VwGH 89/07/0072

VwGH89/07/00725.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des GG in S, vertreten durch Dr. Johann Kahrer, Rechtsanwalt in Ried i.I., Bahnhofstraße 59, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Juli 1988, Zl. Bod-4025/4-1988, betreffend Besitzstörung in einem Zusammenlegungsgebiet (mitbeteiligte Parteien: F und MM in S), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §312;
ABGB §339;
ABGB §351;
ABGB §524;
FlVfGG §34;
FlVfGG §6;
FlVfLG OÖ 1979 §102;
FlVfLG OÖ 1979 §24;
ZPO §454;
ZPO §457;
ABGB §312;
ABGB §339;
ABGB §351;
ABGB §524;
FlVfGG §34;
FlVfGG §6;
FlVfLG OÖ 1979 §102;
FlVfLG OÖ 1979 §24;
ZPO §454;
ZPO §457;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Agrarbezirksbehörde Gmunden (ABB) hat im Zusammenlegungsverfahren S durch Auflage zur allgemeinen Einsicht in der Zeit vom 24. Februar bis zum 10. März 1986 den Zusammenlegungsplan erlassen. Dieser Zusammenlegungsplan ist, nachdem einer dagegen vom nunmehrigen Beschwerdeführer erhobenen Berufung vom Landesagrarsenat beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung (der belangten Behörde) mit Bescheid vom 17. September 1987 nicht Folge gegeben worden war, in Rechtskraft erwachsen.

Mit Eingabe vom 6. Dezember 1987 erhoben die beiden Mitbeteiligten (MB) bei der ABB gegen den Beschwerdeführer "Klage wegen Grundbesitzstörung", weil der Beschwerdeführer am 3. Dezember 1987 um 13 h und am 4. Dezember 1987 um 9 h mehrmals mit dem Jauchefaß über ihr (Abfindungs‑)Grundstück Nr. 233 gefahren sei. Diese Fahrten stellte der Beschwerdeführer in der von der ABB am 7. Jänner 1988 abgehaltenen mündlichen Verhandlung nicht in Abrede; er bestritt aber, dadurch eine Besitzstörung begangen zu haben, weil sich die MB nicht im ruhigen Besitz "der über das Grundstück Nr. 233 führenden Fahrt" befunden hätten. Zwar sei dem Beschwerdeführer von den Agrarbehörden im Zusammenlegungsverfahren das beantragte Fahrtrecht mit Wirtschaftsfuhren sowie das Viehtriebsrecht über das Grundstück Nr. 233 nicht eingeräumt worden, doch sei es auch nicht zu einer Aufhebung dieses Rechtes im Zusammenlegungsverfahren gekommen. Der Beschwerdeführer habe daher berechtigterweise ein "über dieses Grundstück ersessenes Fahrtrecht" ausgeübt.

Auf Grund der Ergebnisse ihres Ermittlungsverfahrens stellte die ABB mit Spruchpunkt I. ihres Bescheides vom 14. Jänner 1988 fest, daß der Beschwerdeführer den ruhigen Besitzstand der MB dadurch gestört habe,

"... daß er am 3.12.1987 und 13.00 Uhr und am 4.12.1987 um 9.00 Uhr das Abfindungsgrundstück Nr. 233 KG. X vom öffentlichen Weg am Waldrand entlang in Richtung Grundstück Nr. 234 KG. X mit einem Traktor samt Jauchefaß befahren hat."

Mit Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, sich in Hinkunft jeder Störung des Besitzes der MB zu enthalten.

In der Begründung dieses Bescheides verwies die ABB auf die eingetretene Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes sowie auf ihre gemäß § 102 des oberösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 37/1979 (in der Folge kurz FLG), gegebene Zuständigkeit zur Entscheidung über die vorliegende Besitzstörung. Im Zuge des Zusammenlegungsverfahrens sei ein Fahrtrecht des Beschwerdeführers über das Grundstück Nr. 233 weder begründet noch aufrechterhalten worden, weil das Grundstück des Beschwerdeführers ohnehin von einem öffentlichen Weg her voll aufgeschlossen sei. Der Auffassung des Beschwerdeführers, er habe den ruhigen Besitzstand der MB nicht gestört, weil er ein ersessenes Fahrtrecht ausgeübt habe, sei § 24 FLG entgegenzuhalten, wonach Grunddienstbarkeiten und Reallasten, die sich auf einen der im § 480 ABGB genannten Titel gründen, mit Ausnahme der Ausgedinge ohne Entschädigung erlöschen, wenn sie nicht aus gegebenem Anlaß von der Agrarbehörde ausdrücklich aufrechterhalten oder neu begründet werden. Da im Zusammenlegungsplan das vom Beschwerdeführer behauptete ersessene Fahrtrecht nicht aufrechterhalten oder neu begründet worden sei, sei diese behauptete Dienstbarkeit spätestens mit der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes (Generalaktes) nicht mehr dem Rechtsbestand zuzuzählen. Der Beschwerdeführer habe daher durch seine Fahrten am 3. und am 4. Dezember 1987 Besitzstörungshandlungen gesetzt.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bezeichnete der Beschwerdeführer die Rechtsansicht der ABB als verfehlt; die MB hätten sich nicht im ruhigen Besitz befunden, weil der Beschwerdeführer bereits vor den gegenständlichen Störungshandlungen mit landwirtschaftlichen Fuhren über das Grundstück Nr. 233 gefahren sei. Dieses Fahrtrecht sei ersessen, eine "generelle Verfügung gem. § 24 FLG" könne ein auf § 480 ABGB gestütztes Recht nicht aufheben, weil Landesrecht nicht Bundesrecht brechen könne. Dieses Vorbringen wurde in der mündlichen Berufungsverhandlung am 7. Juli 1988 vor der belangten Behörde aufrechterhalten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. Juli 1988 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der ABB. Auch die belangte Behörde ging begründend von § 24 FLG aus. Selbst wenn man den Ausführungen des Beschwerdeführers folge, wonach er schon vor der Zusammenlegung ein Fahrtrecht mit Wirtschaftsfuhren und ein Viehtriebsrecht über das Grundstück Nr. 233 besessen habe, ändere dies nichts an dem Umstand, daß auch ersessene Dienstbarkeiten bei Eintritt eines Erlöschensgrundes (§ 524 ABGB) zu bestehen aufhörten. Das Erlöschen (nicht aufrechterhaltener) Grunddienstbarkeiten trete u.a. kraft Gesetzes mit der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes ein. Da weder im Zusammenlegungsplan noch auf Grund der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers eine (allenfalls ersessene) Dienstbarkeit über das Grundstück Nr. 233 zugunsten des Beschwerdeführers ausdrücklich aufrechterhalten oder neu begründet worden sei, sei diese Dienstbarkeit mit der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 17. September 1987 an den Beschwerdeführer (somit am 24. September 1987) kraft Gesetzes erloschen. Der Beschwerdeführer habe daher am 3. und am 4. Dezember 1987 beim Befahren des Grundstückes Nr. 233 eigenmächtig gehandelt und dadurch den ruhigen Besitz der MB beeinträchtigt. Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach ein auf Bundesrecht basierendes Recht des Beschwerdeführers nicht durch Landesrecht aufgehoben werden könne, verwies die belangte Behörde auf § 524 ABGB und auf § 6 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, BGBl. Nr. 103 (in der Folge kurz FGG).

