VwGH 89/11/0039

VwGH89/11/003912.9.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der RR in H, vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, Churerstraße 11, gegen die Bezirkshauptmannschaft Weiz wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, beschlossen und zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art131a;
KFG 1967 §76 Abs1;
KFG 1967 §76 Abs3;
KFG 1967 §76 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs2;
B-VG Art131a;
KFG 1967 §76 Abs1;
KFG 1967 §76 Abs3;
KFG 1967 §76 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich auf die am 22. Jänner 1989 von einem Beamten des Gendarmeriepostenkommandos St. Ruprecht an der Raab vorgenommene vorläufige Abnahme des Führerscheines der Beschwerdeführerin bezieht, als unbegründet abgewiesen, im übrigen zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der vorliegenden, auf Art. 131 a B-VG gestützten Beschwerde bekämpft die Beschwerdeführerin zunächst die am 22. Jänner 1989 von einem Beamten des Gendarmeriepostenkommandos St. Ruprecht an der Raab vorgenommene, der belangten Behörde zuzurechnende vorläufige Abnahme ihres Führerscheines (hg. protokolliert zur Zl. 89/11/0039). Sie wendet sich aber, wie die Beschwerde eindeutig erkennen läßt, zusätzlich, und zwar unabhängig davon, auch gegen die in diesem Zusammenhang erfolgte Ausstellung einer nicht ordnungsgemäßen Bescheinigung (hg. protokolliert zur Zl. 89/11/0043) und gegen die hiebei mündlich erteilte, nach Meinung der Beschwerdeführerin unrichtige Belehrung "über die Wiedererlangung der Lenkerberechtigung" (hg. protokolliert zur Zl. 89/11/0044) sowie gegen "die bis heute, den 6.2.1989, nicht erfolgte Ausfolgung der Lenkerberechtigung" (hg. protokolliert zur Zl. 89/11/0045).

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals ausgesprochen hat, stellt die Nichtausfolgung einer Bestätigung über die vorläufige Abnahme des Führerscheines gemäß § 76 Abs. 1 zweiter Satz KFG 1967 keinen selbständig anfechtbaren Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Art. 131 a B-VG dar, weil es sich dabei um einen unselbständigen Teilakt der Führerscheinabnahme handelt (vgl. die Erkenntnisse vom 13. März 1985, Zl. 83/11/0129, und vom 25. März 1988, Zl. 87/11/0011). Das gleiche gilt sowohl dann, wenn zwar eine Bescheinigung über die Abnahme ausgefolgt wird, diese aber nicht dem Gesetz entspricht, weil - wie im vorliegenden Beschwerdefall, ungeachtet der Frage der Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der auf der Rückseite aufscheinenden Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines erforderlichen Schritte - die Gründe für die Abnahme nicht enthalten sind, als auch im Falle einer mündlich erfolgten, die Wiedererlangung des Führerscheines betreffenden Belehrung, die nach der Behauptung der Beschwerdeführerin deshalb unrichtig gewesen sein soll, weil ihr mitgeteilt worden sei, daß der Führerschein direkt an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (als Wohnsitzbehörde) übersendet werde und dort von der Beschwerdeführerin abgeholt werden könne. Gegenstand einer zulässigen Anfechtung kann daher im gegebenen Zusammenhang nur die vorläufige Abnahme des Führerscheines selbst sein, die durch den Ausspruch des Gendarmeriebeamten, der auf Grund einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle bereits in seinen Händen befindliche Führerschein werde vorläufig abgenommen, bewirkt wurde (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1984, Zl. 83/11/0107), und die ihr folgenden Teilakte mitumfaßt hat.

Die Beschwerdeführerin hat weiters übersehen, daß die "Nichtausfolgung" des Führerscheines an sie ebenfalls nicht als Akt der unmittelbaren behördlichen Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen ist (vgl. u.a. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1981, Zlen. 81/02/0023, 0148). Das gleiche gilt für den damit verbundenen auf § 76 Abs. 4 KFG 1967 gestützten Vorwurf, es sei (auf Grund des Verhaltens der belangten Behörde) der Führerschein "bis heute noch nicht bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eingelangt", weshalb dessen Ausfolgung unterblieben sei. Die Beschwerdeführerin hätte die rechtliche Möglichkeit gehabt, die Ausfolgung ihres Führerscheines zu beantragen, worüber von der belangten Behörde bescheidmäßig abzusprechen gewesen wäre.

