VwGH 89/14/0055

VwGH89/14/005527.6.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der Stadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat) vom 30. Dezember 1988, Zl. 6/187/1‑BK/Th‑1988, betreffend Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages des Zweitmitbeteiligten für dieJahre 1985, 1986 und 1987 (mitbeteiligte Parteien: 1.) Stadtgemeinde Leonding, vertreten durch den Bürgermeister, 2.) OH in L), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §29 Abs2 lita
BAO §29 Abs2 litb
BAO §29 Abs2 litc
GewStG §30 Abs1
GewStG §31 Abs1 Z2 idF 1988/403

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989140055.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Stadtgemeinde hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Zweitmitbeteiligte betreibt das Maler- und Anstreichergewerbe. Er hat eine Betriebsstätte in Linz und eine in Leonding. Die erstere betrifft ausschließlich die Geschäftsleitung, die letztere betrifft die Werkstätte und das Lager.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag für die Streitjahre entsprechend der bisher eingehaltenen Übung gemäß § 30 Abs.1, § 31 Abs. 1 Z. 2 GewStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung in Verbindung mit § 196 Abs. 1 bis 3 BAO dermaßen zerlegt, daß die Lohnsumme der Angestellten der Betriebsstätte in Linz und damit der beschwerdeführenden Stadtgemeinde, die Lohnsumme der Arbeiter jedoch der Betriebsstätte in Leonding und damit der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde zugerechnet wurde. Dadurch entsprach die belangte Behörde dem Antrag der Erstmitbeteiligten und nicht dem Antrag des Beschwerdeführers, der auch die Lohnsumme der Arbeiter zur Gänze oder zu einem nicht näher von ihm genannten Anteil zu seinen Gunsten bei Bestimmung des Anteilsverhältnisses in Anspruch nahm.

Bei ihrer Entscheidung ging die belangte Behörde gestützt auf die Aussage des Zweitmitbeteiligten, an deren objektiver Richtigkeit zu zweifeln sie keinen Anlaß fand, sachverhaltsbezogen davon aus, daß die Arbeiter nur Beziehungen zur Werkstätte hätten, nicht jedoch zum Sitz der Geschäftsleitung (in der Folge: Büro). Ihr Arbeitseinsatz werde durch den Sohn des Zweitmitbeteiligten, der ständig in der Werkstätte beschäftigt sei, geleitet. Die Materialien und Geräte würden von ihnen ausschließlich aus der Werkstätte bezogen. Soweit die Arbeiten nicht ohnedies in der Werkstätte geleistet würden, würden sie von der Werkstätte aus begonnen und von dieser aus auch die Arbeitsaufträge an die Arbeiter erteilt. Das Schwergewicht der Tätigkeit der Arbeiter beziehe sich daher auf die Werkstätte als Betriebsstätte. Rechtlich ging die belangte Behörde davon aus, daß nur die beiden erwähnten Betriebsstätten vorhanden seien, zumal die Baustellen im Hinblick auf die Dauer der Bauausführungen (§ 29 Abs. 2 lit. c BAO) als Betriebsstätte nicht in Betracht kämen. Arbeiter, die im Hinblick auf die Eigenart ihres Berufes an verschiedenen Stellen tätig seien, denen aus dem zuletzt genannten Grund Betriebsstättenqualität nicht zukomme, seien der Betriebsstätte zuzurechnen, bei der sie jeweils ihre Arbeitsanweisungen empfangen und ihnen Gerätschaften sowie Material ausgehändigt werden. Dies sei im vorliegenden Fall die erwähnte Werkstätte. Auf den Ort der Lohnzahlung komme es ebensowenig an wie auf den Wohnort der Arbeiter. Auch die Zulassung der Betriebsfahrzeuge in Linz sei ohne Bedeutung, zumal die Fahrzeuge, mit Ausnahme des Pkw des Firmeninhabers, der in Linz im Bürogebäude auch seine Wohnung habe, ausschließlich am Ort der Werkstätte stationiert seien. Der Umstand, daß den Arbeitern vom Zweitmitbeteiligten erlaubt sei, auch direkt von ihrem Wohnort aus zur Arbeit an der jeweiligen Baustelle zu fahren, ändere nichts daran, daß der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit (in wirtschaftlicher Sicht) die Werkstätte sei, wo vor Arbeitsbeginn oder nach Arbeitsschluß die Weiterentwicklung der Arbeit auf den Baustellen mit dem Einsatzleiter (dem Sohn des Zweitmitbeteiligten) abgeklärt und besprochen werde. Wenn sich auch die Leitung des Betriebes im Büro befinde, in das die Arbeiter fast nie kämen, so müßten von der Leitungstätigkeit die leitenden Anordnungen gegenüber den Arbeitern unterschieden werden. Diese erfolgten von der Werkstätte aus. Im Büro werde nur geschrieben, archiviert und telefoniert, während sogar die Buchhaltung und Lohnverrechnung außer Haus erledigt werde.

