VwGH 89/13/0255

VwGH89/13/025517.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. Erich M als Erbe nach Mathilde M, K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI), vom 29. September 1989, GZ 6/3-3524/88-01, betreffend Einkommensteuer 1980, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1;
EStG 1972 §10 Abs3;
EStG 1972 §11;
StruktVG 1969 §8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
BAO §21 Abs1;
EStG 1972 §10 Abs3;
EStG 1972 §11;
StruktVG 1969 §8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Alleinerbe nach Mathilde M, die Inhaberin des Einzelunternehmens "NN & Co" gewesen ist. Der Betrieb der Einzelunternehmerin wurde mit Wirkung vom 1. Jänner 1981 in die M Gesellschaft mbH eingebracht. Im Sinne der Bestimmungen des Art. III StruktVG wurden die eingebrachten Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens mit den höheren Teilwerten angesetzt.

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß die in den Jahren 1978, 1979 und 1980 geltend gemachten Investitionsfreibeträge von zusammen S 1,860.221,-- gewinnerhöhend aufzulösen seien. Der Veräußerungsgewinn für 1980 wurde um den angeführten Betrag erhöht. Die gegen den Einkommensteuerbescheid 1980 gerichtete Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsentscheidung wurde damit begründet, daß die vorgenommene Aufwertung der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Gewinnverwirklichung bedeutet habe und die Investitionsfreibeträge daher gewinnerhöhend aufzulösen gewesen seien.

Gegen diese Berufungsentscheidung wurde Beschwerde erhoben und darin eine "unrichtige rechtliche Beurteilung" durch die belangte Behörde gerügt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Scheiden Wirtschaftsgüter, für die ein Investitionsfreibetrag im Sinne des § 10 Abs. 1 EStG 1972 gewinnmindernd geltend gemacht wurde, vor Ablauf des fünften auf das Jahr ihrer Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres aus dem Betriebsvermögen aus, so ist der Gewinn nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle im Jahr des Ausscheidens um den Freibetrag zu erhöhen.

Bei der Einbringung eines Betriebes (Teilbetriebes) eines Einzelunternehmers oder einer Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, in eine inländische Kapitalgesellschaft ausschließlich gegen Gewährung von neuen Gesellschaftsanteilen sind nach dem ersten Halbsatz des § 8 Abs. 2 StruktVG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1980, BGBl. Nr. 563, die dort bestimmt bezeichneten steuerfrei gebildeten Rücklagen mit jenen Werten anzusetzen, mit denen sie der Einbringende im Zeitpunkt der Einbringung in Übereinstimmung mit den steuerlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung bewertet hat (Fortführung der Buchwerte). Eine vom Einbringenden gemäß § 11 EStG 1972 gebildeten Rücklage ist vor der Einbringung aufzulösen und zu versteuern. Alle übrigen eingebrachten Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens können bei der Kapitalgesellschaft in ihrer Gesamtheit einheitlich entweder ebenfalls mit den Buchwerten oder mit ihren höheren Teilwerten, höchstens jedoch mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden.

§ 8 Abs. 2 StruktVG enthält jedoch keine ausdrückliche Regelung über das Schicksal eines im Zeitpunkt der Einbringung bestehenden Investitionsfreibetrages. Allerdings ist in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum AbgÄG 1980 dazu ausgeführt (457 BlgNR XV. GP ): "Mit der genauen Aufzählung der mit den Buchwerten fortzuführenden Rücklagen wird weiters bewirkt, daß der in der Praxis als Rücklage behandelte Investitionsfreibetrag gemäß § 10 Einkommensteuergesetz ebenso wie die Rücklage für nichtentnommenen Gewinn gemäß § 11 Einkommensteuergesetz vor der Einbringung gewinnerhöhend aufzulösen ist."

Es mag dahingestellt bleiben, ob die in diesen Erläuterungen dokumentierte Absicht des Gesetzgebers im Wortlaut des Gesetzes Deckung findet, zumal den Gesetzesmaterialien keine selbständige normative Kraft zukommt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 16. September 1960, Slg. 5362/A, und vom 3. Februar 1976, Zl.1856/74). Wie auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens richtig erkannt, ist die Frage, ob die Investitionsfreibeträge im Falle einer Einbringung gewinnerhöhend aufzulösen sind, anhand der Bestimmung des § 10 Abs. 3 EStG zu beurteilen.

Der Nachversteuerungstatbestand nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle soll analog zur Realisierung stiller Reserven beim Ausscheiden vorzeitig abgeschriebener Wirtschaftsgüter immer dann zum Tragen kommen, wenn die begünstigt angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter vor Ablauf der im Gesetz genannten Behaltefrist von fünf Wirtschaftsjahren aus dem Betriebsvermögen ausscheiden. Für die Realisierung stiller Reserven ist es dabei unmaßgeblich, aus welchen Gründen ein Wirtschaftsgut ausscheidet

(Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, 254 f).

Übertragungsformen wie die im Beschwerdefall vorliegende Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft (in Verbindung mit einem Ansatz der eingebrachten Wirtschaftsgüter mit ihren höheren Teilwerten) stellen einen Tausch Betrieb gegen Erhalt von Gesellschaftsrechten und somit einen Veräußerungsvorgang dar (vgl. Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, a.a.O., 579, sowie das hg. Erkentnis vom 18. Dezember 1990, Zl. 89/14/0059). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann also - jedenfalls aus der Sicht der im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfrage - von einer Kontinuität des Betriebes nach dem Einbringungsvorgang keine Rede sein. Bei der Übertragung eines Betriebes gehören die Wirtschaftsgüter ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen, der den Investitionsfreibetrag geltend gemacht hat (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, Tz 8 zu § 10 EStG 1972). Die Veräußerung des Betriebes bedeutet also das Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des begünstigten Unternehmers (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1984, B 90/81). Daraus folgt, daß die belangte Behörde den Gewinn des Streitjahres zutreffend um die Investitionsfreibeträge erhöht hat.

Bei dieser Rechtslage erübrigte es sich, auf die unter der Annahme einer betrieblichen "Kontinuität" begründeten Ausführungen der Beschwerde weiter einzugehen, zumal entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (vgl. § 21 BAO) bei der Beurteilung der gegenständlichen Streitfrage nicht in Betracht kommt. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise hat nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes, nicht aber der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen zu dienen (vgl. z.B. die

hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1980, Zl. 3048/79, und vom 31. Jänner 1985, Zl. 83/16/0088).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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