Da es sich in den drei genannten, von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Fällen - wie gesagt - nicht um die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelte, war die Beschwerde in diesem Umfang wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, wobei dies durch einen gemäß § 12 Abs. 3 leg. cit.

gebildeten Senat geschehen ist.

Hingegen hat der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der

vorläufigen Abnahme des Führerscheines erwogen.

Gemäß § 76 Abs. 1 erster Satz KFG 1967 haben Organe des

öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, daß eine Person ein Kraftfahrzeug lenkend am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Die Abnahme des Führerscheines ist keinesfalls als Strafe oder sonstige Sanktion für vorangegangenes rechtswidriges Verhalten, sondern vielmehr als ausschließlich in die Zukunft gerichtetes, allfälliges rechtswidriges Verhalten verhinderndes behördliches Handeln zu werten. Das Vorliegen der dementsprechend geforderten Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Abnahme des Führerscheines, es müsse daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, daß die betreffende Person in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken werde (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1988, Zl. 88/11/0049, und die dort angeführte Judikatur), wird von der Beschwerdeführerin - in Übereinstimmung mit der Aktenlage - in Ansehung des Umstandes, daß ihre Lenktätigkeit noch nicht abgeschlossen und sohin die neuerliche Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges durch sie nach Beendigung der Amtshandlung zu erwarten war, nicht in Abrede gestellt. Festzuhalten ist auch, daß die im § 76 Abs. 1 zweiter Satz KFG 1967 vorgesehene Ausfolgung einer Abnahmebestätigung im Hinblick darauf, daß es sich um eine reine Ordnungsvorschrift handelt, keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme ist (vgl. auch dazu die bereits zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1985, Zl. 83/11/0129, und vom 25. März 1988, Zl. 87/11/0011). Auf die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme hat daher auch die Aushändigung einer solchen, jedoch nicht dem Gesetz entsprechenden Bescheinigung, ebenso wie die allfällige Erteilung einer sich auf die Wiedererlangung des Führerscheines beziehenden unrichtigen Belehrung, keinen Einfluß.

Der Beschwerde kann entnommen werden, daß die Beschwerdeführerin der Auffassung ist, die vorläufige Abnahme ihres Führerscheines sei deshalb erfolgt, weil sie die von ihr geforderte Atemluftprobe verweigert habe, wozu sie aber im Hinblick darauf, daß sie vergeblich eine vorherige Mundspülung verlangt habe, nicht verpflichtet gewesen sei. Ob die Beschwerdeführerin eine derartige Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen hat, kann auf sich beruhen, weil die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Abnahme des Führerscheines auf Grund unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen unabhängig davon zu beurteilen ist. Auch wenn die Beschwerdeführerin gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, würde dies noch nicht zwangsläufig bedeuten, daß auch die gegenständliche Maßnahme rechtmäßig war, und umgekehrt wäre für den Standpunkt der Beschwerdeführerin hinsichtlich dieser Maßnahme nichts zu gewinnen, wenn sich herausstellen sollte, daß der gegen sie erhobene Strafvorwurf unberechtigt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. März 1985, Zl. 84/11/0062, dargelegt, daß in dem positiven Ergebnis einer Atemluftprobe für sich allein kein im § 76 Abs. 1 KFG 1967 gefordertes Verhalten der betreffenden Person, aus dem ein "übermäßiger Alkoholgenuß" mit den sich daraus ergebenden Folgen bezüglich ihrer Fahrtauglichkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle abgeleitet werden könnte, zu erblicken ist. Wird eine Atemluftprobe - zu Recht oder zu Unrecht - verweigert, so stellt dies ebensowenig ein derartiges Verhalten, das diesbezüglich geeignete Rückschlüsse zuläßt, dar. Daß aber die Verweigerung der Atemluftprobe durch die Beschwerdeführerin der Grund für die vorläufige Abnahme ihres Führerscheines war, ergibt sich eindeutig aus der (im vorgelegten Verwaltungsakt erliegenden, im Verwaltungsstrafverfahren gegen die Beschwerdeführerin abgelegten und im übrigen vom Gendarmeriebeamten H, der die Beschwerdeführerin zur Vornahme der Atemluftprobe aufgefordert hatte, allgemein als Zeuge bestätigten) Zeugenaussage des Meldungslegers K vom 31. März 1989, heißt es doch dort, daß er die Bescheinigung über die vorläufige Abnahme des Führerscheines "ausgefüllt" habe und (was offenbar als Erklärung dafür dienen sollte, daß darin nicht angekreuzt wurde, weshalb die Maßnahme gesetzt wurde) "es eine Rubrik für den Abnahmegrund 'Alkotestverweigerung' nicht gibt".

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift zwar zum Ausdruck gebracht, daß sie dem Umstand, ob die Beschwerdeführerin die Atemluftprobe verweigert hat, bei Erledigung des Beschwerdefalles Bedeutung beimißt. Sie hat aber die vorläufige Abnahme des Führerscheines letztlich doch damit begründet, daß "es angesichts dieser" (bei der Beschwerdeführerin) "festgestellten Alkoholisierungsmerkmale", bei denen es sich um "starken Alkoholgeruch der Atemluft, gerötete Augen und eine lallende Aussprache" handelte, "nicht verantwortbar gewesen wäre, ihr durch Wiederausfolgung des Führerscheines die (rechtliche) Möglichkeit zu geben, den von ihr vorher gelenkten Pkw erneut in Betrieb zu nehmen". Das Vorliegen der genannten Alkoholisierungsmerkmale, die bereits in der Anzeige aufscheinen, hat die Beschwerdeführerin trotz der ihr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gebotenen Gelegenheit zur Stellungnahme nicht bestritten; sodaß davon ausgegangen werden kann. Dies rechtfertigte aber die vorläufige Abnahme des Führerscheines.

Naturgemäß kam es hiebei nicht darauf an, ob eine Alkoholbeeinträchtigung erwiesen war, sondern es genügt vielmehr, daß das Organ der öffentlichen Sicherheit die begründete Vermutung hegen durfte, die Beschwerdeführerin befinde sich in einem die Fahrtüchtigkeit ausschließenden Zustand (vgl. dazu abermals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1985, Zl. 83/11/0129). Das Gesetz verlangt, daß dies aus dem Verhalten der betreffenden Person deutlich erkennbar ist. Der Zustand der betreffenden Person (sei es ein solcher im Zusammenhang mit einem "übermäßigen Alkoholgenuß" oder ein außergewöhnlicher Erregungs- oder Ermüdungszustand) muß sich daher in einem Verhalten dieser Person äußern, das bei einem solchen Organ den Eindruck erweckt, daß diese Person derzeit nicht die volle Herrschaft über ihren Geist und ihren Körper besitzt. Es darf ja nicht übersehen werden, daß einem solchen Organ die nötigen medizinischen Fachkenntnisse, wie sie bei einer klinischen Untersuchung nach § 5 Abs. 4 StVO 1960 erforderlich sind, fehlen, sodaß es durchaus verständlich erscheint, daß der Gesetzgeber nur auf ein nach außenhin in Erscheinung tretenden Verhalten, in dem ein bestimmter Zustand einer Person deutlich wird, abstellt. Das bloße Vorhandensein von Alkoholisierungsmerkmalen reicht daher hiefür grundsätzlich nicht aus, außer sie bestehen (zumindest teilweise) in einem Verhalten, aus dem ein insofern relevanter Zustand deutlich zu erkennen ist. Die bei der Beschwerdeführerin festgestellte "lallende Aussprache" muß als ein derartiges Verhalten gewertet werden, das in Verbindung mit den beiden übrigen bei ihr wahrgenommenen Alkoholisierungsmerkmalen auf eine auf "übermäßigen Alkoholgenuß" zurückzuführende Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 76 Abs. 1 KFG 1967 schließen ließ. Ob noch ein weiteres Verhalten der Beschwerdeführerin, das diesen Eindruck verstärkte, vorlag - so der lediglich vom Zeugen H bei seiner Vernehmung erwähnte "schwankende Gang" und der Umstand, daß sie im Zuge der gegenständlichen Amtshandlung plötzlich davongelaufen ist -, ist demnach nicht mehr von Bedeutung.

Daraus ergibt sich, daß die vorläufige Abnahme des Führerscheines rechtmäßig war, sodaß die Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 4 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, dies allerdings nur im Rahmen des (auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes lautenden) Begehrens.

Wien, am 12. September 1989

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