Die beschwerdeführende Stadtgemeinde erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf eine dem Gesetz entsprechende Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages insofern verletzt, als ihr nicht auch die Lohnsummen der Malerarbeiter zur Gänze oder zumindest anteilsmäßig als zur Linzer Betriebsstätte gehörig zugerechnet worden seien. Sie behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was Anlaß gibt, daran zu zweifeln, daß die belangte Behörde die Werkstätte mit Lager zu Recht als Betriebsstätte (§ 29 Abs. 2 lit. b BAO) angesehen hat und, daß außer dieser nur eine zweite Betriebsstätte, nämlich das Büro (§ 29 Abs. 2 lit. a BAO) existiert.

Der Beschwerdeführer hat vor den Verwaltungsbehörden nie geltend gibt, daß die für den Fall des Vorliegens mehrerer Betriebsstätten in § 31 Abs. 1 Z. 2 GewStG vorgesehene Aufteilung zu einem offenbar unbilligen Ergebnis im Sinne des § 34 GewStG führe, sodaß nach dieser Gesetzesstelle vorzugehen gewesen wäre. Dergleichen behauptet der Beschwerdeführer auch vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht. Er weist sogar besonders darauf hin, daß die Belastung der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde durch Werkstätte und Lager (Entsorgung diverser Materialien und Abfälle) bei der Zerlegung nicht zu berücksichtigen sei.

Strittig ist daher lediglich die Frage, ob der Zerlegungsmaßstab gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2 GewStG insofern richtig angewendet wurde, als die Summe der Arbeitslöhne der Malerarbeiter ausschließlich der Betriebsstätte in der erstmitbeteiligten Gemeinde zugeschlagen wurden, weil diese Arbeitnehmer als bei dieser Betriebsstätte beschäftigt anzusehen seien.

Im Hinblick auf die insofern unbekämpften Feststellungen der belangten Behörde und auf Grund der Lebenserfahrung kann der Verwaltungsgerichtshof davon ausgehen, daß es sich bei Malerarbeitern um Personen handelt, die nach der Eigenart ihrer Tätigkeit zumindest überwiegend nicht in einer Werkstätte (sondern an Außenstellen) eingesetzt werden. Entscheidend ist daher die Rechtsfrage, bei welcher Betriebsstätte derartige Arbeitnehmer im Sinne des § 31 Abs. 1 Z. 2 GewStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung (vor der Änderung durch BGBl. 1988/403) als beschäftigt anzusehen sind, wenn das Unternehmen zwei Betriebsstätten hat, die in verschiedenen Gemeinden liegen, wobei es sich bei der einen Betriebsstätte um die Geschäftsleitung, bei der anderen um Werkstätte und Lager handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß in einem solchen Fall die Arbeiter, die überwiegend an Baustellen tätig sind, als in jener Betriebsstätte beschäftigt anzusehen sind, zu der ihre Tätigkeit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die überwiegende und stärkste Beziehung hat. Eine gleichzeitige Zurechnung eines Arbeitnehmers zu mehreren Betriebsstätten ist durch den Maßstab des § 31 Abs. 1 Z. 2 GewStG ausgeschlossen. Der belangten Behörde ist aber auch darin beizupflichten, daß diese überwiegende und stärkste Beziehung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Anordnungszusammenhang im Weisungsverhältnis sowie die Versorgung mit Arbeitsmaterial und Geräten ausdrückt. Hingegen kommt es nicht darauf an, wo die betreffenden Arbeitnehmer wohnen, von welcher Stelle aus die Geschäftsleitung des Unternehmens erfolgt, dem die Betriebsstätte angehört, an welchem Ort die Betriebsfahrzeuge nach kraftfahrrechtlichen Bestimmungen zugelassen sind und an welchen Orten sich Baustellen befinden, mag es sich dabei auch um Großaufträge handeln, solange diesen Baustellen nicht selbst Betriebsstätteneigenschaft gemäß § 29 BAO zukommt.

In der Beschwerde wird dieser Rechtsansicht der belangten Behörde nichts Überzeugendes entgegengehalten.

Der Beschwerdeführer meint, die Ermittlung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes sei mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet. Die Beschwerde zeigt in Wahrheit solche Verfahrensmängel jedoch nicht auf.

Ob ein Großteil der Aufträge in Linz durchgeführt wird, ist für die Zurechnung der Malerarbeiter zur Werkstätte nach dem bereits Gesagten ohne Bedeutung. Gleiches gilt für den Ort der kraftfahrrechtlichen Zulassung der Betriebsfahrzeuge und für die Tatsache, daß ein Großteil der Arbeiter von ihrem Linzer Wohnsitz zu Linzer Großbaustellen fährt.

Von einer Aktenwidrigkeit kann schon deshalb keine Rede sein, weil eine solche nur dann vorliegt, wenn Aktenstellen in der Entscheidung unrichtig wiedergegeben werden. Dergleichen zeigt die Beschwerde nicht auf.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, Linzer Großaufträge nähmen von der Linzer Betriebsstätte ihren Ausgangspunkt und es erfolgten dort gewisse Vorarbeiten, die für die Durchführung der Malerarbeiten von Relevanz seien, findet nach Inhalt der Verwaltungsakten in den vorliegenden Ermittlungsergebnissen keine Deckung.

Daß die belangte Behörde der Darstellung des Zweitmitbeteiligten geglaubt hat, nicht aber den auf Vermutungen und Verallgemeinerungen basierenden Behauptungen des Beschwerdeführers, stellt einen Akt zulässiger Beweiswürdigung im Sinne des § 167 Abs. 2 BAO dar, weil dieser weder mit Denkgesetzen noch mit menschlichem Erfahrungsgut in Widerspruch steht. Warum die Aussage des Zweitmitbeteiligten gegenüber der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde (vgl. deren Schreiben vom 24. August 1988 an das Finanzamt) unrichtig sein soll, daß Großaufträge nur von der Betriebsstätte in Leonding aus organisiert werden, ist unerfindlich. Abgesehen davon, kommt es auf Grund der bereits oben dargelegten Rechtslage nicht darauf an, ob der Unternehmer Großaufträge vom Sitz seiner Geschäftsleitung aus plant oder von seiner Werkstätte aus, sondern darauf, wo der Schwerpunkt der Tätigkeit der Malerarbeiter liegt.

