht werden können. Eine Begünstigung des Beschwerdeführers hätte daher eine Benachteiligung jener Abgabepflichtigen dargestellt, die ihre steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Fall eines Nachsichtsansuchens zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht. Verneint sie diese Frage, dann ist für die Ermessensentscheidung kein Raum mehr, weswegen der entsprechende Antrag abzuweisen ist. Nur wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes bejaht, hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden.
Wie sich nun aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, hat die belangte Behörde die Rechtsfrage, ob die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten im vorliegenden Fall unbillig ist, bejaht, womit die Voraussetzung für eine von ihr zu treffende Ermessensentscheidung gegeben ist. Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof darauf, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde, oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmißbrauches - nicht der Fall gewesen ist. Ermessensentscheidungen sind daher von der Behörde insoweit zu begründen, als dies die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erfordert. Die Behörde hat demnach in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, daß den Parteien des Verwaltungsverfahrens die Verfolgung ihrer Rechte und dem Verwaltungsgerichtshof die rechtliche Kontrolle des Ermessens möglich ist. Letztlich hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auch zu überprüfen, ob das Verwaltungsverfahren, das mit der Ermessensentscheidung geendet hat, den gesetzlichen Verfahrensbestimmungen entsprach oder nicht (vgl das hg Erkenntnis vom 21. Februar 1990, 89/13/0044, mwA).
Als Begründung dafür, warum die belangte Behörde das ihr durch § 236 Abs 1 BAO eingeräumte Ermessen nicht im für den Beschwerdeführer positiven Sinn gehandhabt hat, führt sie lediglich aus, der Beschwerdeführer habe freiwillig nichts zur Rückstandsminderung beigetragen. Die Zahlungseingänge hätten nur durch Zwangsmittel erreicht werden können. Eine Begünstigung des Beschwerdeführers hätte daher eine Benachteiligung jener Abgabepflichtigen dargestellt, die ihre steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen und bemüht seien, nach ihren Kräften etwas zur Tilgung ihrer Abgabenschulden beizutragen. Dieser Wille sei jedoch beim Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise erkennbar gewesen.
Diese Argumentation allein vermag den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen. Die belangte Behörde hat sich nämlich mit den Ausführungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht auseinandergesetzt, wonach er seit dem Zeitpunkt der Umgründung seines Unternehmens zunächst nur über ein äußerst minimales Gehalt und in der Folge über eine noch wesentlich geringere Pension habe verfügen können und daher nicht in der Lage gewesen sei, Überweisungen an die Abgabenbehörde zu tätigen. Wenn die belangte Behörde ausgeführt hat, die Zahlungseingänge des Beschwerdeführers hätten nur durch Zwangsmittel erreicht werden können, so ignoriert sie, daß bereits das erste Nachsichtsansuchen vom 12. Oktober 1983 - noch vor dessen Erledigung - mit dem Bescheid betreffend "Pfändung und Überweisung von Arbeitseinkommen" vom 7. November 1983 "beantwortet" wurde. Auf Grund der in der Folge durchgeführten Pfändung hatte der Beschwerdeführer mangels das Existenzminimum übersteigender Mittel keine ihm anzulastende Gelegenheit, freiwillig etwas zur Rückstandsminderung beizutragen. Beim Vergleich des Beschwerdeführers mit jenen Abgabepflichtigen, die ihre steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen, hätte die belangte Behörde auch das Verhalten des Beschwerdeführers vor der Umgründung seines Unternehmens, das nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung vorbildlich gewesen ist, zu berücksichtigen gehabt. Dem Beschwerdeführer kann daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe freiwillig nichts zur Rückstandsminderung beigetragen bzw der Wille, nach seinen Kräften etwas zur Tilgung seiner Abgabenschulden beizutragen, sei bei ihm nicht einmal ansatzweise erkennbar.
Da sich nach dem Gesagten der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet erweist, war er gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben. Zwar unterließ es der Beschwerdeführer, diese Rechtswidrigkeit ausdrücklich geltend zu machen. Wesentliche Verfahrensmängel sind jedoch nach ständiger hg Rechtsprechung auch von Amts wegen wahrzunehmen (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 591).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991. Der Art III Abs 2 dieser Verordnung kommt nicht zur Anwendung, weil in der Beschwerde nur ein Teil jenes Betrages begehrt wurde, der im Zeitpunkt der Einbringung derselben als Pauschbetrag festgesetzt war. Der Ersatz von Stempelgebühren war nur in jener Höhe zuzusprechen, in der Stempelgebühren für Schriftsätze und Beilagen, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten, zu entrichten waren.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)