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welche deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 28. Februar 1989, Zl. B 1524/88, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer sei in seinem Recht "auf vollständige Klärung des Sachverhaltes und Zugrundelegung dieses Sachverhaltes dadurch verletzt worden, daß nicht einmal der ruhige Besitzstand festgestellt worden ist".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die MB haben sich in einer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Eingabe als mit dem angefochtenen Bescheid einverstanden erklärt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß im Beschwerdefall weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Verwaltungsgerichtshof Zweifel an der Zuständigkeit der Agrarbehörden zum Einschreiten in der vorliegenden Besitzstörungsangelegenheit aufgetaucht sind (vgl. zur Kompetenzkonzentration die §§ 34 FGG und 102 FLG sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1984, Zl. 83/07/0223 = Slg. 11300/A).

Die Beschwerde enthält auch kein Vorbringen mehr in der Richtung, daß der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfenen Störungshandlungen auf Grund einer von ihm ersessenen, aufrecht bestehenden Dienstbarkeit ausgeübt habe. Der Verwaltungsgerichtshof hegt dazu im übrigen keine Bedenken gegen die Richtigkeit der von den Agrarbehörden vertretenen Auffassung, wonach selbst eine ersessene, aber im Zusammenlegungsplan nicht ausdrücklich aufrecht erhaltene Dienstbarkeit mit der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes erloschen wäre (vgl. dazu § 6 Abs. 1 FGG, § 24 Abs. 1 FLG, sowie RZ 3 zu § 524 ABGB im Kommentar von Rummel, Manz Wien 1983, 1. Band, Seite 485).

Der Beschwerdeführer bestreitet aber nach wie vor das Vorliegen eines ruhigen Besitzstandes der MB an ihrem Grundstück Nr. 233 im Zeitpunkt der Störungshandlungen und erachtet in diesem Zusammenhang den von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt für ergänzungsbedürftig. Der Beschwerdeführer vermag allerdings nicht darzutun, welche Ermittlungen seitens der Agrarbehörde unterblieben wären und welche relevante Sachverhaltsfeststellungen auf Grund ergänzender Ermittlungen noch zu treffen gewesen wären. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vor Eintritt der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes über das Grundstück Nr. 233 gefahren sein mag, ist rechtlich deshalb ohne Bedeutung, weil mit dem Generalakt, wonach ein solches Fahrtrecht weder aufrechterhalten noch neu begründet worden ist, für die Beteiligten eine neue Situation geschaffen wurde. Selbst wenn es - vor Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes - bereits zu Fahrten des Beschwerdeführers über das Grundstück Nr. 233 gekommen sein sollte, befanden sich die MB spätestens ab Eintritt dieser Rechtskraft im ruhigen Besitz dieses von einem derartigen Fahrtrecht unbelasteten Grundstücks. Störungen dieses Besitzes mußten die MB schon deshalb rechtzeitig bekämpfen, weil es ansonsten möglicherweise (neuerlich) zur Ersitzung einer Dienstbarkeit durch den Beschwerdeführer kommen könnte.

Die im Beschwerdefall eingeschrittenen Agrarbehörden haben daher zutreffend erkannt, daß den MB jedenfalls ab Eintritt der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes das Recht zustand, Störungen ihres Besitzes an dem Grundstück Nr. 233 bei den (im gegebenen Zeitpunkt zuständig gewesenen) Agrarbehörden geltend zu machen. Daß sie mit diesem ihrem Begehren auch durchgedrungen sind, geht im übrigen darauf zurück, daß der Beschwerdeführer die Tatsache der ihm als Besitzstörung vorgeworfenen Fahrten nicht bestritten hat, und daß die Geltendmachung dieser Störungen jedenfalls innerhalb der dreißigtägigen Frist des § 454 Abs. 1 ZPO bei der Behörde erfolgt ist (vgl. auch dazu das oben genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1984).

Da die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung somit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989. Wien, am 5. Dezember 1989

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte