VwGH 89/08/0011

VwGH89/08/001113.3.1990

N gegen Landesarbeitsamt Wien vom 31. März 1987, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Feststellung der Höhe der Sondernotstandshilfe.

Normen

AlVG 1977 §20 Abs2 idF 1977/609;
AlVG 1977 §20 Abs3 idF 1977/609;
NotstandshilfeV §1;
AlVG 1977 §20 Abs2 idF 1977/609;
AlVG 1977 §20 Abs3 idF 1977/609;
NotstandshilfeV §1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über die Höhe der Sondernotstandshilfe im Zeitraum vom 29. September bis 31. Oktober 1986 abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.830,-- (darin enthalten S 720,-- Bundesstempel) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom 3. Dezember 1986 wurde der Beschwerdeführerin Sondernotstandshilfe gemäß den §§ 20 und 21 in Verbindung mit §§ 36 und 39 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 in Verbindung mit § 1 der Notstandshilfeverordnung, BGBl. 352/1973, wie folgt gewährt:

Für die Zeit vom 15. Juli 1986 bis 28. September 1986 in der Höhe von täglich S 349,--,

vom 29. September 1986 bis 31. Oktober 1986 in der Höhe von täglich S 304,70

und ab 1. November 1986 in der Höhe von täglich S 349,--.

Der von der Beschwerdeführerin betreffend die Höhe der zuerkannten Leistung im Zeitraum vom 29. September 1986 bis 31. Oktober 1986 erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichshof. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 27. September 1988, B 492/87-8, abgelehnt und sie - über nachträglichen Antrag im Sinne des § 87 Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz - mit Beschluß vom 23. Dezember 1988, B 492/87-10, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In ihrer gemäß § 34 Abs. 2 VwGG ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die zum vorangegangenen Zeitraum unterschiedliche (niedrigere) Höhe der Notstandshilfe im Streitzeitraum ist auf zwei Ursachen zurückzuführen: Einerseits wurde der Beschwerdeführerin für die am 14. Juli 1985 geborene Tochter der Familienzuschlag gemäß § 20 Abs. 2 AlVG aus dem Grunde des § 20 Abs. 3 AlVG, wonach für eine zuschlagsberechtigte Person der Familienzuschlag nur einmal zu gewähren ist, im Streitzeitraum deshalb nicht zuerkannt, weil (wie auch aus dem Sachverhalt des den Kindesvater betreffenden hg. Erkenntnisses vom 14. April 1988, Zl. 87/08/0311,0312 entnommen werden kann) dieser Familienzuschlag bereits vorher dem Kindesvater zuerkannt worden war. Zum anderen vertraten die Behörden des Verwaltungsverfahrens die Auffassung, daß der Beschwerdeführerin für diesen Zeitraum die Nostandshilfe deshalb nur mit 92 v.H. des in Betracht kommenden Arbeitslosengeldes zustehe, weil sie in diesem Zeitraum den Familienzuschlag für die Tochter nicht bezogen habe.

Gemäß § 20 Abs. 2 AlVG ist für die dort genannten "zuschlagsberechtigten Personen", darunter auch Kinder, ein Familienzuschlag zu gewähren, wenn der Arbeitslose zum Unterhalt dieser Personen tatsächlich wesentlich beiträgt. Gemäß § 20 Abs. 3 AlVG kann der Familienzuschlag für eine zuschlagsberechtigte Person nur einmal gewährt werden.

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 10. Juli 1973, betreffend Richtlinien für die Gewährung der Notstandshilfe (Notstandshilfeverordnung) BGBl. 352 (in dieser Fassung ist die Notstandshilfeverordnung für den im Jahr 1986 liegenden Streitzeitraum anzuwenden), wird das Ausmaß der Notstandshilfe für Arbeitslose, die für keinen zuschlagsberechtigten Angehörigen zu sorgen haben mit 92 v.H., hingegen für Arbeitslose, die für einen oder mehrere zuschlagsberechtigte Angehörige zu sorgen haben, mit 100 v.H. des in Betracht kommenden Arbeitslosengeldes festgesetzt.

Die Beschwerdeführerin bezweifelt in ihrer Beschwerde zunächst die Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs. 3 AlVG (wonach der Familienzuschlag für eine zuschlagsberechtigte Person nur einmal gewährt werden kann) mit der Begründung, daß diese Bestimmung nicht ausreichend determiniert sei; sie gebe darüber keine Auskunft, wer von zwei in Betracht kommenden Arbeitslosen den Familienzuschlag zu erhalten habe, wenn beide wesentlich zum Unterhalt des Zuschlagsberechtigten beitragen. Während es seit Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 615/1987 in einem solchen Fall darauf ankomme, in wessen Haushalt die zuschlagsberechtigte Person wohne bzw. wer die Person überwiegend betreue, räume § 20 Abs. 2 und 3 AlVG in der Fassung vor dieser Novelle der Behörde ein schrankenloses Ermessen ein, welches mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 18 Abs. 1 B-VG) unvereinbar sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit diesem Einwand bereits im Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 87/08/0311,0312, (betreffend den Kindesvater) auseinandergesetzt und die von der Beschwerde vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt. Der Verwaltungsgerichtshof war der Meinung, daß die Bestimmung des § 20 Abs. 2 AlVG einer norm- und zweckorientierten Gesetzesauslegung dahin zugänglich sei, daß in jenen Fällen, in denen mehrere Personen wesentlich zum Unterhalt beitragen, hinsichtlich des Familienzuschlages der Vorzug jener Person gebühre, deren Beitrag überwiege, wobei der Verwaltungsgerichtshof der Meinung war, dies sei bei minderjährigen Kindern des im Beschwerdefall vorliegenden Alters (von damals rund 2 Jahren) in der Regel derjenige, der dieses Kind in seinem Haushalt betreut.

Gerade aus letzterem Rechtssatz leitet die Beschwerde die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ab, weil im Streitzeitraum das Kind im Haushalt der Beschwerdeführerin gelebt habe und von dieser betreut worden sei, während der Kindesvater im Streitzeitraum den Familienzuschlag erhalten habe. In diesem Zusammenhang ist aus den Verwaltungsakten ersichtlich, daß der Beschwerdeführerin am 8. September 1986 formlos Sondernotstandshilfe ab 15. Juli 1986 in der Höhe von täglich S 304,70 gewährt wurde; auf den Familienzuschlag für das Kind wurde - zunächst (insoweit auch von der Beschwerdeführerin ungerügt) - nicht Bedacht genommen. Am 25. September 1986 beantragte die Beschwerdeführerin mit der Begründung, ihre Beitragsgrundlage aus den Dienstverhältnissen sei höher gewesen, die bescheidmäßige Feststellung der Höhe der Notstandshilfe. Erst aufgrund eines Aktenvermerks vom 20. November 1986 erfolgte schließlich mit Verständigung vom 25. November 1986 (rückwirkend) die Zuerkennung von Familienzuschlag und erhöhter Notstandshilfe im Sinne des § 1 der Notstandshilfeverordnung für den Zeitraum ab 15. Juli 1986, wobei lediglich der hier strittige Zeitraum vom 29. September bis 31. Oktober 1986 infolge des zwischenzeitig dem Kindesvater gewährten Familienzuschlages ausgespart und nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - der Familienzuschlag für diesen Zeitraum "entzogen" wurde.

Daraus ergibt sich, daß im Zeitpunkt der Zuerkennung des Familienzuschlages an die Beschwerdeführerin dieser vom Kindesvater für den Streitzeitraum bereits bezogen worden war. Strittig ist daher in Wahrheit nicht, wem von zwei (möglicherweise) anspruchsberechtigten Arbeitslosen der Familienzuschlag zuzuerkennen sei; die Behörde hatte vielmehr bei ihrer Entscheidung davon auszugehen, daß der Familienzuschlag dem Kindesvater bereits zuerkannt gewesen ist und daher aufgrund des eindeutigen Gesetzesbefehles des § 20 Abs. 3 AlVG eine weitere Gewährung des Kinderzuschlages an die Beschwerdeführerin nicht in Betracht kam. Ob die Zuerkennung an den Kindesvater gesetzeskonform war, hatte die Behörde im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen. Die Tatsache, daß der (unterhaltspflichtige) Kindesvater im Streitzeitraum den Familienzuschlag nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz zusätzlich zu den sonstigen Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hat, ist vielmehr gegebenenfalls bei der Bemessung des Kindesunterhaltes als zweckgebundener Einkommensbestandteil des Kindesvaters zu berücksichtigen (vgl. etwa EFSlg. 42654, 50374, 53455, 56009 uva). Aus dem Blickwinkel der vorliegenden Beschwerde hegt der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der anzuwendenden Gesetzesvorschrift des § 20 Abs. 3 AlVG.

Hingegen rügt die Beschwerdeführerin mit Recht, daß ihr für den strittigen Zeitraum vom 29. September bis 31. Oktober 1986 Notstandshilfe nur in der Höhe von 92 v.H. anstelle von 100 v.H. des in Betracht kommenden Arbeitslosengeldes gewährt worden ist. Das höhere Ausmaß der Notstandshilfe (bzw. Sondernotstandshilfe) hängt nach dem Verordnungswortlaut davon ab, ob der (die) Arbeitslose "für einen zuschlagsberechtigten Angehörigen ..... zu sorgen" hat. Unter zuschlagsberechtigten Personen im Sinne des § 20 Abs. 2 AlVG sind unter anderem die Kinder zu verstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag angesichts des Wortlautes des § 1 der Notstandshilfeverordnung in der (hier anzuwendenden) Stammfassung der Meinung der belangten Behörde, die erhöhte Notstandshilfe gebühre nur demjenigen, der (auch) im Bezug eines Familienzuschlages stehe, nicht zu folgen. Ob mit der Wendung "zu sorgen hat" bloß auf die gesetzliche Sorgeverpflichtung oder die tatsächliche Obsorge abgestellt werden sollte, kann im Beschwerdefall auf sich beruhen, zumal die Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen im Streitzeitraum mit dem zuschlagsberechtigten Kind im gemeinsamen Haushalt lebte und daher jedenfalls insoweit eine tatsächliche Obsorge durch die Beschwerdeführerin vorliegt.

Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorwirft, erübrigt es sich darauf einzugehen, zumal es im Lichte der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Rechtsauffassung ohnehin nur auf Fakten ankommt, von denen beide Parteien des Beschwerdeverfahrens ausgehen und gegen die auch in der vorliegenden Beschwerde nichts vorgebracht wird. Die entscheidungswesentlichen Sachverhaltselemente wurden von der belangten Behörde überdies in einer dem § 60 AVG 1950 entsprechenden Weise im angefochtenen Bescheid festgestellt.

Da der (vom positiv formulierten Spruch des erstinstanzlichen Bescheides abgeleitete) Spruch des angefochtenen Bescheides eine Trennung in jenen Teil, der über die Abweisung des Familienzuschlages abspricht von jenem, der das 92 v.H. des Arbeitslosengeldes übersteigende Mehrbegehren an Sondernotstandshilfe abweist, nicht zuläßt, war der Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 hingewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, die mit ihrem Art. III Abs. 2 anzuwenden war.

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