Daß diese Arbeiter ihre Tätigkeit nicht täglich von Leonding aus aufnehmen, hängt damit zusammen, daß es ihnen erlaubt ist, von ihren Wohnungen aus direkt auf die Baustellen zu fahren. Diesem Umstand kommt jedoch für die Beurteilung der Frage, ob diese Arbeiter als bei der Betriebsstätte der Geschäftsleitung beschäftigt anzusehen sind oder bei der Betriebsstätte in Leonding (Werkstätte und Lager) keine Bedeutung zu, weil hiefür nur entscheidend ist, daß sie regelmäßig von der zuletzt genannten Betriebsstätte ihre Arbeitsanweisungen erhalten und ihnen von dieser die Gerätschaften und Materialien ausgehändigt werden, die sie zu ihrer Arbeit benötigen. Daß dies nicht vom Sitz der Geschäftsleitung aus, sondern von der Werkstätte aus geschieht, ergibt sich daraus, daß der Einsatzleiter dauernd in der Werkstätte stationiert ist und daß nur bei dieser, nicht jedoch im Büro in Linz, Gerätschaften und Materialien für die betreffenden Arbeiten vorhanden sind.

Ob das Finanzamt in einer bestimmten Phase der Ermittlungen eine Rechtsauffassung vertrat, die von der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen abwich, ist für die Frage der Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Bedeutung.

Die belangte Behörde hat aber auch zu Recht darauf hingewiesen, daß es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers in wesentlichen Punkten um Vermutungen und Verallgemeinerungen gehandelt hat (vgl. das Schreiben des Beschwerdeführers an das Finanzamt vom 17. Juli 1986: „... üblicherweise .... kann als sicher gelten ... erscheint nicht praxisbezogen und ist denkunmöglich ...“). Wenn die belangte Behörde nicht diesen Ausführungen, sondern den konkreten Aussagen des Zweitmitbeteiligten gefolgt ist, kann von einer unrichtigen Würdigung der „Sachverhaltsargumente“ umsoweniger die Rede sein, als der Zweitmitbeteiligte im Beschwerdefall kein Interesse daran hat, welcher Anteil an der Gewerbesteuer jeweils den Gemeinden der beiden Betriebsstätten zugeteilt wird.

Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde kein einziges vom Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens vorgetragenes Argument unberücksichtigt gelassen. Sie hat allerdings zu Recht teils die rechtliche Unerheblichkeit des Vorbringens erkannt, teils den unbewiesenen Behauptungen des Beschwerdeführers auf Grund der überzeugenden Angaben des Zweitmitbeteiligten nicht geglaubt.

Die Anmeldung der Betriebsfahrzeuge des Zweitmitbeteiligten am Ort des Büros bildet auch nicht das geringste Indiz dafür, daß unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die überwiegende und stärkste Beziehung der Malerarbeiter zur Betriebsstätte der Geschäftsleitung bestünde. Die belangte Behörde war daher auch nicht verpflichtet, dieser Frage von Amts wegen weiter nachzugehen.

Der Vorwurf, die belangte Behörde habe ihre amtswegige Ermittlungspflicht verletzt, ist unberechtigt. Der Beschwerdeführer zeigt keine konkreten Ermittlungshandlungen auf, die noch eine für seinen Standpunkt günstige, entscheidungswesentliche Tatsache hätten zutage fördern können.

Die Ermittlungen des eigenen Steueramtes der beschwerdeführenden Gemeinde wurden nach Inhalt der Verwaltungsakten weder vorgelegt noch konkret bezeichnet. Soweit solche Beweismittel als Urkunden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegt wurden, waren sie gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im Hinblick auf das Neuerungsverbot unbeachtlich.

Auf die Lasten der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde aus der auf ihrem Gebiet gelegenen Betriebsstätte hat die belangte Behörde lediglich hingewiesen, um darzutun, daß die Zerlegung nach dem Verhältnis gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2 GewStG jedenfalls nicht zu einem für die beschwerdeführende Stadtgemeinde offenbar unbilligen Ergebnis führt. Da der Beschwerdeführer eine offenbare Unbilligkeit im Sinne des § 34 GewStG für sich aus einer Zerlegung gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2 GewStG gar nicht behauptet hat, könnte auch die allfällige Unrichtigkeit des erwähnten Begründungselementes der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Der Beschwerdeführer wird somit durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten nicht verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Wien, am 27. Juni 1989

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